Für die Beschäftigten des größten europäischen Autobauers Volkswagen zeichnet sich eine neue Sparrunde mit einem Personalabbau ab. Immer mehr verdichtet sich, dass VW-Chef Herbert Diess nicht locker lassen will bei seinem Bemühen um strikte Kostenkontrolle. Zahlen zu möglichen Stellenstreichungen nannten die VW-Manager auf der Bilanzpressekonferenz am Dienstag zwar keine. Aber dass der "Zukunftspakt" getaufte Sparkurs von 2016 dem Unternehmen nicht ausreicht, um dauerhaft hohe Renditen zu erzielen, machten Diess und sein Finanzchef Frank Witter durchaus klar.
Vor allem in der Begrenzung von Fixkosten habe es bei der Marke VW bereits Fortschritte gegeben, sagte Diess in Wolfsburg. "Nach wie vor gibt es aber großen Nachholbedarf - in der Verwaltung, in der Produktion und in der Entwicklung", mahnte er. Hintergrund ist, dass Volkswagen derzeit viel Geld in die Hand nimmt, um die IT im Unternehmen zu modernisieren. Das eröffnet Spielraum für Kostensenkungen. Die Details will Diess den fürs Tagesgeschäft der Kernmarke zuständigen Manager Ralf Brandstätter am Mittwoch auf der markeneigenen Pressekonferenz vorstellen lassen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es laut Diess aber nicht geben.
WLTP-Probleme belasten VW-Bilanz
Die Marken des Volkswagen-Konzerns büßten im vergangenen Jahr vor allem wegen der Einführung neuer Abgas- und Verbrauchstests teilweise deutlich an Gewinn ein. Der Konzern konnte wegen fehlender Zulassungen viele Modelle über längere Zeit nicht anbieten. Bei der Kernmarke VW fiel das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen von 3,3 auf 3,2 Milliarden Euro, obwohl der Umsatz um 6,8 Prozent auf 84,6 Milliarden Euro kletterte. Die Umsatzrendite fiel auf 3,8 Prozent. Sie gibt an, wie viel vom Umsatz als Betriebsgewinn übrig bleibt. Mit dem Wert verfehlte VW das selbst gesetzte Ziel, zumindest das untere Ende der Bandbreite von vier bis fünf Prozent zu erreichen.
Der Umsatz der Tochter-Marke Audi ging leicht auf 59,2 Milliarden Euro zurück, das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen fiel von 5,1 Milliarden Euro auf 4,7 Milliarden. Audi hatte im vergangenen Jahr weniger Autos verkauft und auch höhere Nachlässe geben müssen, weil viele Kunden ihre Wunschmodelle nicht bekommen konnten.
Die Sportwagentochter Porsche steigerte ihren Umsatz um 9,2 Prozent auf 23,7 Milliarden Euro, das operative Ergebnis legte um 2,7 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro zu. Die Stuttgarter sind mit ihren Luxusautos die Renditeperle im Konzern - allerdings ging auch bei Porsche die hohe Profitabilität leicht zurück.
Diess sieht weiter Handlungsbedarf
Fakt ist: VW-Chef Diess sieht weiter Handlungsbedarf. Die Kernmarke lieferte im vergangenen Jahr nicht so viel Gewinnmarge wie in der Prognose vorgesehen. Noch im Dezember zeigte sich das Management zuversichtlich, Jahre früher als zunächst vorgesehen ein für Massenhersteller übliches Renditeniveau zu erzielen. Dafür war Diess einst als Chef der Kernmarke geholt worden. Großaktionär Wolfgang Porsche sprach ihm zuletzt noch das Vertrauen aus, Diess gehe den richtigen Weg. Bei VW und Audi gelte es abzuspecken, in Wolfsburg gebe es Verkrustungen. Die Attacke des Sprechers der Eigentümerfamilien hatte die Stimmung in Wolfsburg nicht gerade aufgeheitert.
