Von Andreas Landwehr, dpa
Seit Volkswagen vor zwei Wochen in China eine Rückrufaktion für eine halbe Million Autos wegen Problemen mit der Hinterachse gestartet hat, geht unter Kunden die Angst um. Am vergangenen Wochenende protestierten in Shanghai, Shenzhen und einem weiteren Dutzend Metropolen Hunderte Besitzer der betroffenen Modelle Sagitar - einer Jetta-Version - und Beetle vor VW-Händlern. Die Webseite "Zhonggongwang" des Gewerkschaftsverbandes sprach von dem "möglicherweise größten Protest von Autobesitzern in China".
Der Sturm überraschte Europas größten Autobauer, der umgehend eine Aufklärungskampagne startete, um besorgte VW-Fahrer zu beruhigen. Es geht um 563.600 Sagitar-Modelle - und knapp 17.500 Beetle. "Es besteht kein Zweifel, dass der Sagitar ein sicheres Auto und die Achse ungefährlich ist", bemühte sich China-Vorstand Jochem Heizmann vor Journalisten in Shanghai, den Image-Schaden auf dem größten Markt für Volkswagen zu begrenzen. Immerhin verkauft VW jedes dritte Auto weltweit auf dem Wachstumsmarkt in China.
Das Problem, das den Rückruf auslöste, tritt auch nur bei Autos auf, die einen Aufprall erlitten haben, wie Volkswagen versichert. Wird das Fahrzeug nach dem Unfall nicht in die Werkstatt gebracht und gründlich genug untersucht, bleibt der mögliche Defekt an dem Koppellenker - eines der Bauteile, die die Achse führen - unentdeckt. Und genau hier liegt in China das Problem, weil leicht mal oberflächlich repariert wird, wie Experten schildern. Im schlimmsten Fall kann es aber zu einem Bruch kommen, warnt Volkswagen.
Rund 100 Besitzer, die sich nach Unfällen über Probleme mit der Achse beschwerten, haben in China den Stein ins Rollen gebracht. Sie riefen die staatliche Qualitätsaufsicht auf den Plan, die seit August ermittelte und Druck auf Volkswagen ausübte. So kam es zu dem Rückruf, der in der Folge auch eine halbe Million Autos in den USA betrifft, da sich die Aufsichtsbehörden international austauschen. In den USA werden 400.600 Jetta und 41.600 Beetle zurückgerufen.
Informationskampagne auf Hochtouren
Schon im vergangenen Jahr hatte Volkswagen wegen Problemen mit dem Doppelkupplungsgetriebe 384 000 Autos allein in China in die Werkstätten zurückrufen müssen. Diesmal ist die Situation aber anders: "Gibt es keinen Unfall und keinen Aufprall von hinten oder der Seite, dann passiert mit der Achse nichts", sagte Heizmann. Über Videos im Internet, Erläuterungen von Experten, Treffen mit chinesischen Journalisten und über einflussreiche Blogger läuft die Informationskampagne diese Woche auf Hochtouren.
Besorgten Kunden wird angeboten, ihr Auto mit speziellen Werkzeugen untersuchen zu lassen. In einem zweiten Schritt soll am Februar 2015 ein Blech zusätzlich eingebaut werden, dass bei einem eventuellen Schaden so klappert, dass das Problem nicht unentdeckt bleiben kann. "Wir machen damit ein sicheres Konzept noch sicherer", so Heizmann. Zusätzlich gibt Volkswagen eine zehnjährige Garantie auf die Achse.
Anwälte eingeschaltet
Ob die Angebote reichen, um die Kunden zufriedenzustellen, bleibt abzuwarten. Über soziale Medien organisieren sich die Besitzer, haben schon zu neuen Protesten aufgerufen. 391 von ihnen haben bis Mittwoch die Pekinger Anwaltsfirma Jingshi beauftragt, ihre Interessen wahrzunehmen. Täglich kommen mehr dazu. Ihnen geht die angebotene Lösung von Volkswagen nicht weit genug. Einige Kunden wollen eine neue Hinterachse, andere sogar ihr Geld zurück.
"Der Rückrufplan bietet nur die Lösung mit dem Blech an, was das Problem nicht grundsätzlich löst", sagt der Anwalt Zhang Lijun in Peking. "Wenn Volkswagen keine Ernsthaftigkeit beweist, das Problem gründlich zu lösen, schließen wir nicht aus, die Besitzer in einer gemeinsamen Klage zu vertreten."