Von Christian Ebner und Arne Dedert/dpa
Der altgediente Opel-Mann fühlt sich an die Politik erinnert: "Bislang hat das Management uns nur gesagt "Wir schaffen das". Aber wie es genau gehen soll, weiß hier noch keiner." Fast ein halbes Jahr gehört die deutsche Traditions-Automarke mit dem Blitz nun schon zum französischen PSA-Konzern, doch in der Abteilung des Mannes ist noch kein grundlegender Wandel eingetreten. Mit einer Ausnahme: An vier Werktagen im Monat bleiben die Kollegen zu Hause und kassieren als Lohnersatz das Kurzarbeitergeld der Arbeitsagentur.
Eigentlich soll es an diesem kalten und windigen Mittwochvormittag vor der Opel-Zentrale in Rüsselsheim auch um die Forderungen der IG Metall in der laufenden Tarifrunde gehen. Doch Teilzeitmöglichkeiten mit Lohnausgleich für Schichtarbeiter oder Eltern kleinerer Kinder interessieren noch nicht einmal die Jüngeren unter den Demonstranten. "Uns geht es hier nur um Opel und um unsere Arbeitsplätze", sagt einer mit einer roten IG-Metall-Weste. "Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht", steht auf einem Großtransparent mit Dutzenden Fotos. An den anderen deutschen Opel-Standorten Kaiserslautern und Eisenach herrscht dieselbe Stimmung, zusammen gingen in den Werken mehr als 8.000 Leute in den Warnstreik.
Aus diesem Grund sind auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein landespolitischer Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) vor das Werkstor gekommen. Die Politiker versichern den rund 6.000 Demonstranten, dass sie an ihrer Seite stünden, wenn es hart auf hart gehe. "Wir wollen, dass Opel eine gute Zukunft hat", sagt Bouffier und blickt in viele betretene Gesichter, als er einräumt, dass sich bei Opel auf jeden Fall etwas ändern müsse. 20 Jahre lang Verluste, dann der Verkauf an PSA, die Lage ist ernst, das ist hier jedem klar.
Mulmiges Gefühl
Der erste Tag Kurzarbeit hat sich vielleicht noch angefühlt wie Urlaub, doch etwas mulmig ist den meisten schon bei dem Gedanken, dass das nun bis zur Jahresmitte so weiter gehen soll. "Wir hoffen, dass bis dahin wenigstens die Aufgabenteilung klar ist", sagt ein jüngerer Ingenieur aus dem Entwicklungszentrum, in dem mehr als 7.000 Leute an ähnlichen Dingen arbeiten wie ihre PSA-Kollegen an den anderen Konzernstandorten.
Niemand weiß bislang, wie viele Fachleute letztlich wegen der Übernahme gehen müssen und wie es in der Produktion weitergeht, wenn künftig jedes Opel-Modell ein mehr oder weniger modifizierter Peugeot sein wird. Ein Ingenieur hofft noch auf Aufträge der alten Mutter General Motors, doch seine Kollegen sind anderer Meinung: "Von da kommen keine neuen Sachen mehr." Die älteren Mitarbeiter denken über die ausgeweiteten Vorruhestandsregeln nach, genaue Zahlen kann der Betriebsrat aber noch nicht nennen.
Kündigungsschutz bis Ende 2018
Der neue Opel-Chef Michael Lohscheller hat seinen im November vorgestellten Sanierungsplan "Pace" (Tempo) genannt. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert, daraus besser "Peace" (Frieden) zu machen, den Wandel also im Einklang mit der Belegschaft zu schaffen. Vorerst wird auf betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen verzichtet, bis Ende 2018 sind zumindest die rund 19.000 deutschen Arbeitnehmer vor Entlassungen geschützt. Opel muss effizienter, elektrischer und globaler werden, PSA-Chef Carlos Tavares erwartet 2020 ein positives operatives Ergebnis.
Beim ohnehin schon komplexen Zusammenschluss zweier Großunternehmen haben die Arbeitnehmer auch bei den Details noch ein gewichtiges Wort mitzureden. "Wir haben die Bremse reingehauen und gehen die Dinge jetzt Abteilung für Abteilung durch", sagt Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug, der sich dennoch unter erheblichem Zeitdruck sieht. Die Kurzarbeit Tausender Opel-Kollegen hat ihm und der Gewerkschaft ein wenig Luft verschafft, doch im ersten Halbjahr 2018 müssen Ergebnisse her. Am Montag haben die "brettharten" Detailverhandlungen begonnen, sagt Schäfer-Klug. Einen schnelleren Weg gebe es nicht. "Sonst hätte der Betriebsrat kapitulieren müssen."
Bernhard H.