Die Betriebsratsseite sieht in dem gemeinsam mit dem Unternehmen verabredeten Sparprogramm "Zukunftspakt" eigentlich genügend Effizienzgewinne. Doch nun kommt Diess mit dem nächsten Kürzungsprogramm. Der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh machte schon deutlich, dass die Arbeitnehmervertreter da ein Wörtchen mitzureden haben.
Dabei legte Osterloh den Finger in die Wunde. In der 'Braunschweiger Zeitung' rügte er schwere Managementfehler, vor allem wegen des neuen Abgastests WLTP. Die Kosten für den Schlamassel sind offensichtlich, viele Marken des Konzerns warfen angesichts fehlenden Modellangebots weniger Gewinn ab als im Vorjahr oder wirtschafteten weniger rentabel. VW-Finanzer Witter bezifferte die Kosten für den Konzern auf eine Milliarde Euro im Gesamtjahr. Selbst Diess sagte, das habe man besser hinbekommen können. Personelle Konsequenzen, wie von Osterloh gefordert, wies er aber zurück: "Das sehe ich nicht."
VW-Personalchef Gunnar Kilian, der vergangenes Jahr vom Generalsekretär des Betriebsrats zum Konzernvorstand aufstieg, war am Dienstag nicht in Wolfsburg. Auf "Bitten des Vorstandsvorsitzenden", so ein Sprecher, stand Kilian im Werk Hannover den Beschäftigten in einer Betriebsversammlung Rede und Antwort. Aber: Diess will den Blick auch stärker nach vorne richten. In den kommenden zehn Jahren sollen auf der eigenen Produktionsplattform 22 Millionen Elektroautos gebaut werden, das sind sieben Millionen mehr als bisher geplant. Bis 2028 stehen knapp 70 neue Elektromodelle auf dem Plan, bisher war von 50 die Rede. Die gesamte Produktion soll CO2-neutral werden.
China birgt großes Potenzial
Trotz des derzeit schwächelnden Marktes in China sieht Diess dort großes Potenzial. Um junge Chinesen als Kunden zu gewinnen, setzt das Unternehmen mit einer neuen Marke "Jetta" auf den etablierten Namen. Der Verkaufsstart für eine Limousine und zwei SUV ist noch für dieses Jahr geplant. "Für unseren Konzern setzt China inzwischen Standards bei Produktivität und Qualität", sagte Diess. Als Innovationstreiber gebe das Land das Tempo vor. In zwei chinesischen Städten entstehen Werke mit der Elektroplattform MEB. Der große Marktanteil und das voraussichtlich starke Wachstum der Elektroautos in China soll VW einen Vorsprung verschaffen.
Doch die Dieselaffäre lässt VW auch noch nicht los. Auch im vergangenen Jahr musste VW 3,2 Milliarden Euro für die Bewältigung der Softwaremanipulation aufwenden, die Abgasrechnung stieg auf 29 Milliarden Euro.
Diess verdient mehr als acht Millionen Euro
Nach seinem Wechsel an die VW-Konzernspitze hat Herbert Diess deutlich mehr Geld verdient. Die Zuwendungen für den Vorstandschef beliefen sich 2018 auf rund 8,2 Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag in Wolfsburg vorgestellten Geschäftsbericht hervorgeht. Im Jahr zuvor hatte Diess als Markenvorstand von Volkswagen-Pkw 5,6 Millionen Euro verdient. 2018 übernahm der 60-Jährige im April das Amt von Matthias Müller.
In den vergangenen Jahren hatten Boni für VW-Manager angesichts der Dieselkrise immer wieder Kritik ausgelöst. Der Konzern reformierte zum Geschäftsjahr 2017 sein System zur Bestimmung der Vorstandsgehälter. Seitdem gibt es für den Vorstandschef eine Höchstgrenze von zehn Millionen Euro, für Vorstandsmitglieder von 5,5 Millionen Euro. Während die festen Grundgehälter tendenziell angehoben werden, fallen die Regeln zur Berechnung erfolgsabhängiger Bonuszahlungen strikter aus und orientieren sich teils an der künftigen Entwicklung. (dpa)