Nutzer elektrisch angetriebener Autos genießen einige finanzielle Privilegien. Die Befreiung von Kfz-Steuer oder die großzügige Umweltprämie sind allerdings nur Anreize auf Zeit. Das könnte auch mit den aktuell noch zahlreichen Angeboten zum kostenlosen Tanken von Fahrstrom der Fall sein. Diese wurden in den vergangenen Jahren vor allem rund um Einkaufsmöglichkeiten wie Supermärkten ausgebaut.
Einige große Handelskonzerne investieren aktuell kräftig weiter in eine Ladeinfrastruktur, unter anderem um damit Kunden zu locken. Den Einkauf mit einer Strombetankung zu kombinieren, dürfte insofern für Autofahrer mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Parallel deutet sich an, dass sich Umsonst-Angebote ausdünnen. Umso attraktiver werden in Zeiten von Energiekrise und Kostenexplosion Anbieter mit Null-Tarif-Fahrstrom. Einige wollen auch langfristig daran festhalten, andere setzen bereits von vorneherein auf kostenpflichtige Angebote, wiederum andere sind aktuell dabei, auf Bezahlsysteme umzustellen.
Aldi: Gratis Laden ist bald vorbei
Zur letzteren Kategorie zählt der Discounter-Riese Aldi Süd mit seinem großzügig ausgebauten Ladenetz. Seit 2015 bietet der Konzern seinen Kunden die Möglichkeit, Fahrstrom kostenlos zu zapfen. Aktuell betreibt die Handelsgruppe deutschlandweit 500 Ladesäulen und damit über 1.000 Ladepunkte. Für Kunden mit E-Auto ist das attraktiv: Während des Einkaufs tanken spart Zeit, zudem ist die kostenlose Akkufüllung ein großzügiger Rabatt auf den Einkauf.
Doch mit dem Umsonst-Laden wird es bald vorbei sein. Bereits seit Juni stellt Aldi auf ein Bezahlsystem um. Im Fall der AC-Säulen, die mit bis zu 22 kW laden, kostet die Kilowattstunde dann 29 Cent, was immer noch günstiger als klassischer Hausstrom ist. Alternativ gibt es DC-Ladesäulen mit 150 kW, bei denen die Kilowattstunde mit 39 Cent berechnet wird. Immerhin: Im Gegenzug erweitert Aldi Süd die zeitliche Nutzung. Künftig werden in einigen Fällen die Ladesäulen rund um die Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen nutzbar sein.
Außerdem gibt es keine Barrieren in Form einer Registrierung, mit der man dann per App oder Karte den Ladevorgang freischalten muss. Die Ladesäulen akzeptieren neben EC- und Kreditkarten auch digitale Bezahldienste von Google und Apple sowie Ladekarten. Bei diesen hängt allerdings der Preis für die Kilowattstunde vom Tarif des Anbieters ab. Allerdings bieten längst nicht alle Filialen von Aldi Süd Lademöglichkeiten für E-Autos. Aktuell ist das bei jeder vierten Filiale der Fall. Doch der Discounter hat angekündigt, sein Angebot zeitnah deutlich auszubauen.
Sportliche Pläne bei Rewe und EnBW
Ambitionierte Ausbaupläne verfolgen auch Rewe und der Energieversorger EnBW. Bis Mitte der 20er-Jahre wollen die Partner an Rewe- und Penny-Märkten 6.000 Ladepunkte errichten. Ab August sollen zudem erste Schnellladepunkte, die ebenfalls in großer Zahl geplant sind, ans Netz gehen. Ein Kostenlos-Angebot war von vorneherein nicht vorgesehen. Wer bei Rewe und Penny tanken will, bezahlt über die Nutzung eines Elektromobilitätsanbieters (Roaming) wie etwa EnBW mobility+ oder über direkte Bezahlung.
