Rund ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals steht VW vor entscheidenden Weichenstellungen. Noch in dieser Woche soll der Startschuss für die erste große Rückrufwelle fallen, bei der mit dem Passat erstmals ein massenhaft verkauftes Modell in die Werkstätten muss. Bisher war nur der VW Amarok nachgebessert worden - mit nur gut 8.000 Wagen war das lediglich eine Generalprobe im Miniaturmaßstab. Am Mittwoch (2. März) beschäftigt sich zudem erstmals ein deutsches Gericht mit den Manipulationen an bundesweit 2,5 Millionen Dieseln aus dem Konzern.
Ein VW-Käufer aus dem Ruhrgebiet will sein Auto zurückgeben. Der Universitätsprofessor klagt am Landgericht Bochum gegen ein örtliches VW-Autohaus auf Rückabwicklung seines Kaufvertrages. "Mein Mandant will seinen VW Tiguan mit der Schummelsoftware zurückgeben", sagte Anwalt Dietrich Messler am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Der Wagen sei rund ein Dreivierteljahr alt und habe inzwischen eine Laufleistung von knapp 20.000 Kilometern.
Eine technische Nachbesserung des Fahrzeugs lehne sein Mandant ab, betonte Messler. "Er ist aber vergleichsbereit und würde auch einen neuen Wagen kaufen." Dafür müsse der Händler ihm jedoch abzüglich des Wertverlusts infolge der Fahrleistung den Kaufpreis zurückerstatten. Mit seiner Forderung nach einer Rückabwicklung ist der Bochumer nicht allein. Weltweit meldeten sich nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre bei rund elf Millionen Diesel-Fahrzeugen enttäuschte VW-Fahrer.
Volkswagen setzt auf die Nachbesserung der Fahrzeuge, Konzernchef Matthias Müller hatte aber zumindest für den US-Markt in Einzelfällen auch Rückkäufe nicht ausgeschlossen. Hierzulande ist die Nachrüstung schon beschlossen, sie soll noch das ganze Jahr 2016 über laufen.
Start für Passat steht kurz bevor
Der vom Unternehmen für diese Woche angekündigte Start der ersten großen Rückrufwelle steht laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kurz bevor. Ein Sprecher der Behörde sagte am Montag, ihm seien keine Anzeichen für eine Verzögerung bekannt. Genaueres wie ein konkretes Datum stehe aber noch nicht fest. So könne er weder ausschließen noch bestätigen, dass es noch in dieser Woche grünes Licht gebe. VW braucht den Startschuss vom KBA, das die Lösung für nachgebesserte Dieselwagen absegnen muss, um die Kunden anschreiben zu dürfen.
VW zufolge gibt es bundesweit 2.173 Volkswagen-Partner, deren Werkstätten für den Rückruf autorisiert sind. Rein rechnerisch kommen 1.150 Fahrzeuge auf jede einzelne Werkstatt - eine Herkulesaufgabe.
Fahrzeughalter angeschrieben
In einem ersten Schreiben an alle rund 2,5 Millionen betroffenen Halter in Deutschland hatte VW vor kurzem einen groben Ablauf genannt. Für die Wagen mit dem kleinsten Motor mit 1,2 Litern Hubraum soll die Aktion ab dem 30. Mai (Kalenderwoche 22) starten. Die mittelgroßen Motoren mit 1,6 Litern Hubraum sind ab dem 5. September (Kalenderwoche 36) an der Reihe. Die Kalenderwoche 9 markiert - vom Amarok abgesehen - den Anfang der 2,0-Liter-Antriebe, zunächst mit Varianten des Passat. Wann mit dem Golf das meistverkaufte VW-Modell dran ist, steht noch nicht fest. Jeder Halter bekommt noch einen zweiten Brief, der zum konkreten Termin in der Werkstatt aufruft.
Wann genau welche Typen folgen, hängt von den Kombinationen aus Motor, Baujahr und Getriebe ab. Das KBA gibt die Termine schrittweise frei. Bei den mittleren 1,6-Liter-Motoren muss neben einem Software-Update auch ein neues Bauteil eingesetzt werden. (dpa)
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