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Fahrbericht Porsche 911R: Der freie Radikale

16.06.2016 10:51 Uhr
Dieses Auto ist für Porsche-Fans wie ein Befreiungsschlag: Denn mit vier Litern Hubraum, sechs Zylindern und mit Handschaltung spottet der 911R jedem Zeitgeist.
© Foto: Porsche

Dieses Auto ist für Porsche-Fans wie ein Befreiungsschlag: Denn mit vier Litern Hubraum, sechs Zylindern und mit Handschaltung spottet der 911R jedem Zeitgeist. Kein Wunder, dass er schon vor dem Start ausverkauft ist.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Eine Million in kleinen Scheinen – ganz so dubios war das Angebot zwar nicht. Doch wer sich in den letzten Wochen um einen Porsche 911R bemüht hat, dem sind schon ein paar ungewöhnliche Verkäufer begegnet. Obwohl das jüngste Mitglied der Elfer-Familie erst in diesen Tagen auf die Straße kommt, war die Kleinserie von exakt 991 Exemplaren unmittelbar nach der Premiere auf dem Genfer Salon ausverkauft und seitdem treibt im Internet der Wucher bei der Weitergabe der Vorverträge wilde Blüten. Kaum ein anderer Elfer fasziniert die Fans so sehr wie dieses Sondermodell, das nicht nur den GT3 RS von der Rennstrecke zurück auf die Straße holt. Vor allem gibt der Porsche für Puristen der von allzu viel Political Correctness zuletzt arg verwässerten Marke endliche ihre Glaubwürdigkeit zurück.

Dafür setzen die Schwaben auf einen Dreiklang, der wohl auf ewig zieht. Deshalb schlägt im Heck womöglich zum letzten Mal bei einem neuen Porsche noch der klassische Sechszylinder-Sauger, der aus sündigen vier Litern Hubraum stolze 500 PS und 460 Nm schöpft. Deshalb prangt auf dem Mitteltunnel anders als im GT3 RS tatsächlich noch einmal ein manuelles Getriebe mit sechs knackig-kurz gestuften Gängen und gerade so viel Widerstand, dass es zum Schalten einen starken Arm braucht. Und deshalb hat Projektleiter Andreas Preuninger den 911R so weit abgespeckt, dass er mit einem Fahrgewicht von 1.370 kg und einem Trockengewicht von 1.250 kg mit Abstand zum leichtesten Elfer im Line-Up wird. Nicht umsonst erinnert das Typenkürzel an jene knapp zwei Dutzend 911R, die Ferdinand Piech 1967 zu den mit 800 Kilo leichtesten Elfern aller Zeiten hat umrüsten lassen.

Der macht süchtig

Viel Power, wenig Elektronik, kaum Gewicht - das ergibt ein Fahrgefühl, wie man es diesseits der Rennstrecke in einem Porsche zuletzt selten erlebt hat. Der Motor dreht mit einer solchen Freude und Leichtigkeit bis weit über 8.000 Touren, die Gänge flutschen nur so durchs Getriebe und das Coupé tänzelt so leichtfüßig durch die Kurven, dass es süchtig macht. Sollen die anderen doch nach der Bestzeit jagen und schon mal die Messer wetzen. In diesem Auto will man gar nicht ankommen, sondern jede Kehre genießen, bei jedem Sprint jauchzen und mit Begeisterung in die Keramik-Bremsen steigen, nur weil man weiß, dass es danach umso flotter wieder voran geht.

Festgeschnallt in Karbonschalen mit einem wunderbar spießigen Pepita-Polster und angestachelt von einer Geräuschkulisse, die so ganz ohne Dämmung authentischer kaum sein könnte, ist man in diesem Auto mittendrin statt nur dabei. Man fühlt deshalb mit jeder Faser seines Körpers, wie schnell der 911R Fahrt aufnimmt und wie leicht er mit der Fliehkraft kämpft. Von 0 auf 100 in 3,8 Sekunden und bei Vollgas 323 km/h – das sind imponierende Zahlen. Aber sie sagen nichts über den Rausch der Sinne, den man beim Rasen in diesem Auto noch einmal erleben darf.

Mehr Sein als Schein

Es ist aber nicht nur der Dreiklang aus großvolumigem Sauger, Schaltgetriebe und Leichtbau, der den 911R aus der Familie heraushebt. Es ist auch sein für einen Porsche dieses Kalibers ungewöhnlicher Auftritt. Denn egal ob beim Design, beim Klang oder bei der Fahrwerksabstimmung ist der 911R lange nicht so brutal, so vorlaut und so fordernd wie der GT3 RS und lange nicht so protzig wie ein Turbo. Dieses Auto braucht weder fette Flügel noch künstliche Fehlzündungen und auch keinen Käfig und keine Hosenträgergurte. Denn dieser Elfer ist mehr Sein als Schein – und wer seine Insignien erkennt, der wird schon wissen, was hier die Stunde geschlagen hat.

Aggressiv, aber nicht zum Angeben, laut, aber nicht lärmend, potent, aber nicht protzig – so wird der 911R zum vielleicht authentischsten Elfer in der jüngeren Geschichte und zum ersten Porsche nach langer Zeit, den man wirklich für sich selbst und nicht für sein Ansehen kauft. Dass man dafür tief in die Tasche greifen und mindestens 189.544 Euro investieren musste, tut dem Reiz keinen Abbruch, Im Gegenteil. Denn erstens ist der 911R jeden Euro wert. Und zweitens kann man mit diesem Auto keinen Verlust machen, sondern es jederzeit gewinnbringend wiederverkaufen. Wahrscheinlich sogar für eine Million in kleinen Scheinen.


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