Lidl bietet bald mehr Ladepunkte
Ebenfalls in großen Dimensionen plant die Schwarz Gruppe mit ihren Supermarkt-Ketten Lidl und Kaufland. Deutschlandweit gibt es bereits ein Netz von über 1.000 Ladepunkten bei Lidl-Filialen sowie 270 bei Kaufland. Allein in diesem Jahr sollen 1.800 neue Ladepunkte bei Lidl hinzukommen und damit ab März 2023 jede dritte der über 3.200 Filialen des Discounters über eine Lademöglichkeit verfügen. Parallel soll dies auch bei jeder dritten der rund 700 Kaufland-Filialen der Fall sein.
Vorläufig bleibt das Angebot, anders als bei Aldi Süd, kostenlos. Nach einem Bericht des Handelsblatts unter Berufung auf Branchenkreise soll es bei der Schwarz Gruppe allerdings Überlegungen geben, ein Bezahlsystem einzuführen. Die Presseabteilung des Handelskonzerns wollte sich auf konkrete Nachfrage allerdings nicht zu strategischen Entscheidungen äußern. Vorläufig bleibt es also bei kostenlosem Fahrstrom.
Bei Kaufland kann man sowohl barrierefrei als auch über App aber in jedem Fall nur auf eine Stunde begrenzt tanken. Angesichts von 50-kW-DC-Ladesäulen lassen in diesem Zeitfenster großzügige Strommengen zum Nulltarif abgreifen. Eine längere Ladezeit ist nicht möglich, auch nicht gegen Bezahlung. Bei Lidl, wo ebenfalls kostenlos und zum Teil auch an Schnellladesäulen mit 150 kW Leistung geladen werden kann, wird der Vorgang über die Lidl-Plus-App aktiviert.
Auch Ikea bietet Strom an
Doch nicht nur in Märkten des täglichen Bedarfs scheint die Kombination mit Ladeangeboten für Elektroautos attraktiv zu sein. Unter anderem stellt Möbelgigant Ikea seit 2019 seinen elektrisch fahrenden Kunden kostenlosen Strom an 22-kW-Ladepunkten zur Verfügung. Die Schweden wollen bereits ab 2030 klimapositiv sein, dabei soll eine klimaneutrale Anfahrt der Kunden auf dieses Ziel einzahlen. Aktuell stellt das Möbelhaus deshalb unter anderem 220 kostenlose Ladestationen zur Verfügung. Da der Bedarf durch das derzeitige Angebot nicht gedeckt ist, arbeitet man bei Ikea an einem „zukunftsfähigen Konzept“ zur Ausweitung der E-Mobilität. Die Auslastung des Angebots befindet sich laut Ikea seit einiger Zeit auf hohem Niveau. Eine signifikante Änderung des Ladeverhaltens durch Kunden aufgrund der aktuellen Energiekrise wurde allerdings keine festgestellt.
Pionierarbeit der "Berliner Freiheit"
Neben bundesweiten Handelsriesen mit durchaus groß gedachten Ausbauplänen finden sich alternativ noch regional begrenzte Angebote zum kostenlosen Laden. Ein Beispiel ist das Shopping Center "Berliner Freiheit" in Bremen. Hier gibt es im Parkhaus eine barrierefreie 22-kW-Ladesäule, an der Besucher kostenlos Strom tanken können. Mit der Inbetriebnahme lange vor dem E-Auto-Boom hat die Center-Leitung Pionierarbeit geleistet.
Während in den ersten Jahren fast gar kein Interesse bestand, sei in den letzten Jahren die Nachfrage kontinuierlich gestiegen. Das Angebot auf ein Bezahlsystem umzustellen, sei aktuell dennoch nicht geplant, wie das Center-Management mitteilt. Laut Nutzer-Kommentaren im Netz sind mittlerweile die Ladepunkte jedoch oft belegt. So oder so dürfte es also für E-Auto-Nutzer schwierig werden, an kostenlosen Fahrstrom zu kommen.