Ausgabe 07/2009: Zitterpartie

HandelZitterpartieHerstellerinsolvenz E Worauf sich die Händler einstellen müssen.Von Doris PlateKommt sie oder kommt sie nicht? Für die Opel-Händler sind die letzten Monate eine Zitterpartie. Täglich gehen Nachrichten durch die Zeitungen. Zeitschriften, Radio und Fernsehen sind voll von Berichten über GM, den möglichen Einstieg der amerikanischen und der deutschen Regierung ins Autogeschäft, die Abspaltung von Opel, die Zukunftsfähigkeit. Gibt es einen Investor? Gibt es zumindest eine Bürgschaft der Bundesregierung? Keiner weiß derzeit, ob und wie es weiter geht. Oder doch? Die Opel-Händler sind jedenfalls zuversichtlich und stehen in Treue fest zu ihrem Fabrikat. Auf der Mitgliederversammlung ihres Verbandes haben sie beschlossen, ihren Hersteller mit einem Fonds zu unterstützen. 150 Euro pro verkauftem Fahrzeug will jeder deutsche Händler einbringen. Die europäischen Kollegen sollen sich diesem Beschluss anschließen. Der Dachverband Euroda will bei seiner Versammlung am 15. Mai in Wien endgültig über das Thema entscheiden. 400 Millionen Euro sollen dann über drei Jahre zusammenkommen. Drei Milliarden hat GM Europa als Bedarf angemeldet. Anlässlich des Opel-Händlertreffens in Darmstadt sagte Opel-Deutschland-Chef Hans Demant, dass das Geld noch bis Ende Juni reicht. So lange kann die Regierung also noch überlegen, Berater und die amerikanische Regierung befragen, einen Investor suchen. Schließlich ist es Daimler auch gerade gelungen, frisches Geld aus Abu Dhabi an Land zu ziehen. Mögliche ÜbernehmerAber wer will den Blitz? Hier wurde Daimler schon als möglicher Käufer genannt – für das Werk in Eisenach. Zetsche hat aber dann doch abgewunken – oder wartet er nur, bis es billiger wird? Auch Hyundai wurde schon als möglicher Investor genannt: Die Koreaner haben aber schon genug Probleme mit der Übernahme von Kia und bekommen derzeit auch Staatshilfe. Chinesische Investoren? – Das bevölkerungsreichste Land der Welt will seine heimische Autoindustrie konsolidieren. Der kommunistische Staat rief die Volkswagen-Partner FAW und Shanghai Automotive (SAIC) zu Zukäufen im Inland auf. Das deutet keinesfalls auf einen Zukauf im Ausland hin. Russische Investoren? – Die einst mit Geld um sich werfenden Russen haben inzwischen Staatshilfe beantragt. Indische Investoren? – Tata präsentierte gerade den billigsten Kleinwagen der Welt. Hat aber auch Probleme mit dessen Produktion, weil die indische Fabrik boykottiert wurde. Erst 2008 hat der Industriekonzern Jaguar und Land Rover abgenommen. Auch hier ist erst einmal Konsolidierung angesagt. Aber wer weiß, vielleicht rollt der Tata bald in Bochum vom Band – wenngleich Nordrhein-Westfalen nicht gerade als Billiglohnalternative zu Indien gilt. Verkauf in Einzelteilen möglichWenn es zur Insolvenz kommt, wäre ein Verkauf in Einzelteilen möglich. Also zum Beispiel Daimler nimmt das Werk in Eisenach. Das Ersatzteilgeschäft wird voraussichtlich auch einen Käufer finden. Schließlich fahren allein auf deutschen Straßen 6,5 Millionen Opel. 80 Prozent der Teile werden ohnehin von Zulieferern produziert und können dann weiter über den freien Markt bezogen werden. Für die restlichen 20 Prozent wird sich mit Sicherheit ein Unternehmer finden, denn hier gibt es etwas zu verdienen. Auch bei der Rover-Insolvenz wurden die Maschinen nach China verkauft und die Teile können heute von dort bezogen werden. Vorsorge mit Ersatzmarken treffenViele Marken-Händler haben schon in den letzten Jahren diversifiziert. Gerade bei Opel, aber auch Chrysler-Partner haben andere Marken dazugenommen. Schließlich hatte der Blitz früher bis zu 17 Prozent Marktanteil, 2008 kam er nicht einmal mehr auf neun. Kia, Hyundai, Fiat, Skoda, Toyota – es gibt viele Ergänzungen. Aber eben nur Ergänzungen. „Die Marke Opel ist in der Fläche nicht zu ersetzen“, sagt Stefan Quary, Geschäftsführer der Dürkop-Gruppe. Natürlich arbeitet der Händler an einem Plan B, aber eine Insolvenz von Opel wäre auf jeden Fall mit Einschnitten für sein Unternehmen verbunden, so Quary. Auch Kurt Kröger von Dello hat vorgesorgt: „Ich habe heute nur noch 55 Prozent Opel. Der Rest sind andere Marken.