Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Vorwurf der Grünen zurückgewiesen, sein Haus habe vom konkreten Einsatz einer Abgas-Manipulations-Software bei Autoherstellern gewusst. "Die Vorwürfe sind falsch und unanständig", sagte Dobrindt am Mittwoch nach einer Sitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses in Berlin. Auf die Frage, wann er zum ersten Mal von dem Verdacht gegen VW gehört habe, antwortete Dobrindt: "Ich hab's am Wochenende aus der Zeitung erfahren, wie alle anderen auch."
Die Grünen blieben bei ihrer Kritik. Fraktionsvize Oliver Krischer betonte, Dobrindt habe im Ausschuss keineswegs den Eindruck ausräumen können, dass die Regierung grundsätzlich von Tricksereien der Autokonzerne bei Abgas- und Verbrauchsangaben im Bilde gewesen sei. "Ich gehe davon aus, dass der Minister über solche Vorgänge informiert war", sagte Krischer. Dobrindts Aufklärungsarbeit sei "scheinheilig". Die Union nahm den CSU-Politiker in Schutz. Die Grünen manipulierten selbst Informationen, nur um Dobrindt zu schaden.
Im Juli hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen eingeräumt, dass die Messpraxis in Europa Defizite habe, sagte Krischer bereits am Dienstag in Berlin. Der Antwort zufolge war der Bundesregierung bekannt, dass es sogenannte Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung mit Zykluserkennung gibt, deren Verwendung VW nun in den USA zur Last gelegt wird. Über den Einsatz von "Abschalteinrichtungen" in Neuwagen lägen der Bundesregierung aber keine Erkenntnisse vor, wie es in der Antwort von 28. Juli 2015 weiter heißt, aus der "Die Welt" zitiert und die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darin teilt die Bundesregierung "die Auffassung der Europäischen Kommission, dass das Konzept zur Verhinderung von Abschalteinrichtungen sich in der Praxis bislang nicht umfänglich bewährt hat". Daher würden die Arbeiten zur Fortentwicklung der EU-Regeln unterstützt, "die Realemissionen von Kraftfahrzeugen weiter zu senken". Umweltverbände vermuten, dass Autohersteller auch in Europa Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung einsetzen. Dem Vernehmen nach gibt es dafür aber keine Beweise.
Der Minister erklärte, mit der von ihm eingesetzten Kommission werde nun dezidiert geprüft, ob elf Millionen Dieselautos "den deutschen und europäischen Regeln entsprochen haben, sowohl was ihre Zulassung betrifft als auch ihren weiteren Bau und die Prüfmechanismen". Die Kommission sei bereits in Wolfsburg und sichte Unterlagen. Dobrindt betonte, der VW-Konzern habe der Bundesregierung "volle Unterstützung" bei der Aufklärung zugesichert.
"Wir müssen unser ganzes Testsystem überprüfen"
Die EU-Kommission ihrerseits kann noch nicht sagen, ob auch Messwerte von Wagen in Europa manipuliert worden sind. "Es ist heute zu früh um zu sagen, ob Volkswagen-Fahrzeuge in Europa betroffen sind", erklärte eine Vertreterin der Brüsseler Behörde am Mittwoch bei einer Anhörung vor dem Umweltausschuss des Europaparlaments. Es gelte jetzt vor allem zu klären, ob nur VW und nur der amerikanische Markt betroffen seien. "Es gibt keinerlei Zweideutigkeit darüber, dass diese Art von Manipulation illegal ist", sagte die Mitarbeiterin der EU-Kommission. Die Schärfe der europäischen Abgas-Grenzwerte bereite ihrer Behörde keine Sorgen. Die Behörden der EU-Staaten müssten aber sicherstellen, dass neue Automodelle nur im Einklang mit den Vorschriften zugelassen würden.
In den kommenden Tagen wolle die EU-Kommission ein Treffen der nationalen Aufsichtsbehörden einberufen, um über das aktuelle System zu beraten. Dies könnte nach Angaben einer Sprecherin Anfang Oktober stattfinden. Die Abgeordneten im Umweltausschuss forderten, eine ähnliche Affäre müsse in Zukunft verhindert werden. "Wir müssen unser ganzes Testsystem überprüfen, das kann doch so nicht bleiben", sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Martin Häusling. (dpa)
Lutz Lohmann
A.Taler
poldi66