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Betrogen und manipuliert: Die Diesel-Krise im Überblick

12.06.2018 10:14 Uhr
Der Dieselskandal kratzt stark am Image der Autoindustrie.
© Foto: picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa

Allmählich müsste die Diesel-Thematik doch mal durch sein, denkt man – und liegt ein ums andere Mal daneben. Immer neue Details bei deutschen Autobauern kommen ans Licht. Und der Skandal nimmt immer größere Ausmaße an.

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Von Nico Esch, dpa

Es begann mit VW, dann kippte ein Steinchen nach dem anderen um. Mittlerweile sind viele deutsche Autohersteller in den Abgas-Skandal verwickelt, es gibt Ermittlungen und unzählige Klagen. Volkswagen-Anleger werfen dem Konzern vor, zu spät über den sich anbahnenden Skandal in den USA informiert zu haben. Zudem verlangen Autobesitzer – nicht nur von VW – Schadenersatz oder Geld zurück, da sie sich getäuscht fühlen. Und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat massenhaft Rückrufe verordnet. Ein Überblick:

VW

Auch wenn sie angesichts der Nachrichten von anderen Herstellern manchmal schon fast in Vergessenheit gerät: Die Abgas-Affäre bleibt für Volkswagen ein juristischer Großkampf. Und sie hat ihren Ursprung in Wolfsburg. VW hatte im September 2015 eingeräumt, bei Millionen Dieselautos Abgastests manipuliert zu haben, und stürzte daraufhin in eine schwere Krise. Etwa 1,5 Millionen Autos der Marke VW mit Manipulations-Software musste der Konzern in Deutschland zurückrufen. Die anderen Konzern-Marken hinzugerechnet, waren es ursprünglich fast 2,5 Millionen in Deutschland und weltweit knapp elf.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen fast 50 mutmaßlich Beteiligte. Anklagen gibt es bisher nicht. Gegen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn laufen – wie auch gegen den neuen VW-Chef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch – Untersuchungen wegen möglicher Marktmanipulation. Sie sollen Anleger zu spät über die drohenden Konsequenzen des Diesel-Skandals informiert haben. Gegen Winterkorn wird zusätzlich wegen Betrugs ermittelt. Zudem will ihn die US-Justiz wegen Betrugs in der Abgasaffäre zur Rechenschaft ziehen und hat bereits einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt. Ferner werfen ihm die Ankläger Verschwörung zum Verstoß gegen Umweltgesetze und zur Täuschung der Behörden vor.

Audi

Die Tochterfirma lieferte am Montag den jüngsten Höhepunkt im Dieselskandal des VW-Konzerns. Die Münchner Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen Chef Rupert Stadler ein und durchsuchte seine Wohnung. Sie legt ihm und einem namentlich nicht genannten Audi-Vorstand "Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last". Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa in den Verkehr gebracht.

Die Zahl der Beschuldigten bei Audi ist damit laut Staatsanwaltschaft auf 20 gestiegen. Als einziger von ihnen sitzt ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 verhaftet worden. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft wieder freigekommen.

Bei Audi hat das KBA bisher für 216.000 Diesel-Autos quer durch die Modellpalette einen Rückruf angeordnet, zuletzt ging es Anfang Juni um rund 60.000 Exemplare der Oberklasse-Typen A6 und A7.

Porsche

Seit knapp einem Jahr ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auch bei der VW-Tochter Porsche. Es geht um den Verdacht des Betrugs und der strafbaren Werbung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Manipulation der Abgasnachbehandlung. Richteten sich die Ermittlungen zunächst gegen unbekannte Mitarbeiter, gerieten später ein aktuelles Vorstandsmitglied, ein leitender Mitarbeiter und ein früherer Porsche-Beschäftigter ins Visier. Vor knapp zwei Monaten durchsuchten Ermittler die Konzernzentrale im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen sowie weitere Standorte und nahmen den leitenden Mitarbeiter wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft.

