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"Leadership 2020": Daimler stößt Kulturwandel an

31.10.2016 08:38 Uhr
Wilfried Porth
Wilfried Porth: "Wir sind eine Industrie, die derzeit in zwei Themengebieten gefordert ist: Digitalisierung und Elektrifizierung."
© Foto: Daimler

Der Autobauer Daimler rüttelt an alten Gewohnheiten. Das äußert sich nicht nur in der Garderobe der Vorstände.

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Der von Konzernchef Dieter Zetsche angestoßene Kulturwandel beim Autobauer Daimler nimmt Form an. "Es gibt keinen definierten Zeitrahmen. Wir werden die einzelnen Maßnahmen sukzessive umsetzen", sagte Personalvorstand Wilfried Porth der Deutschen Presse-Agentur. Unter dem Titel "Leadership 2020" hatte Daimler vor gut einem Jahr ein Umdenken im Konzern angestoßen. Neue Führungsprinzipien wurden erarbeitet. Dazu gehören eine andere Feedback-Kultur und Leistungsbewertung, aber auch die Idee, außerhalb der gewohnten Strukturen wie Start-ups zu arbeiten. Mitarbeiter von Daimlers Van-Sparte feilen so etwa an neuen Geschäftsideen rund um den Lieferverkehr.

Der Wandel geschieht nicht ganz freiwillig: "Wir sind eine Industrie, die derzeit in zwei Themengebieten gefordert ist: Digitalisierung und Elektrifizierung", sagte Porth. "Wenn man sich mit diesen Themen eingehend beschäftigt, stellt man fest: Da brauche ich an einigen Stellen andere Entscheidungsprozesse, damit man schneller wird." Dabei geht es teilweise um recht simple Dinge. "Die erste Maßnahme, die wir implementiert haben, ist das Thema Reisegenehmigungen", sagte Porth. Statt mehrerer Hierarchien seien jetzt nur noch der Reisende selbst und der direkte Vorgesetzte beteiligt. "Dieses Prinzip - weniger Unterschriften und weniger Genehmigungen - diskutieren wir jetzt für viele andere Prozesse", so Porth.

Eine andere Idee sind Schwarmorganisationen. Dabei gehe es darum, für eine bestimmte Zeit Mitarbeiter unterschiedlicher Hierarchien in Teams zu bringen und ihnen dort volle Entscheidungsfreiheit zu übertragen. "Die Motivation unserer Mitarbeiter steigt auf jeden Fall, weil die Beschäftigten direkter am Entscheidungsfindungsprozess teilnehmen können", sagte Porth. Einmal hat es bereits funktioniert: 'Leadership 2020' wurde so erarbeitet", so Porth. 20 Prozent der weltweit 284 500 Mitarbeiter würden künftig in Schwarmorganisationen eingebunden.

360-Grad-Feedback

"Wir wollen damit auch sicherstellen, dass unsere Beschäftigten ihr Berufsleben mit neuen Sichtweisen und Gestaltungsmöglichkeiten anreichern können", so Porth. Das Thema der Weiterentwicklung spiele auch bei sogenanntem 360-Grad-Feedback eine stärkere Rolle, bei dem beispielsweise Führungskräfte nicht nur von ihren Vorgesetzten, sondern auch von Mitarbeitern und Arbeitskollegen Rückmeldung bekommen. "Anhand dieses Feedbacks werden wir unter anderem messen, dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind", sagte Porth.

Die Beteiligung bei der Erarbeitung der neuen Führungskultur im Konzern sei hoch. "Auf breiter Basis ist ein Wunsch nach Veränderung spürbar", sagte Porth. "Es ist wichtig, dass die Energie aus der Mannschaft kommt." Von den rund 16.000 Führungskräften hatten sich etwa 1.000 beworben, um das Grundgerüst für den Wandel auszuarbeiten.

Ob die Idee aufgeht, wird sich an den bislang auch üblichen Erfolgsmaßstäben zeigen: "Am Ende kann ich den Erfolg unserer neuen Führungskultur nur am Produkterfolg messen", sagte der Daimler-Personalvorstand. "Ziel ist immer: Ein besseres Produkt für unsere Kunden und das schneller als der Wettbewerb."

"Können nicht alle sozialen Probleme stemmen"

Porth wehrt sich gegen die Forderung aus der Politik, mehr Flüchtlinge einzustellen. "Alle sozialen Aufgaben bei der Wirtschaft abzuladen, das kann nicht funktionieren", sagte der Daimler-Vorstand der Deutschen Presse-Agentur. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter sicherten maßgeblich den Wohlstand in vielen Regionen Deutschlands.

Unter anderem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte mehrfach mehr Engagement von Dax-Konzernen gefordert. "Wir müssen die deutsche Wirtschaft in der ganzen Breite dazu bringen, Flüchtlinge beruflich zu integrieren und ihnen Möglichkeiten zu geben, in ihre Ausbildung zu investieren", entgegnete Porth. "Wir müssen uns überlegen, wie wir die Flüchtlinge im Land und bezüglich der vorhandenen Arbeitsplätze verteilen."

Daimler hat vor gut einem Jahr Brückenpraktika für Flüchtlinge eingeführt. Die Praktika sind allerdings kein Garant für einen Job bei dem Autohersteller, sondern sollen den Flüchtlingen helfen, überhaupt Arbeit zu finden. Eingestellt hat Daimler bislang weniger als 100 Flüchtlinge. Die Personaler verweisen allerdings darauf, dass das Merkmal bei der Einstellung nicht speziell erhoben werde.

"Wir können nicht an den Zeitarbeitern, die zum Teil schon länger für uns arbeiten, vorbei Flüchtlinge auf breiter Basis einstellen", begründete Porth. Der Konzern beschäftigte zuletzt 5.500 Zeitarbeiter, rund 6.500 seien seit 2005 übernommen worden. (dpa)

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