Der frühere BMW- und Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder soll künftig den Aufsichtsrat beim Autobauer Daimler lenken. Der 72-Jährige soll nach der Hauptversammlung Ende März an die Spitze des Kontrollgremiums gewählt werden, dem er seit 2014 angehört, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Er folgt damit auf den langjährigen Vorsitzenden Manfred Bischoff (78), dessen Amtszeit dann turnusgemäß endet. Ex-Vorstandschef Dieter Zetsche, lange als Anwärter auf die Bischoff-Nachfolge gehandelt, hatte nach anhaltender Kritik von Aktionären einen Rückzieher gemacht.
Pischetsrieder war von 1993 bis 1999 Vorstandsvorsitzender bei BMW und danach von 2002 bis 2006 Chef von VW. Von 2013 bis 2019 leitete er zudem den Aufsichtsrat des Rückversicherers Munich Re. "Seine Expertise und sein Erfahrungsschatz sind für die Daimler AG von herausragender Bedeutung", betonte Bischoff. "Er hat die Entscheidungen, den Konzern zu digitalisieren und das Produktportfolio zu elektrifizieren und damit neu auszurichten, intensiv begleitet."
Weil außer Bischoff auch Petraea Heynike und Jürgen Hambrecht aus dem Aufsichtsrat ausscheiden, sind drei Plätze neu zu vergeben. Sie sollen, sofern die Hauptversammlung zustimmt, an die Chefs von Shell und BASF, Ben van Beurden und Martin Brudermüller, sowie an die Cisco-Managerin Elizabeth Centoni gehen.
Kritik an Zetsche
Zetsche hatte im September angekündigt, sich nicht wie eigentlich geplant zur Wahl zu stellen. Investoren werfen ihm vor, sich zum Ende seiner Zeit als Vorstandschef auf den Rekorden der zurückliegenden Jahre ausgeruht und wichtige Weichenstellungen vor allem für den Umstieg auf die Elektromobilität verschlafen zu haben.
Auch Pischetsrieder stehe allerdings nicht gerade für Aufbruch in das Zeitalter der Elektromobilität und Digitalisierung, sondern eher für die alte Welt des Verbrennungsmotors, kritisierte der Automarkt-Experte der NordLB, Frank Schwope, und zeigte sich auch erstaunt über die Nominierung von Shell-Chef van Beurden.
Die Vertreter der Daimler-Beschäftigten nahmen die Sitzung des Aufsichtsrates zum Anlass, erneut ihrem Unmut über die Umbau- und Sparpläne im Konzern Luft zu machen. Gesamtbetriebsrat und IG Metall übergaben am Morgen Wäschekörbe gefüllt mit gut 50.000 Postkarten mit Wünschen und Forderungen der Mitarbeiter an die Konzernführung. Sie hatten Anfang vergangener Woche zu einer "Solidaritätsaktion" an sämtlichen Standorten bundesweit aufgerufen. Hinter den Postkarten stünden Menschen, die Daimler groß und erfolgreich gemacht hätten, sagte Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. "Die Unternehmensleitung muss diese Erfahrung, die wir haben, auch in Zukunft nutzen. Hört uns zu und lasst die Beschäftigten Teil der Veränderung sein."
Streit um Motorenwerk in Untertürkheim
Betriebsräte und IG Metall hatten sich zuletzt immer offener gegen den Kurs der Konzernführung positioniert. Sie werfen dem Management einen schlechten Stil im Umgang mit den Beschäftigten vor. Ein großer Streitpunkt ist derzeit die Zukunft des Motorenwerks in Untertürkheim. Niemand stelle die Transformation in Frage, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Aber der Wandel müsse mit den Beschäftigten gelingen, forderte er.
Daimler verweist zur Begründung des Kurses auf den Wandel in der gesamten Autoindustrie und zudem auf die Corona-Pandemie als zusätzliche Herausforderung. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, seien Einsparungen bei Investitionen, Materialkosten und bei den Personalkosten notwendig, betont der Konzern.
Vorstandschef Ola Källenius will das Tempo der Erholung aus der Corona-Krise hoch halten. Der Konzern gehe mit einem Wachstumsschwung in das Jahr 2021 und bleibe für China optimistisch, sagte der Manager in einem Interview der 'Financial Times' (Donnerstag). Ein Teil der zuletzt starken Verkäufe in dem wichtigsten Einzelmarkt sei auch einem Nachholeffekt aus dem stark pandemiebelasteten Frühjahr zu verdanken.
Verkaufsplus im dritten Quartal
Im dritten Quartal hat Mercedes-Benz in dem wichtigsten Einzelmarkt ein Verkaufsplus bei Pkw von fast einem Viertel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet. Auch in den Monaten danach habe das Wachstum zweistellige Prozentsätze erreicht, sagte Källenius dem Blatt. Die Absatzzahlen für November legt Daimler erst noch vor. (dpa)
Markus Nollau
Fahrvergnüger
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