Im Sommer 2017 hatte Porsche zunächst rund 21.500 Geländewagen vom Typ Cayenne mit 3-Liter-Motor wegen einer vom KBA beanstandeten illegalen Abschalteinrichtung zurückrufen müssen. Vor knapp einem Monat folgte ein Zwangsrückruf für weitere gut 6.750 Cayenne mit 4,2-Liter-Motor sowie für gut 52.800 Exemplare des kleineren Geländewagen-Bruders Macan mit 3-Liter-Motor.

Daimler

Konzernchef Dieter Zetsche musste sich am Montag eine bittere Pille bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) abholen: 774.000 Mercedes-Benz-Diesel muss Daimler europaweit zurückrufen. Justiz und Behörden haben den Konzern zwar schon länger im Visier. Erst vor zwei Wochen aber erhob das KBA erstmals offiziell den Vorwurf, auch die Stuttgarter hätten eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet. Von nur 5.000 Exemplaren des Kleintransporters Vito war zunächst die Rede – dann aber legte Scheuer nach.

Der Hersteller hat Widersprüche angekündigt und will die Frage, ob es sich bei den vom KBA entdeckten Programmierungen um unzulässige Funktionen handelt, notfalls vor Gericht klären lassen.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit über einem Jahr wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler diverse Standorte des Autobauers und stellten Unterlagen sicher.

BMW

BMW wird von der Münchner Staatsanwaltschaft seit März verdächtigt, in rund 11.000 Dieselautos eine falsche Abgas-Software eingebaut zu haben. Betrug mit einer "prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung" lautet der Anfangsverdacht. Vorstandschef Harald Krüger hatte auf der Hauptversammlung erklärt, bei 11.700 Autos der 5er- und 7er-Baureihen sei irrtümlich die Software einer anderen Baureihe aufgespielt worden. Mit gezielter Manipulation von Motorsteuerung und Abgasreinigung habe das nichts zu tun – die Abgaswerte auf dem Prüfstand und auf der Straße seien gleich gewesen. Nach Genehmigung durch das KBA will BMW die richtige Software aufspielen.

Opel

Opel hat bisher weder mit Ermittlungen der Justiz noch mit einem Pflicht-Rückruf zu tun. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte Vorermittlungen vor über einem Jahr eingestellt. Wie die anderen Hersteller lehnt Opel Hardware-Nachrüstungen mit der Begründung ab, dass sie nicht praktikabel seien. Das freiwillige Update der Software an rund 90 000 Diesel-Fahrzeugen der Typen Insignia, Cascada und Zafira mit Harnstoff-Katalysatoren verzögerte sich bis ins Jahr 2017. Inzwischen seien je nach Modell bis zu 80 Prozent der Wagen umgerüstet, erklärte am Dienstag ein Opel-Sprecher. Neue Autos werden seit August 2016 mit der neuen Software ausgerüstet.

Und in den USA?

Dort steckt die deutsche Auto-Industrie schon länger im Abgas-Sumpf. Es begann mit dem Geständnis des Volkswagen-Konzerns 2015. Inzwischen wurden zahlreiche Klagen in Nordamerika mit teuren Vergleichen abgeschlossen – mehr als 25 Milliarden Euro hat VW für die Manipulationen an Rechtskosten verbucht. Weiter bangen müssen der Zulieferer Bosch, dem US-Anwälte eine Schlüsselrolle im "Dieselgate"-Skandal zuschreiben, sowie Daimler und BMW, gegen die ebenfalls Sammelklagen wegen angeblicher Abgas-Manipulationen laufen. Beschuldigt werden aber nicht nur deutsche Unternehmen: Die US-Branchengrößen General Motors, Ford und Fiat Chrysler müssen sich vor US-Gerichten mit ähnlichen Vorwürfen auseinandersetzen.

