Der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Kühling, hält ein schärferes Wettbewerbsrecht für richtig. Die zurzeit sehr hohen Spritpreise könnten damit aber nicht verringert werden, machte der Regulierungsexperte klar. Die Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gingen in die richtige Richtung, "es sind aber keine kurzfristigen Instrumente", sagte Kühling der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstag). Die Monopolkommission ist ein Expertengremium, das die Bundesregierung und die Parlamente in Wettbewerbsfragen berät.
Kühling erinnerte daran, dass die Kommission bereits im Jahr 2012 eine Untersuchung des Raffineriesektors angeregt habe. "Hätte man sie damals schon durchgeführt, wären wir jetzt besser informiert und gerüstet."
Zum 1. Juni war zur Entlastung der Autofahrer die Energiesteuer auf Benzin und Diesel gesenkt worden. An den Zapfsäulen wurde dies aber kaum spürbar – was viele Bürger verärgert hat. Gemutmaßt wird, dass sich die Ölkonzerne den Tankrabatt zum Teil in die eigene Tasche stecken.
Am wirkungsvollsten sei der Vorschlag Habecks, die Sektoruntersuchungen schlagkräftiger zu gestalten, führte Kühling aus. Damit könne sich das Kartellamt einen Überblick über die Marktlage in besonders problematischen Sektoren verschaffen –dazu gehörten auch Telekommunikation, Post und Schienengüterverkehr. Nötig seien aber 30 bis 40 zusätzliche Stellen für Experten im Kartellamt, "sonst funktioniert das nicht".
Branche wehrt sich gegen kurzfristige Änderung
In der Diskussion über die Spritpreise hat sich die Ölbranche gegen kurzfristige Konsequenzen ausgesprochen. Der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie, Adrian Willig, verwies im Fernsehsender Phoenix auf eine Untersuchung der Wettbewerbshüter zu Kraftstoffen. "Es wäre jetzt angesagt, diese Untersuchung des Kartellamtes abzuwarten, bevor man voreilig fordert, weitergehende Sanktionen ohne irgendwelche Nachweise von Verstößen auf den Weg bringen zu wollen", sagte Willig am Dienstag.
Der Branchenvertreter sprach sich dagegen aus, Unternehmen ohne Nachweis von Verstößen zu sanktionieren oder zu zerschlagen. Das sei sehr problematisch und unangemessen. Es habe den Anschein, dass man "jetzt unter starkem politischen Druck steht, um solche Maßnahmen vorzuschlagen". Sprit sei auch in anderen europäischen Ländern teuer.
"Bei der Untersuchung einzelner Sektoren durch das Bundeskartellamt bedarf es zudem auch klarer Regeln und Grenzen", sagte Kühling dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In der aktuellen Problematik um die hohen Spritpreise hätten die von Habeck angeregten Maßnahmen "allerdings keinen Einfluss". Eine vereinfachte Abschöpfung von Übergewinnen könne ein Weg sein. "Allerdings setzt dieser Weg immer noch voraus, dass das Bundeskartellamt zunächst einen Verstoß der Mineralölgesellschaften gegen das Wettbewerbsrecht feststellen muss."
Auch der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, begrüßt Habecks Plan zur Verschärfung des Kartellrechtes. "Das Kartellrecht erlaubt schon jetzt eine Zerschlagung von Unternehmen, aber nur im Zusammenhang mit einem Missbrauch", sagte Wambach der "Rheinischen Post" (Dienstag). Deshalb sei eine Beweislastumkehr zu begrüßen. "Sollten sich im Rahmen der Marktbeobachtung konkrete Hinweise darauf ergeben, dass die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln dauerhaft unzureichend ist, könnte eine Beweislastumkehr in Betracht gezogen werden."
Wambach verteidigte jedoch die Ölkonzerne gegen den Vorwurf, sich den Tankrabatt zum Teil in die eigene Tasche zu stecken. "Die Unternehmen werden in der Öffentlichkeit vorverurteilt, dass sie sich missbräuchlich verhalten. Dabei ist die Preisbildung nicht so simpel, es fließen viele Faktoren ein", sagte Wambach der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag).
Ifo: Konzerne geben Tankrabatt fast vollständig weiter
Nach Berechnungen des Ifo-Instituts haben die viel kritisierten Ölkonzerne den Tankrabatt auch weitgehend an die Autofahrer weitergegeben. Beim Diesel hätten die Tankstellen die vorübergehende Steuersenkung um 17 Cent je Liter zu 100 Prozent weitergegeben, teilten die Münchner Ökonomen am Dienstag mit. Bei Super waren es demnach 85 Prozent von 35 Cent niedrigeren Steuern.
Grundlage der Berechnungen war der Vergleich mit Frankreich. Im Nachbarland gibt es seit dem 1. April einen Tankrabatt von 15 Cent je Liter, die Steuern wurden jedoch zum 1. Juni nicht mehr gesenkt. Dort wurde Benzin in den vergangenen Wochen infolge steigender Ölpreise demnach kontinuierlich teurer. In Deutschland hingegen sanken die Benzinpreise zunächst kräftig, bevor sie wieder anzogen. Zuletzt hatte der ADAC kritisiert, die Steuersenkung lande zum großen Teil bei den Ölkonzernen.
Eine andere Berechnung als das Ifo-Institut hatte zuvor auch der Wirtschaftswissenschaftler Johannes Schwanitz angestellt. Der Vorstand des Instituts für Prozessmanagement und Digitale Transformation an der Fachhochschule Münster kommt zu dem Schluss, dass die Verbraucher bei Superbenzin nur mit etwa zehn Cent von dem Tankrabatt profitieren, die Mineralölkonzerne hingegen etwa 25 Cent Steuerersparnis einstreichen. Darüber hatte am Wochenende die "Welt am Sonntag" berichtet.
Laut europäischem Benzinpreisvergleich der EU-Kommission lag Deutschland gegen Ende der ersten Juniwoche mit einem Durchschnittspreis von 2 Euro für einen Liter Super im Mittelfeld, bei Diesel hingegen im oberen Drittel. Die Kommission vergleicht die Preise jeden Donnerstag. Tankrabatte gibt es in mehreren EU-Staaten.
Unabhängig davon kritisierte Ifo-Präsident Fuest den Tankrabatt als Steuergeschenk für Wohlhabende. "Er kommt Menschen mit höherem Einkommen und höheren Spritausausgaben zugute und nicht Menschen mit geringem Einkommen", schrieb Fuest in der Mitteilung. "Darüber hinaus setzt er die falschen Anreize: Er hält nicht dazu an, weniger Benzin und Diesel zu verbrauchen. Aus ökologischen Gründen und um die Abhängigkeit von Russland zu vermindern, wäre aber das genaue Gegenteil notwendig."