Eine neue Branchenstudie zeichnet eine düstere Zukunft für den klassischen Autohandel. Wegen des zunehmenden Online-Vertriebs und eines bröckelnden Servicegeschäfts werde die Umsatzrendite der Betriebe bis 2025 um rund 1,2 Prozentpunkte sinken, berichtete die Managementberatung Bain & Company in München.
Gleichwohl könnten die Autohäuser mit neuen Geschäftsmodellen, effizienteren Prozessen sowie der stärkeren Ausrichtung auf Kundenerlebnis und -bindung gegensteuern. Dies könne ihnen eine zusätzliche Rendite von bis zu 0,8 Prozentpunkte bringen, hieß es. Laut dem Deutschen Kfz-Gewerbe lag die Umsatzrendite 2018 zwischen einem und 1,3 Prozent im Durchschnitt (2017: 1,5 Prozent).
"Die Transformation der Automobilbranche schreitet rasch voran. Damit bricht auch für den Vertrieb und den Handel eine neue Ära an", erklärte Bain-Partner und Studien-Co-Autor Marcus Hoffmann. Gemeinsam mit den Herstellern müssten die Autohäuser ihre Rolle, ihre Aufgaben und ihre Vergütung im Verkaufsprozess neu definieren.
Nach Einschätzung von Hoffmann werden die stationären Händler allen Unkenrufen zum Trotz ein zentraler Baustein im Fahrzeugvertrieb bleiben. "Die Hersteller müssen sie bei ihrer Neuausrichtung unterstützen, unter anderem durch neue Handelsformate oder ein aktivitätsbasiertes Vergütungsmodell", betonte er mit Blick auf eine Vergütung etwa nach der Anzahl der Testfahrten, der Fahrzeugübergaben oder im Rahmen der Kundenpflege. Hoffmann: "Ein solches System kann dazu beitragen, die 0,4-prozentige Renditelücke zu schließen."
Eine entscheidende Rolle spielen laut Studie neue Handelsformate. Der Weg führe vom klassischen, städtischen Full-Service-Autohaus mit großer Fläche und hohem Personalbedarf zu einem Mix an Standorten: Marken-Stores in bester Innenstadtlage, kurzfristige Pop-up-Shops, Testfahrtcenter oder hochspezialisierte Servicefabriken am Stadtrand. "Investitionsbereite Händler, die diese Entwicklung durch innovative Ideen und Pionierarbeit vorantreiben, werden zu den Gewinnern der Transformation gehören", betonte Hoffmann.
Eigene Ideen gefragt
Eric Zayer, ebenfalls Autor der Studie, nahm die Kfz-Betriebe in die Pflicht. "Angesichts ihrer lokalen Marktkenntnis und ihres unternehmerischen Denkens sind die Autohäuser prädestiniert, eigene Ideen für neue Vertriebs- und Serviceformate zu entwickeln", sagte er. Der Händler von morgen konzentriere sich auf die neuen Kernaktivitäten in der Omnikanal-Welt und nutze seine lokale Präsenz für ein optimales Kundenerlebnis. Zayer: "Persönlicher Kontakt ist und bleibt die glaubwürdigste und prägendste Art der Kundenkommunikation."
Die Bain-Studie hat fünf "Gamechanger" für den traditionellen Automobilhandel identifiziert:
Kundenorientierung: Die Autobranche muss die Zufriedenheit ihrer Kunden deutlich steigern. Intensive Datenanalysen ermöglichen eine ausgereifte digitale Betreuungsstrategie, die Autohäuser lokal umsetzen. Sie können den Käufern passgenaue Lösungen anbieten – und so den Umsatz steigern.
Autonomes Fahren: Die Zahl der vollautomatisiert oder autonom fahrenden Autos in Europa nimmt bis 2025 auf niedrigem Niveau zu. Das reduziert Unfälle und Bagatellschäden, aber auch die Auslastung der Werkstätten. Da diese Entwicklung noch einige Jahre dauert, haben die Autohändler Zeit, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Gleichzeitig lassen sich Kunden durch personalisierte Loyalitätsprogramme leichter halten. Für diese neuen Aufgaben braucht es andere Vergütungsmodelle als die bisherigen Bonus-/Margen-Systeme.
Konnektivität/Digitalisierung: Die Autohersteller werden den Onlinevertrieb der Neuwagen weiter forcieren. Nach Bain-Analyse werden bis 2025 voraussichtlich mehr als 30 Prozent der Neuwagen in Europa über das Netz verkauft. In Deutschland können sich bereits 42 Prozent der Kunden vorstellen, ihr nächstes Fahrzeug online zu erwerben. Dadurch geht das NW-Geschäft im Autohaus zurück. Gleichzeitig hilft die Digitalisierung, Kernprozesse effizienter zu gestalten. Zayer: "Ein integriertes Omnikanal-Angebot erhöht Vertriebseffizienz und Kundenorientierung. Zudem hilft es, reine Internetautohändler auf Abstand zu halten."
Elektrifizierung: Rund 30 Prozent aller verkauften Neuwagen und sechs Prozent des Fahrzeugbestands in Europa werden 2025 laut Studie ganz oder teilweise elektrisch angetrieben. Reine Batterieautos müssen deutlich seltener gewartet werden, darunter leidet das Servicegeschäft der Autohäuser. Viele Standorte und Werkstätten – insbesondere in teuren Innenstadtlagen – sehen die Experten in Gefahr. Eine mögliche Lösung ist, die bestehenden Betriebe zu effizienten Servicefabriken am Stadtrand zusammenzuführen.
Geteilte Mobilität: Vor allem in Ballungsräumen sinkt durch vernetzte Mobilitätsangebote und gemeinsam genutzte Fahrzeuge der Neuwagenbedarf. Gleichzeitig bestellen Großkunden für ihre Flotten mehr Autos direkt beim Hersteller. Für Autohändler gilt es deshalb, ihr Geschäftsmodell frühzeitig zu erweitern. Sie sollten sich beispielsweise auf die Wartung von Carsharing-Flotten spezialisieren und sich für Mobilitätsdienste rüsten.
Weitere Infos: https://www.bain.com/de/insights/wie-uberlebt-der-automobilhandel
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