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KOMMENTARE


Frank Oesterle

12.06.2018 - 17:58 Uhr

Es ist an der Zeit, Realitäten in die Diskussion um Fahrzeugabgase zu bringen. Solche fehlen bisher.Als zu Anfang der 80er die ersten Abgasvorschriften eingeführt wurden, war dies auch bitter nötig. D1, D2 und Euro 1 bis 3 brachten dann eine extreme Verringerung der Emissionen. Mit Euro 3 waren diese um ungefähr 96 % reduziert, der Aufwand hierfür hielt sich in vernünftigen Grenzen.Euro 4 war dann weitgehend Kosten-Nutzen-neutral. Die Emissionen wurden wohl noch etwas gesenkt (bei weitem aber nicht so wie die vorhergehenden Maßnahmen), der Aufwand hierfür egalisierte den Erfolg jedoch weitgehend.Schlimm wurde es dann mit Euro 5, katastrophal mit Euro 6: die Grenzwerte konnten vermehrt ohne Tricksereien nicht mehr eingehalten werden, die ökologischen (und andere) Nachteile überwogen die Vorteile bei weitem, die Verordnungen waren und sind an Kontraproduktivität kaum zu übertreffen.Und jetzt: WLTP und dann auch noch RDE. Die Hersteller erkennen, dass das nicht mehr geht. In Unterscheidung zu Politikern sind weder Chemie noch Physik käuflich. Die Grenzwerte können nicht mehr erreicht werden, nicht nur durch Porsche nicht (wer, wenn nicht Porsche, könnte es?). Man kann davon ausgehen, dass in wenigen Wochen die Hersteller den Politikern in Brüssel mitteilen, dass die Autoproduktion zumindest in Deutschland (der Rest trickst weiter) für Europa eingestellt wird. Hatten wir schon mal, in Kuba, ab Anfang der 60er. Die Ursache lag damals auch im Sozialismus.Die Lösung: zurück ungefähr zu Euro 4, Erhöhung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide auf das 20 bis 50-fache. Weder Umwelt noch Menschheit würden etwas bemerken, das Problem wäre vom Tisch. Ich gehe jedoch eher davon aus, dass sich die EU mit Tempo in den Abgrund manövriert.


Fritz Wichmann

13.06.2018 - 09:09 Uhr

vielen Dank Herr Oesterle für Ihren Bericht.Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, aber eher wird Deutschland zu Grunde gehen (WIR SIND EIN AUTOLAND), erst die Autoindustrie, , als das die Abgaswete angehobern werden.Aber dann stimmen erstmals kurzzeitig die Werte, nach und nach werden sie wieder steigen, da es den Mitmenschen unmöglich sein wird die Kosten für KFZ, Heizung und ähnlichen aufzubringen und wieder mit Kohle ihre Wohnungen heizen werden.


hp

13.06.2018 - 09:12 Uhr

Lieber Herr Oesterle,hier sollte Platz sein für sachlichen, fachbezogenen Meinungsaustausch. Politische Botschaften ohne echten sachlichen Bezug zur deutschen Autowelt wären woanders viel besser aufgehoben."Hatten wir schon mal, in Kuba, ab Anfang der 60er. Die Ursache lag damals auch im Sozialismus."Mit Verlaub, die Zustände im Kuba der 60er Jahre bringen uns nur sehr wenig Erkenntnisgewinn in unserer deutschen Situation im Jahr 2018. Aus dem "auch" in Ihrem Satz soll man schließen, auch bei uns wäre ein unterstellter "Sozialismus" des Übels Wurzel und wegen dieses deutschen "Sozialismus" wird nach Ihrer Einschätzung also in wenigen Wochen die Autoproduktion "in Deutschland (...) für Europa eingestellt"?Das Ende ist nah...? Bleiben Sie seriös, Herr Oesterle!Gruß,HPHatten wir schon mal, in Kuba, ab Anfang der 60er. Die Ursache lag damals auch im Sozialismus.


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