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Geplante Abgasnorm Euro 7: Wissing warnt vor zu scharfer EU-Regulierung

06.02.2023 13:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Geplante Abgasnorm Euro 7: Wissing warnt vor zu scharfer EU-Regulierung
Volker Wissing: "Die EU-Kommission kann nicht einerseits hohe Klimaschutzziele einfordern und andererseits deren Erreichung durch Regulierung verhindern."
© Foto: FDP

Wie stark und ab wann soll der erlaubte Ausstoß schädlicher Abgase begrenzt werden? Diese Frage treibt Autoindustrie wie Umweltverbände um. Dass die Zukunft mittelfristig E-Fahrzeugen gehören soll, betonen alle. Aber was passiert mit Dieseln und Benzinern auf dem Weg dahin?

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Industrievertreter haben die EU-Kommission vor zu scharfen neuen Abgasregeln mit möglichen Konsequenzen für Hunderttausende Jobs gewarnt. "Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern", sagte Wissing am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Systematische Verknappung durch neue Vorgaben gefährde den Hochlauf der E-Mobilität, aber zunehmend auch Arbeitsplätze. "Wenn Fahrzeuge immer teurer werden, ohne dass damit mehr Umweltschutz verbunden ist, wird Mobilität zum Luxusgut", so der FDP-Politiker. "Wir brauchen in der Fläche Teilhabe durch individuelle Mobilität – auch in Zukunft."

Autohersteller und -verbände hatten bereits mehrfach erklärt, die Einführung der nötigen Technik zur Einhaltung strikterer Grenzwerte bei den Stickoxid-Emissionen sei zeitlich zu anspruchsvoll und dürfte Modelle verteuern – im Verhältnis zum Gesamtpreis besonders kleinere Wagen. Dagegen fordern Umweltorganisationen ein möglichst baldiges Aus für Diesel und Benziner.

VW erwartet "negative Beschäftigungseffekte"

Im November hatte die Kommission ihre Vorschläge vorgelegt. Es gibt Befürchtungen, im Fall einer entsprechend sinkenden Nachfrage nach Verbrennern könnten viele Jobs verschwinden. VW betonte: "Wir teilen die Einschätzung, dass Euro 7 in der jetzt vorliegenden Form negative Beschäftigungseffekte für die europäische Automobilindustrie hätte."

Der Brüsseler Behörde zufolge ist der Straßenverkehr die größte Quelle für Luftverschmutzung in Städten. Mit der neuen Norm sollen sauberere Fahrzeuge und eine bessere Luftqualität zum Schutz der Gesundheit der Bürger und der Umwelt gewährleistet werden. Ziel von Euro 7 ist es, den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) durch Autos bis 2035 um 35 Prozent zu drücken, bei Bussen und Lkw um über 50 Prozent. NOx-Verbindungen standen auch im Zentrum des Abgasskandals, in dessen Folge mehrere Städte teilweise Diesel-Fahrverbote erlassen hatten.

"Wenn die Automobilindustrie warnt, dass die Regulierung Fahrzeuge unnötig verteuert und die Beschleunigung der E-Mobilität behindert, ist das sehr ernst zu nehmen", sagte Wissing. "Die EU-Kommission kann nicht einerseits hohe Klimaschutzziele einfordern und andererseits deren Erreichung durch Regulierung verhindern." Der Verbrennungsmotor könne zudem mit synthetischen Kraftstoffen Klimaschutz und Mobilität vereinen: "Europa darf diese technologische Lösung nicht verhindern."

Über die Zukunft der sogenannten E-Fuels hatten Grüne und FDP in ihren Koalitionsverhandlungen heftig gestritten. Kritiker glauben, dass solche Spritsorten einen entschlossenen Ausstieg aus der Verbrennertechnik verzögern. Befürworter verweisen hingegen auf das Potenzial, mit ihnen den vorhandenen Bestand an Verbrennerfahrzeugen weniger klimaschädlich noch eine Zeit weiterbetreiben zu können. Die Produktion von E-Fuels soll verglichen mit normalem Benzin, Diesel oder Autogas den Rohstoffkreislauf deutlich weniger belasten und dabei kein neues, vorher langfristig gebundenes CO2 freisetzen.

