Für die Mitglieder des europaweiten Lkw-Kartells könnte neben den Rekordgeldbußen auch eine geplante Gesetzesänderung unangenehm werden. Bis Ende Dezember muss der deutsche Gesetzgeber eine EU-Richtlinie umsetzen, nach der Kartell-Geschädigte einfacher Schadenersatz bekommen könnten. Betroffenen Unternehmen soll etwa ein Recht auf Akteneinsicht gewährt werden. "Häufig können Unternehmen nur schwer beweisen, dass gerade sie Opfer eines Kartells sind und in welcher Höhe sie einen Schaden erlitten haben", sagt der Würzburger Kartellrechtler Florian Bien. Da helfe die Neuregelung.
Daneben soll die Vermutung aufgestellt werden, dass Preisabsprachen einen Schaden verursacht haben. Die Mitglieder des Kartells müssen das Gegenteil beweisen, bisher war es andersherum. Zudem werde eine Verlängerung der Verjährungsfrist Geschädigten helfen, heißt es von der Monopolkommission, die den Gesetzgeber im Wettbewerbsrecht berät. Wichtig wäre aus Sicht der Monopolkommission zudem, dass auch Muttergesellschaften der Kartell-Mitglieder haften, damit Unternehmen sich nicht durch eine Umstrukturierung der Verantwortung entziehen können. Bisher sei noch offen, ob dies so geregelt werde.
Ein erster Umsetzungs-Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt seit Anfang Juli vor. Die neuen Regeln wären nach Inkrafttreten auch auf laufende Schadenersatzklagen wegen des Lkw-Kartells um Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault anwendbar. Die EU-Kommission hatte am Dienstag wegen Preisabsprachen Geldbußen von knapp 2,93 Milliarden Euro gegen die Hersteller verhängt (wir berichteten).
Daimler-Betriebsratschef: "Wer übernimmt dafür die Verantwortung"
Die höchste Einzelstrafe entfällt mit rund einer Milliarde Euro auf Daimler. Der Fall müsse im Konzern Konsequenzen haben, sagte Betriebsratschef Michael Brecht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "In den Fabriken und Büros wird permanent geprüft, wo noch ein Cent mehr gespart werden könnte. Und hier verpuffen durch illegales Handeln über eine Milliarde Euro, die weit sinnvoller hätten eingesetzt werden können", kritisierte Brecht, der auch stellevertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist. "Die Beschäftigten sehen solche Vorgänge zu Recht kritisch und fragen laut nach, wer die Verantwortung dafür übernimmt."
Für die Kartell-Geschädigten hat die geplante Gesetzesänderung allerdings auch Haken, wie Juraprofessor Bien erklärt. So gilt das neue Recht auf Akteneinsicht nicht für Erklärungen von Kronzeugen sowie Einigungen zwischen einem Unternehmen und der Kartellbehörde. Im Fall des Lkw-Kartells war die Münchner VW-Tochter MAN Kronzeuge, gab also den entscheidenden Hinweis für die Ermittlungen. Alle anderen einigten sich mit der EU-Kommission. Das neue Recht dürfte Klägern also vor allem gegenüber der schwedischen VW-Tochter Scania weiterhelfen, die als einzige einen Vergleich ablehnte.
Kartellrechtler Bien erwartet insgesamt allerdings, dass eine Klage für kleinere Spediteure auch mit der Gesetzesänderung zu aufwendig bleibt. (dpa)