Von Patrick Broich/SP-X
Die Automobilgeschichte hat schon viele Marken hervorgebracht – doch die meisten sind wieder verschwunden. Mit der Massenproduktion wurden die Autos billiger und mit der immer komplexer werdenden Technik müssen auch immer teurere Hürden bei der Entwicklung genommen werden. Alleine um leistungsstarke Motoren an die Abgasvorschriften anzupassen, bedarf es jeder Menge Geld für die aufwendige Reinigung der Emissionen. Von komplexen Sicherheitsfeatures ganz zu schweigen. Geld, das nur Großserien-Hersteller verdienen und entsprechend reinvestieren können. Doch wo stünde unsere Automobil-Landschaft ohne die reizvollen Nischen-Hersteller? Sie sind quasi die Würze in der Suppe des sonst häufig etwas langweiligen Modellgeschehens. Damit aber kleine Fahrzeugschmieden überhaupt in der Lage sind, attraktive Produkte herzustellen, müssen sie auf die Komponenten der Großserie zurückgreifen, denn alles selbst entwickeln wäre zu teuer.
Wer beispielsweise auf dem derzeitigen Genfer Automobilsalon (bis 13.3) auf den quietschgelben Arash AF8 stößt und sich die angedeuteten Ansaugrohre des Achtzylinders anschaut, könnte eine Verdacht bekommen. Exakt 7.011 Kubikzentimeter, Volltreffer. Es ist das gleiche Sauger-Triebwerk aus dem Hause General Motors (LS7), das auch in der alten Corvette Z06 Dienst tut. Der Ami ist natürlich ebenso ein Hingucker, aber von der Aufmerksamkeit eines AF8 kann er nur träumen. Und wenn 412 kW/560 PS auf 1,2 Tonnen (rund 400 kg leichter als die Corvette) treffen, ist leicht auszumalen, was bei einem beherzten Tritt auf das rechte Pedal passiert. Bekommen die 345er-Walzen an der Hinterachse Feuer, sollen bei freier Bahn bereits nach 27 Sekunden 300 Sachen stehen. Die einschlägigen Fachblätter werden das wohl niemals messen, und so genau will es der Kunde vielleicht auch gar nicht wissen. Ein Auto aus den Händen des Tüftlers Arash (so heißt der Firmengründer tatsächlich) ist exklusiver als jedes Tuning – nur zwei Stück sollen angeblich bisher verkauft worden sein. Mit etwas mehr als 200.000 Euro ist der handgeschaltete Power-Sportler auch nicht teurer als ein Elfer Turbo von der Stange. Und ein gebrandetes T-Shirt aus dem Merchandise-Shop gibt es bestimmt noch gratis dazu.
Gegen Morgan ist Arash natürlich die reinste Bastelbude. Der Traditionalist ist der einzig verbliebene englische Hersteller, der noch heute in britischer Hand ist. Die Firma wurde im Jahr 1909 von Harry Morgan gegründet und wird mehr als einhundert Jahre später von Charles Morgan geleitet. Und die Familienschmiede versteht es, Retro-Autos modern erscheinen zu lassen – ein Blick auf den Aero 8 klärt auf. Dessen Fahrgestell basiert übrigens auch anno 2016 noch auf einem Holzschemel. Und auch für Morgen gilt: Finger weg vom Motorenbau. Waren früher Triumph-Aggregate verbaut, bedient man sich heute aus dem BMW-Regal. Der 4,8 Liter große V8 wird beim Topmodell auf Wunsch gleich zusammen mit der ZF-Sechsgang-Wandlerautomatik verpflanzt. Damit lassen sich ziemlich stramme Fahrwerte erzielen, die Höchstgeschwindigkeit des Aero 8 liegt bei 249 km/h. Mit mechanischem Sechsgang-Getriebe erreicht der Briten-Klassiker gar 273 Sachen und dürfte bei Porsche-Fahrern für verdutzte Gesichter sorgen. Alternativ könnte man auch BMW 650i fahren, aber das wäre natürlich nur halb so cool, jedoch ein bisschen günstiger. Für das Morgan-Topmodell werden mehr als 160.000 Euro fällig, da kann man zum Sechser noch zwei Kompaktklassen dazukaufen.
Wer einem raren Lotus Exige unter die Haube schaut, entdeckt ebenfalls ein Stück automobile Normalität. Der Kenner ahnt, was ein V6 mit 3.456 Kubikzentimetern bedeutet. Richtig, er steckt auch in einem fast bürgerlich-braven Lexus GS 350 und flüstert dort vor sich hin. Lotus hat noch einen Kompressor beschafft, um dem 3,5-Liter aus dem Regal des Toyota-Konzerns satte 258 kW/350 PS einzuhauchen. Damit wird der leichte 75.000-Euro-Sportler richtig schnell und lädt zu Spaßfahrten auf Kurs und Landstraße. Eine weitere Hürde dürfte neben dem Anschaffungspreis sowie dem dünnen Werkstattnetz ganz schlicht der Schweller sein: Da muss man schon eine gewisse Gelenkigkeit mitbringen, um den Insulaner elegant zu entern. In dieser Disziplin ist der Lexus dann doch der angenehmere Partner.
In einem Genfer Exoten-Kabinett darf natürlich Spyker nicht fehlen. Die Niederländer hatten eine Zeit lang die volle Aufmerksamkeit der Medien, als sie sich anschickten, die Firma Saab vor dem Untergang zu retten. Saab ist dennoch untergegangen, Spyker hingegen nicht. In Genf steht eine Evolution des 2002 erschienenen C8, der jetzt mit dem Zusatznamen Preliator aufwartet. Ein Fechter oder Kämpfer – so die Bedeutung des lateinischen Wortes – ist das Mittelmotor-Vehikel ganz sicher auf der Straße. Der Achtzylinder mit 4,2 Litern Hubraum stammt von Audi und kommt hier dank Kompressor auf 386 kW/525 PS. Aber selbst mit der Basisleistung eines Audi A8 wäre der Hecktriebler mit dem knöpfchengespickten Cockpit (erinnert ein bisschen an eine Flugzeug-Kanzel) die wesentlich aufregendere Alternative. Und die wesentlich seltenere: Mit zehn Einheiten ist und bleibt der Spyker eine rare Ausnahmeerscheinung.
Gentleman-Driver