Von Andrej Sokolow, dpa
Der Elektroauto-Hersteller Tesla ist ein Phänomen. Da ist eine Firma, die insgesamt gerade einmal 100.000 Fahrzeuge verkauft hat, einen hohen Verlust nach dem anderen einfährt - und doch immer wieder etablierten Autokonzernen als zukunftsweisendes Vorbild vorgehalten wird. Das mag zum Teil dem charismatischen Auftreten des milliardenschweren Chefs Elon Musk geschuldet sein - aber Tesla ist auch kein Autobauer wie jeder andere. Die Wagen sind ständig mit dem Internet verbunden. Im Cockpit dominiert ein 17-Zoll-Touchscreen. Funktionen wie sportlichere Beschleunigung oder die Freischaltung von Sensoren für automatisiertes Fahren kommen per Software-Update aus dem Netz, ohne Fahrt in die Werkstatt.
Musk versteht es, die Liebe zum Detail zu zelebrieren, und dabei als Perfektionist rüberzukommen, der nicht auf den Dollar schaut. Beim neuen SUV Model X, erst dem zweiten Tesla-Modell aus eigener Entwicklung, sorgten die ungewöhnlichen hinteren Flügeltüren sowie die Rücksitze für Probleme und brachten den Zeitplan durcheinander. Die Lösung? Inzwischen produziere Tesla die Sitze weitgehend selbst, statt dies Zulieferern zu überlassen, sagte Musk zur Vorlage der jüngsten Quartalszahlen. "Wir glauben, dass Unternehmen Werte schaffen, indem sie schwierige Sachen machen."
Hinter solchen Episoden, aus denen man Legenden spinnen kann, steht aber die alles entscheidende Frage: Geht die Milliarden-Wette von Musk auf Elektro-Mobilität und das Auto als eine Art rollendes Smartphone auf? Oder ist der 44-Jährige, der mit seiner Firma SpaceX auch Raketen ins All schießt, gerade dabei, sich ganz groß zu verrennen?
Musk zeigt sich siegessicher. Am Ende werden "alle Autos elektrisch sein", verkündete er Anfang des Jahres. Unter Analysten und Investoren gibt es Zweifel. Die Aktie fiel nach Höhepunkten über 280 Dollar im Sommer wieder auf gut 220 Dollar zurück, so ziemlich genau den Stand zu Beginn des Jahres. Der Marktwert liegt dabei immer noch bei gut 29 Milliarden Dollar. Im Herbst verwies ein Analyst der Bank Morgan Stanley darauf, dass Tesla nur ein Nischenplayer mit teuren Autos für über 70.000 Dollar oder Euro sei und der Verkauf von Elektroautos weltweit schwächele.
Ungünstige Marktlage, teure Produkte
Zur Marktlage tragen auch die sinkenden Ölpreise bei, die für Verbraucher und Unternehmen einen Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb weniger dringlich machen. Gerade eben fiel der Preis für ein Barrel Erdöl zum ersten Mal seit 2009 unter die Marke von 40 Dollar. Und viele Beobachter rechnen damit, dass Öl auch 2016 günstig bleiben könnte.
Hinzu kommt, dass Elektroautos noch längere Zeit teurer als herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sein dürften. Das liegt vor allem am hohen Preis der Batterien. Der Chef des Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart, betont, Batterietechnik sei der Schlüssel. "Wir kommen von Preisen bei 1.000 Euro pro Kilowattstunde, momentan sind es etwa 250 Euro." Interessant werde es, wenn die Marke von 100 Euro pro Kilowattstunde unterschritten sei: "Dann wird ein Elektrofahrzeug möglich, das über fünf Jahre gerechnet geringere Betriebs- und Wartungskosten hat als ein Benziner oder ein Diesel, auch wenn es vom Preis her immer noch teurer ist."
Industrie legt nach, neue Player steigen ein
Trotz aller Zweifel häufen sich die Ankündigungen von Elektroautos etablierter Konzerne. So stellte allein in den vergangenen Tagen Citroen eine strombetriebene Neuauflage des Freizeitmobils Mehari in Aussicht und VW kündigte die Präsentation eines Elektrofahrzeugs auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas Anfang Januar an.
Zugleich sind Elektro-Autos technisch weniger komplex als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, was die Eintrittshürde tiefer setzt. Jede Menge neuer Player drängt in das Geschäft. Besondere Aufmerksamkeit bekommen die Gerüchte über die Entwicklung eines Elektroautos bei Apple. Und dann gibt es noch die wohl mit chinesischem Geld finanzierte Firma Faraday Future, die gerade den Bau einer Fabrik im Norden von Las Vegas für eine Milliarde Dollar ankündigte.
Tesla-Kommunikationschef Ricardo Reyes gibt sich angesichts der zunehmenden Konkurrenz gelassen. "Wir haben einen gemeinsamen Gegner - den Verbrennungsmotor." Und da gebe es noch viele Marktanteile zu holen.
Kurbelwellenfan