Milliardenverlust in den Büchern, sinkender Gewinn im laufenden Geschäft: Der zweitgrößte Autozulieferer Continental steht vor seinem grundlegenden Konzernumbau erheblich unter Druck.
Weil die Hannoveraner eine hohe Abschreibung verkraften müssen und zugleich die Autokonjunktur in vielen Ländern lahmt, beendeten sie das dritte Quartal tief in den roten Zahlen. Dabei dürfte auch die beschlossene Neuausrichtung hin zu mehr Elektronik und der damit einhergehende Stellenabbau in den kommenden Jahren noch teuer werden.
Unterm Strich stand bei Conti von Juli bis September ein Minus von fast zwei Milliarden Euro. Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, lag dies zwar zum Großteil am "Einmaleffekt" verringerter Firmenwerte aus früheren Übernahmen sowie ersten Kosten für das Umbauprogramm. Aber auch im Tagesgeschäft sank das bereinigte operative Ergebnis zuletzt deutlich um ein Fünftel auf noch knapp 615 Millionen Euro.
Vergleichsweise solide Entwicklung
Vorstandschef Elmar Degenhart sprach angesichts der heiklen Lage der Branche von einer vergleichsweise soliden Entwicklung - "trotz des weiterhin rückläufigen Marktumfeldes". Die Anzeichen deuten aber auf schwierige Zeiten: "In den kommenden fünf Jahren rechnen wir ähnlich wie andere Marktteilnehmer nicht damit, dass sich die weltweite Produktion wesentlich beleben wird", so Finanzchef Wolfgang Schäfer. Im dritten Quartal nahm sie bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um drei Prozent ab, aufs Gesamtjahr gesehen dürften es minus sechs Prozent sein.
"In Europa sehen wir keinen großen Impuls für stärkeres Wachstum", sagte Schäfer. Vom riesigen chinesischen Markt könne man wohl auch nur Rückenwind erwarten, falls sich die Handelsstreitigkeiten mit den USA deutlich entspannen. Der Autozulieferer und Reifenhersteller aus Niedersachsen steigerte seinen Umsatz zuletzt zwar leicht um drei Prozent auf 11,1 Milliarden Euro - aber nur, wenn man den Effekt von Zukäufen und Wechselkursveränderungen einrechnet. Aus eigener Kraft gingen Contis Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent zurück.
Umbruch zur E-Mobilität sorgt für Probleme
Die Autobranche ist in einem Umbruch zu E-Mobilität sowie vernetztem und automatisiertem Fahren. Das stellt Hersteller und Zulieferer, die bisher vor allem Verbrennungsmotoren und Teile dafür fertigten, vor Probleme. Und es fällt weniger, dafür aber hoch spezialisierte Arbeit an. Außerdem drückt das vielerorts nachlassende Wirtschaftswachstum auf die Verkäufe. "Die aktuelle Situation verlangt von uns, unsere Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu erhöhen", betonte Degenhart.
Das Programm "Transformation 2019-2029" baut den Konzern um - weg von Hydraulik und Verbrenner-Technik, hin zu mehr Elektronik, Software und E-Mobilität. Die Kernbereiche sind assistiertes und autonomes Fahren, Vernetzung, Dienstleistungen, die stabile Reifensparte sowie das Geschäft mit Industrie- und Endkunden. Die Mitarbeiter sollen qualifiziert werden, es dürfte jedoch auch Stellenstreichungen geben.
Bis 2023 könnten die Umstrukturierungen bei Continental rund 15.000 Arbeitsplätze betreffen, 5.000 davon in Deutschland. Degenhart hatte gesagt, dass Kündigungen nicht auszuschließen seien - jedoch nur als "allerletztes Mittel". Zugleich entstehen neue Jobs. Ende September beschäftigte das Unternehmen in aller Welt mehr als 242.000 Menschen.
Auf der Suche nach Lösungen für Mitarbeiter
Zu den laufenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmern sagte Schäfer: "Die Gespräche finden standortbezogen statt, um für Mitarbeiter möglichst gute Lösungen zu finden." Man nehme an, solche Lösungen an vielen Standorten schon bald vorstellen zu können: "Aber der eine oder andere Standort kann sich auch ins nächste Jahr ziehen."
Dadurch, dass Conti frühzeitig etwa bei Sensorik und E-Antrieben ein breites Geschäft aufbaute, kann der Konzern den Wandel bisher relativ gut abfedern. "Betrachtet man unsere rein operative Leistung, haben wir uns im dritten Quartal vernünftig entwickelt", meinte Schäfer.
So hat Vitesco - die künftig abgespaltene Antriebssparte - im Oktober einen Großauftrag des Opel-Dachkonzerns PSA sowie von Hyundai für E-Antriebe erhalten. Hier gebe es "unverändert starkes Umsatzwachstum", im dritten Quartal hätten die Erlöse 64 Millionen Euro betragen, sagte Schäfer. "Wir sehen jetzt, dass die Kunden diese Produkte abrufen, worauf wir ja etwas länger gewartet haben." Für das VW-Elektroauto ID.3 liefert Continental außerdem einen Bordrechner, der Updates oder das Finden von Ladepunkten erleichtern soll.
Andere große Zulieferer kämpfen ebenfalls mit der absehbar unsicheren Nachfrage. Branchenprimus Bosch baut weiter Jobs ab. Dies solle an betroffenen Standorten sozialverträglich erfolgen, beteuerte Bosch - betriebsbedingte Kündigungen seien zunächst nicht geplant. (dpa)