Die VW-Aktionäre müssen angesichts drohender Milliardenstrafen im Abgas-Skandal einen Totalausfall bei der Dividende fürchten. Es stehe noch nichts endgültig fest, "aber es gibt keinen Hinweis, dass es auch nur Hoffnung auf einen Cent gibt", sagte ein VW-Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Presse-Agentur. Analysten hatten zuletzt im Schnitt noch mit knapp 1,50 Euro pro Aktie gerechnet. Ein VW-Konzernsprecher sagte auf Anfrage lediglich: "Wir werden uns am 28. April im Rahmen unserer Bilanzpressekonferenz zu Details unserer Geschäftszahlen äußern."
Die Börse strafte Europas größten Autobauer am Dienstag ab. Gegen den Aufwärtstrend im Dax und in der europäischen Autobranche gaben die VW-Vorzugsaktien am Vormittag um knapp 1,5 Prozent nach.
Der zweitgrößte VW-Aktionär Niedersachsen blickt mit Sorge, aber ohne Panik auf einen möglichen Ausfall bei der Dividende des Autobauers. "Es gäbe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Landeshaushalt", teilte die Staatskanzlei auf Anfrage mit. Das Land hält jede fünfte VW-Stammaktie, an denen die Stimmrechte und damit die Einflussmöglichkeiten in dem Konzern hängen. Vor einem Jahr hatte Niedersachsen 285 Millionen Euro Dividende eingestrichen. Auch in den Rekordjahren zuvor war das Füllhorn stets bestens bestückt.
Für 2014 zahlte der Konzern für jede VW-Stammaktie 4,80 Euro, für jede Vorzugsaktie 4,86 Euro Dividende. Insgesamt schüttete Volkswagen zuletzt rund 2,3 Milliarden Euro seines Gewinns an die Aktionäre aus. Größter Anteilseigner ist die Porsche SE, die von den Familien Porsche und Piëch kontrolliert wird. Neben Niedersachsen hält auch der Staatsfonds des Emirats Katar ein großes Aktienpaket.
Niedersachsens landeseigene Beteiligungsgesellschaft HanBG, bei der der Großteil des VW-Besitzes liegt, parkte die Dividenden zuletzt. Daher bereitet ein Dividendenausfall, womöglich gar ein Totalausfall, dem Land keine Kopfschmerzen. Schon beschlossene Projekte seien für die Folgejahre durch die vorherigen Dividendenzahlungen "komplett ausfinanziert". Das Land besitzt auch Anteile an anderen Unternehmen, darunter der Stahlhersteller Salzgitter oder die Landesbank NordLB.
Die Staatskanzlei betonte, Niedersachsen sei bei Volkswagen ein "strategischer Investor, der an einer langfristig und stabilen Unternehmens- und Beschäftigungsentwicklung interessiert ist". Jeder fünfte der weltweit 600.000 Konzern-Jobs liegt zwischen Harz und Nordseeküste. Das Land hängt an VW.
Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr aus sicherer Quelle, dass eine Nullrunde bei der VW-Dividende wahrscheinlich ist oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Wichtigster Faktor sei die Frage, wie hoch der Konzern das finanzielle Risiko der Abgas-Krise in den USA in seiner Jahresbilanz Ende April veranschlagt. Börsenexperten halten zwar noch etwa ein Drittel der vorherigen Dividende von knapp fünf Euro für möglich, was etwa 1,50 Euro pro Anteilsschein wären.
Zu den möglichen Belastungen in den USA sagte ein VW-Aufsichtsrat: "Wahrscheinlich wäre ein Wert zwischen 20 und eher 30 Milliarden Euro. Und dann wird es sehr eng für die Dividende." Der Konzern bräuchte in diesem Fall viel Geld, um die Strafen zu begleichen und das laufende Geschäft weiter zu finanzieren.
Volkswagen steckt derzeit mitten in einer schweren Krise. Der Autobauer versteckte in weltweit elf Millionen Dieselwagen eine Software, die Abgastests der Behörden austrickst. Im Realbetrieb blasen die Autos ein Vielfaches an schädlichen Abgasen in die Luft. Volkswagen führte Kunden und Überwacher an der Nase herum. Unklar ist bisher noch, ob der Vorstand den Skandal früher hätte beenden können.
Die Folgen sind dramatisch. Unter anderem verklagten die USA VW. Es drohen Strafen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich - das entspricht der Gewinnkraft des VW-Konzerns aus mehreren Jahren.
Im VW-Aufsichtsrat könnte über die Höhe der Dividende durchaus gestritten werden: Arbeitnehmervertreter und das Bundesland dürften vor allem den Erhalt der Arbeitsplätze bei VW im Blick haben - die Vertreter der Kapitalseite könnten ein stärkeres Interesse an Rendite und damit an der Ausschüttung einer Dividende haben. Sprecher beider Seiten wollten sich auf Anfrage nicht dazu äußern. (dpa)
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