“ Er glaubt zwar auch an den Fortbestand von Opel, aber: „Wir haben 160.000 Opel-Kunden im Bestand, die bei Dello kaufen. Wenn es sein muss, kaufen die auch etwas anderes bei uns.“ AVAG-Chef Dr. Volker Borkowski sieht sein Unternehmen mit Toyota, Nissan und Honda gut aufgestellt. Dennoch sucht er einen weiteren Hersteller oder Importeur jenseits eines Marktanteils von drei Prozent. Eine Zeitung spekulierte, dass mit Ford verhandelt werde, es könnte aber auch Renault sein. Kleinere Händler flüchten in EU-Fahrzeuge und Gebrauchtwagen. „Ich importiere derzeit Suzukis aus Polen“, berichtet zum Beispiel Chrysler-Händlerverbands-Präsident Peter Jakob. Seine Marke ist in Deutschland durch den Rummel um Opel aus der Schusslinie gekommen. Gerade die kleineren Chrysler-Händler müssen sich aber derzeit zu helfen wissen, um zu überleben. Bei diesen Händlern hilft nämlich die Abwrackprämie ebenso wenig wie bei Saab, während die Opel-Händler gute Geschäfte machen.Umstrukturierungsmaßnahmen bei SaabApropos Saab. Der schwedische Hersteller legt Wert auf die Feststellung, dass er sich nicht in Insolvenz befindet, sondern unter „Rekonstruktion“, wie das im schwedischen Recht heißt. Sieben von zehn solcher Verfahren zur Umstrukturierung enden laut Statistik in der Insolvenz. Dennoch glauben Saab und seine Händler an den Fortbestand dieser Marke. Masoud Etehad, der größte Saab-Händler in Deutschland, meint: „Die Schweden werden sich etwas einfallen lassen.“ Die Unterstützung der Kunden wäre überwältigend. Dennoch hat auch Etehad schon vor Jahren diversifiziert, Kia und Subaru übernommen. Und: An dem Betrieb in guter Lage sind auch noch andere Hersteller interessiert. Es kann nicht sein, was nicht sein darfAlternativen hin oder her: Bei der Opel-Händlertagung war die Grundstimmung: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Über Insolvenz will keiner reden, vor allem die Inhaber der kleineren Betriebe können sich nicht vorstellen, dass die Bundesregierung Opel nicht unterstützt. Immerhin geht es allein in Deutschland um zirka 100.000 direkte Arbeitsplätze beim Hersteller, Handel und den Zulieferern. Die müssen gestützt werden, meinen die Händler. Ford-Chef Bernhard Mattes fürchtet „große Spannungen in der Lieferkette“, wenn ein Anbieter ausfällt. Auch VW-Chef Martin Winterkorn sieht hier ein Problem. Für ihn überwiegen aber andere Dinge: „Wenn einer vom Spielfeld verschwindet, sind die Chancen für die anderen natürlich größer.“ Die deutsche Bevölkerung ist nach Umfragen gespalten: Während die eine Hälfte zur Erhaltung der Arbeitsplätze eine Unterstützung befürwortet, ist die andere Hälfte für fairen Wettbewerb und damit gegen Subventionen. Eine Entscheidung durch das Wahlvolk ist also nicht zu erwarten. Vielleicht schleppt die Bundesregierung die Sache auch bis nach der Wahl hin, etwa mit einem Überbrückungskredit.Was kann der Händler tun?Was kann der Händler in dieser ungewissen Situation tun? – „Auf jeden Fall nicht abwarten“, rät ZDK-Betriebswirtschaftlerin Antje Woltermann. Sie mahnt die Unternehmer dringend, über Alternativkonzepte für ihre Betriebe nachzudenken und möglichst damit auch zur Hausbank zu gehen. „Jetzt sind sie noch handlungsfähig und können über Auswege verhandeln. Wenn die Insolvenz da ist, ist es zu