Brief an den Kanzler

Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten die Bundesregierung aufgefordert, die aktuellen Pläne zu Euro 7 nicht zu akzeptieren. Sie fürchten im Fall der Umsetzung erhebliche Nachteile für die Industrie, heißt es in einem Brief der Ministerpräsidenten an Kanzler Olaf Scholz (SPD), der der dpa vorlag. Die Richtlinie soll ab Juli 2025 für neu zugelassene Fahrzeuge gelten. Europaparlament und EU-Staaten müssen den Vorschlägen zustimmen, es laufen Verhandlungen. Am Konzept der Kommission kann sich theoretisch noch einiges ändern.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte das Schreiben der Autoländer und wies die Behauptung, die Technikentwicklung sei zu teuer und lohne sich mit Blick auf den geplanten Verbrennerausstieg 2035 nicht, als "faktisch falsch und fadenscheinig argumentiert" zurück. Die drei Regierungschefs machten "Lobbyarbeit für BMW, Mercedes und VW auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, die unter den gesundheitsschädlichen Abgasen leiden", sagte DUH-Chef Jürgen Resch.

Greenpeace verlangte, die Autobauer müssten in den kommenden Jahren emissionsfreien Antrieben zum Durchbruch verhelfen. "Wenn Wissing für langfristig sichere Arbeitsplätze in der Branche sorgen will, dann sollte er alles daran setzen, die deutsche Autoindustrie an die Spitze der Mobilitätswende zu setzen", erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. "Ehrgeizigere Abgasstandards helfen dabei."

Kostensteigerung von bis zu zehn Prozent

In einem offenen Brief an die EU-Spitzen hatte der Vorsitzende des europäischen Autobranchenverbands ACEA, Renault-Chef Luca de Meo, eine erwartete Kostensteigerung für Fahrzeuge durch Euro 7 zwischen sieben und zehn Prozent genannt. Bis zu 300.000 Arbeitsplätze könnten demnach auf dem Spiel stehen. Auch der deutsche Branchenverband VDA sowie Zulieferfirmen äußerten starke Bedenken gegen das Vorhaben.

Volkswagen sprach außerdem von "völlig unrealistischen zeitlichen Zielvorgaben" – Hersteller und Behörden könnten diese kaum so rasch umsetzen wie gefordert. Die geplante Strenge der Standards würde "große personelle und finanzielle Ressourcen binden, die wir sinnvoller und zukunftsgerichtet für die Elektrifizierung einsetzen könnten". Die von de Meo genannten Preisschätzungen seien zutreffend.

Die Autobranche moniert überdies, dass die Kriterien für Abgastests nach den neuen Vorgaben zu speziell seien. "Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen", hieß es bei VW. Die reale Nutzung sehe meist anders aus - während die geforderte Abgastechnik "gerade günstige Kleinwagen erheblich teurer" machen dürfte.

Dies sieht auch der ADAC so. "Zusätzliche technische Anforderungen und fehlende rechtliche Grundlagen" könnten die Produktion kleinerer Autos "überproportional verteuern", schätzt der Automobilclub. Und die in neuen Abgastests zugrundegelegten Bedingungen enthielten Fahrsituationen, "die in der Praxis kaum relevant sind".

Ein BMW-Sprecher sagte dem Fachblatt "Automobilwoche": "Euro 7 sollte vor allem Schadstoffe regeln und nicht für ein früheres Ende des Verbrenners instrumentalisiert werden. Damit würde das Produktangebot unnötig verteuert." Auch manche Experten unterstreichen, dass allzu ehrgeizige Reinigungstechnik besonders bei Kleinwagen ins Gewicht fällt, und rechnen mit einer künftig "elitäreren" Mobilität.

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