Der neue ADAC-Präsident Christian Reinicke will die Digitalisierung und Öffnung des Traditionsvereins für neue Angebote vorantreiben. "Wir müssen liefern, was unsere Mitglieder brauchen", sagte er am Samstag in München nach seiner Wahl auf einer Online-Hauptversammlung.
Der 56-jährige Rechtsanwalt und Notar aus Hannover tritt die Nachfolge von August Markl an, der nach sieben Jahren an der Spitze nicht mehr kandidierte. Reinicke war der einzige Kandidat und erhielt 78 Prozent der Delegiertenstimmen, 22 Prozent stimmten gegen ihn. Als oberster ADAC-Jurist seit 2016 hatte er zusammen mit Markl die Reformen bei Deutschlands größtem Verein vorangetrieben. Seine Amtszeit als ADAC-Präsident beträgt zunächst vier Jahre.
"Pannenhilfe und Mobilitätsleistungen weiterhin an erster Stelle"
Reinicke sagte den Delegierten vor der Wahl, dass "die Pannenhilfe und Leistungen rund um die persönliche Mobilität für mich weiterhin an erster Stelle stehen". Der ADAC sei stolz auf seine automobilen Wurzeln. Aber "wir engagieren uns auch für die Lösung von Verkehrsproblemen aus der Sicht von Fußgängern und Radfahrern". Egal mit welchem Verkehrsmittel ADAC-Mitglieder gerade unterwegs seien, sie müssten sich auf die Leistungen des Clubs verlassen können. Der ADAC müsse "auch Trends und den technischen Fortschritt aufgreifen" und jederzeit digital erreichbar und präsent sein. Im August werde er eine Gesundheits-App starten.
Das neugewählte Präsidium wolle auf seiner ersten Sitzung einen Fahrplan für die wichtigsten Themen festlegen. Es habe auch viele interne Themen abzuarbeiten, etwa die Neubesetzungen im Vorstand der ADAC SE und der ADAC-Stiftung, sagte Reinicke. Den 47 der 217 Delegierten, die gegen ihn gestimmt hatten, bot er einen Dialog über ihre Kritikpunkte an. "Es ist gar nicht so einfach festzustellen, wer das ist", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Man ringe aus verschiedenen Perspektiven um Antworten, aber am Schluss müsse es gemeinsame Lösungen geben: "Die große Linie muss stimmen. Das ist in den nächsten Monaten eine wichtige Aufgabe, das zusammenzuführen."
Der 72-jährige Markl erinnerte in seiner Abschiedsrede an die "teilweise erbitterten" Kämpfe um die Neuausrichtung des ADAC nach seinem Amtsantritt 2014. Nach Aufdeckung der Manipulationen um den Autopreis "Gelber Engel" hatte Markl dem Traditionsclub den rechtlichen Status als Verein gerettet, indem er ihn in drei Säulen aufspaltete: Den inzwischen auf 21 Millionen Mitglieder gewachsenen Verein mit der Pannenhilfe, die Aktiengesellschaft ADAC SE mit dem Versicherungsgeschäft und die ADAC-Stiftung, die sich um Luftrettung und Unfallverhütung kümmert. Die Aufgaben der ehrenamtlichen Funktionäre und angestellten Geschäftsführer wurden klarer aufgeteilt, Ämterhäufung beschnitten.
Statt als Autofahrerlobby sieht die ADAC-Führung den Club heute als Mobilitätsdienstleister für alle. Einem Tempolimit steht sie neutral gegenüber, weil die Mitglieder in dieser Frage geteilter Meinung sind. Der ADAC werde aber nicht mit dem Radfahrerverein ADFC oder dem Fahrgastverband Pro Bahn fusionieren, sagte Reinicke und forderte, "den Mobilitätswandel nicht vorrangig mit Verboten zu bewältigen". Fahrverbote für Verbrenner in Städten seien der falsche Weg.
Schwarze Zahlen zum Abschied des Vorgängers
Zum Abschied legte Markl einen Geschäftsbericht mit schwarzen Zahlen vor: Zum ersten Mal seit 2014 überstiegen die Mitgliedsbeiträge im vergangenen Jahr die Ausgaben des Vereins. Das Jahresergebnis von 78 Millionen Euro sei vor allem dem Rückgang der Pannenhilfe-Einsätze während der Corona-Pandemie zu verdanken, sagte Finanzpräsident Jens Kuhfuß. Nach der kräftigen Beitragserhöhung im vergangenen Jahr werde nun eine Gewinnrücklage zur Stabilisierung der Beiträge gebildet.
Zum neuen Sportpräsidenten wählten die Delegierten der 18 ADAC-Regionalclubs den Richter und Formel-1-Rennkommissar Gerd Ennser aus dem niederbayerischen Freyung, zum Tourismuspräsidenten den Unternehmer Karlheinz Jungbeck aus dem oberbayerischen Ort Schliersee. Technikpräsident Karsten Schulze aus Berlin wurde im Amt bestätigt. (dpa)