spät“, mahnt sie. Dann, davon gehen die meisten Experten aus, würden nämlich die Banken von den Opel-Händlern sofort einen Risikoaufschlag verlangen und ansonsten den Geldhahn zudrehen. „Ein Drittel der Opel-Händler wären am Tag nach der Insolvenz des Herstellers ebenfalls zahlungsunfähig“, formuliert es ein Insider. Nicht nur die monatlichen Zahlungen des Herstellers, die sich schon bei einem mittleren Betrieb mit 1.500 Neuwagen im Millionenbereich bewegen, würden dann fehlen. Auf einen Schlag würden die noch auf dem Hof befindlichen Neu- und Gebrauchtwagen stark entwertet. „Bei Rover war die Lagerware durch die Insolvenz über Nacht je nach Modell um 30 bis 50 Prozent weniger wert“, berichtet Woltermann aus Erfahrung. Zwar haben die Rover-Händler noch nie so gut verkauft wie kurz nach Bekanntwerden der Insolvenz, aber zu welchen Preisen? Wohl dem, der da nicht zu viel auf dem Hof hat, sondern sozusagen im „Schlussverkauf“ günstig Ware einkaufen kann. Und: An Garantieversicherung bzw. Eigengarantie denken! Händlervertrag und AusgleichsanspruchDoch nun zu den rechtlichen Konsequenzen: Ob der Händlervertrag gekündigt wird oder nicht, macht letztendlich bei einer Insolvenz keinen großen Unterschied. Der Rover-Händlervertrag wurde zum Beispiel nie gekündigt, ist aber heute völlig wertlos. Wenn der Hersteller bei Insolvenz den Händlervertrag kündigt, hätte der Händler theoretisch einen Ausgleichsanspruch. „Der Ausgleichsanspruch basiert aber auf der Weiterverwendung des Adressmaterials“, erläutert Rechtsanwalt Robert Glocker von der Kanzlei Haug und Partner. Wenn der Hersteller aber keine Autos mehr verkauft, kann er auch das Adressmaterial nicht mehr nutzen – also gibt es auch keinen Ausgleichsanspruch. „Vielleicht führt ein Insolvenzverwalter die Geschäfte noch weiter, dann könnte es für diesen Zeitraum noch etwas geben. Aber auch diese Forderung könnte dann nur zur Tabelle angemeldet werden“, so Glocker. Tabelle heißt Quote, und die lag z. B. bei Rover in anderen Ländern bei sieben bis zwölf Prozent. In Deutschland ist das Insolvenzverfahren vier Jahre nach Eröffnung noch nicht abgeschlossen. Die Händler haben also noch kein Geld gesehen.Rückgabe der Vertragsware Thema Vertragsware: Die rechtliche Bewertung ist hier beinahe unerheblich. Der gute Kaufmann kann hier nur eines tun: Die Vertragsware behalten. Hat er sie nämlich bezahlt, gehört sie ihm ohnehin, und egal aus welchem Grund er sie vielleicht zurückgeben könnte (zum Beispiel weil sie mangelhaft ist), würde er kein Geld dafür bekommen (siehe Tabelle und Quote). Hat er sie nicht bezahlt, kann er zumindest versuchen, deren Wert gegen andere offene Forderungen aufzurechnen. Auf jeden Fall dürfen Lagerfahrzeuge weiter verkauft werden. Überhaupt Aufrechnung: Zum Beispiel was tun, wenn das Auto noch zu bezahlen ist, der Händler aber seine Boni noch nicht erhalten hat? Oder Ersatzteile noch bezahlt werden müssen, aber Garantieansprüche noch ausstehen? Auf jeden Fall sollte man die Verrechnung für Forderungen aus der Zeit vor der Insolvenz erklären.Nach der Insolvenz ist es sowieso anders: „Sofern in den Geschäftsbeziehungen zwischen Händler/Werkstatt und Hersteller/Importeur Aufrechnungsverbote gelten, sind diese im Insolvenzfall als AGB unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung bedeuten würden“, meint Glocker. Also Zahlungsaufforderungen ignorieren und drauf ankommen lassen. Es ist immer besser, der andere muss seine Forderungen einklagen und dann Jahre warten, bis die Gerichte entschieden haben, als der Händler muss dies tun. Verrechnete Forderungen dürfen aber nicht gleichzeitig zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Kann die Verrechnung nicht durchgesetzt werden, geht also auch die Quote verloren.Abnahmepflicht und EinzugsermächtigungSolange der Vertrag besteht, bestehen auch vertragliche Abnahmepflichten. An Bestellungen ist der Händler also gebunden. Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte der Insolvenzverwalter mit Fristsetzung aufgefordert werden, zu erklären, ob er den bestellten Neuwagen noch liefern wird. Wenn der Insolvenzverwalter sich nicht unverzüglich erklärt, müssen die Fahrzeuge nicht abgenommen werden. Dieses Vorgehen sollte aber vorher mit dem Kunden abgesprochen werden, sonst drohen Schadenersatzansprüche. „Wenn ein Händler auch in dieser Situation noch Neuwagen ordert oder Garantiearbeiten ausführt, sollte er auf jeden Fall schriftlich vermerken, dass er dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht tut, damit kein neuer Vertrag begründet wird“, rät Glocker. Nicht bestellte Fahrzeuge muss er nicht abnehmen: „Wenn keine Bestellung vorliegt, muss der Händler der Lieferung unverzüglich widersprechen und die Fakturierung zurückweisen. Es darf auch keine Finanzierung akzeptiert werden.“ Auf jeden Fall muss der Händler bei einer Insolvenz aber sofort seine Einzugsermächtigung widerrufen und Abbuchungen zurückgehen lassen. Auch die Antwort auf die Frage, welche Forderungen in welcher Höhe bedient werden, ist einfach. Kulanz gibt es sowieso keine mehr. Gewährleistungs- und Garantieansprüche, Boni, Verkaufsförderungsaktionen – alle Forderungen kommen in einen Topf. Sofern sie zur Tabelle angemeldet sind, werden sie dann unabhängig vom Gläubiger anteilig mit der Insolvenzquote bedient. Wie bereits erwähnt – drei bis zehn Prozent sind normal. Garantie und GewährleistungUm die Forderungen im Insolvenzfall so gering wie möglich zu halten, sollten schon vorher „angemessene“ Zahlungsziele gesetzt werden. „Wenn es eng wird, sind drei Wochen angemessen, auch wenn es vorher wesentlich länger gedauert hat, bis bezahlt wurde“, erläutert der Anwalt. Kommt der Hersteller mit „erheblichen“ Beträgen in Verzug, kann der Händler sein Zurückbehaltungsrecht ausüben und erklären, dass er keine Garantiearbeiten mehr für den Hersteller ausführt. Ist das Insolvenzverfahren des Herstellers eröffnet, muss der Händler aber ohnehin keine Garantiearbeiten mehr ausführen. „Geschäftsbesorgungsverträge, und ein solcher ist die Ausführung von Garantiearbeiten für den Hersteller, erlöschen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.“ Aus der gesetzlichen Gewährleistung für selbst verkaufte Fahrzeuge kommt der Händler aber nicht heraus. Gegenüber dem Kunden ist er der Vertragspartner und muss die Reparatur ausführen, wenn es sich um einen Sachmangel handelt. zKurzfassungUm das eigene Unternehmen zu schützen, sollten Händler, deren Hersteller von der Insolvenz bedroht ist, Vorsichtsmaßnahmen treffen und einen „Plan B“ ausarbeiten. Tipps gibt die AUTOHAUS Checkliste, Seite 14.Was tun bei Insolvenz des Herstellers?z Einzugsermächtigung widerrufen und Abbuchungen zurückgehen lassenz keine Zahlungen an Hersteller leisten, wenn offene Forderungen bestehenz Lagerfahrzeuge dürfen abverkauft werdenz Bestellte Neufahrzeuge nur noch annehmen, wenn die Lieferung unverzüglich erklärt wurdez unbestellten Lieferungen sofort widersprechen, Fakturierung zurückweisen und keine Finanzierung akzeptierenz keine Garantiearbeiten mehr ausführen (geht auf eigene Kosten)z Gewährleistungsarbeiten müssen weiter ausgeführt werdenz alternative Ersatzteilbezugsquellen besorgenz falls noch Ersatzteile beim Hersteller bezogen wurden, Verrechnung mit offenen Forderungen, z. B. aus Garantie erklärenz Neuwagen mit Garantieversicherung oder Eigengarantie ausstattenHandelHandelHandel

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