Große Weichenstellungen stehen im Automobilgewerbe an. Rund um das Agenturgeschäft brodelt es. Die GVO-Umsetzung 2022/720 steht an. Die Integration des revolutionären Wiener Peugeot-Urteils. Neue Geschäftsmodelle u.a. AUTOHAUS-Herausgeber sprach darüber mit ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn, der in dieser Funktion als Vorsitzender der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen auch Sprecher des deutschen Markenhandels ist.
- VW-Konzernhändlerverbände: Rote Karte für das Agenturmodell
- Toyota-Handel: Autohaus Glückauf wird Teil der TCB-Gruppe
Zukunftsstudie
AUTOHAUS: Der ZDK hat mit IfA und ICDP eine Studie "Zukunftsmodelle für Autohausunternehmen" in Auftrag gegeben. Wie kam es zu dieser Studie?
Thomas Peckruhn: Aktuell reden zahlreiche Hersteller und Importeure mit ihren Händlern über neue Geschäftsmodelle, insbesondere über das Agentursystem. Und diese Vorhaben sollten so gestaltet werden, dass der Händler weiter erfolgreich wirken kann. Zukunft durch Gegenwartsbewältigung. Uns liegen die verschiedenen Systeme vor und da ist unser Anspruch an nachhaltige Ertragskraft vielfach nachweislich nicht gegeben. Beispielsweise Stellantis mit 2,5 Prozent Neuwagenmarge.
Oder nehmen sie die Diskussion, die wir eben im Volkswagenkonzern erleben. Wir haben im ZDK ja bereits verschiedene Geschäftsmodelle definiert. Wir müssen uns der gleichen Kanäle bedienen wie die Hersteller und Importeure und eine derartige Studie aus Sicht des Handels und vor allem auch aus Kundensicht zu definieren. Wir bilden im Handel die engste Schnittstelle zum Kunden. Wir sehen auch für die Zukunft die absolute Notwendigkeit des stationären Handels mit all seinen Aufgaben. Wenn es eine Neuordnung dieser Aufgaben gibt, müssen diese auch für den Handel ertragsbringend sein und entsprechend honoriert werden.
Die Idee für die Studie ist in der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen entstanden. Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll unsere Thesen.
AUTOHAUS: Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie?
T. Peckruhn: Unsere Kunden bedienen sich beim Autokauf vieler Kanäle, voran über Internet. Dennoch ist die Beratungsleistung im stationären Handel vonnöten. Wir treffen auf verschiedene Kundengruppen. Die einen, die keinen hohen Beratungsbedarf haben. Es gibt aber auch die Kunden, die ihre Großinvestition hinterfragen, Probefahrt wünschen, ebenso einen konkreten Ansprechpartner, bevor sie ihre Entscheidungen treffen. Dieser Aufwand kostet Geld. Das sind originäre Leistungen des stationären Handels und werden nicht über Plattformen erbracht. Wer hier an Qualität einspart, wird in Folge ein Nachsehen haben.
Solidarität der VW-Konzernhändler
AUTOHAUS: Am 19.7.22 hoben 800 Händler aus dem VW-Konzern geschlossen die "rote Karte". Sie sind ja auch Skoda-Verbandspräsident und haben die Zusammenkunft live miterlebt. Wie haben sie die "Demonstration" wahrgenommen?
T. Peckruhn: Das war sichtbare Solidarität und eine Bestätigung für alle, die sich ehrenamtlich in der Sache in ihren jeweiligen Verbänden engagieren. Wir sind da in unserer Position dem Konzern gegenüber auf der richtigen Spur. Es wurden zwei Brandthemen in den Mittelpunkt gerückt. Die Vergütung, inklusive der Gestaltung der Boni. Das zweite Thema galt der generellen Rücknahme von Leasingrückläufern. Das Thema Mobilität wird unabhängig davon wichtigstes Thema der Zukunft bleiben. Ich bin der Auffassung, dass zu unserem Geschäftsmodell der Vertrieb und der Service, auch von alternativer Mobilität zu unserem Portfolio gehören müssen.
Peugeot-Urteil mit Umsetzung
AUTOHAUS: Aktuell befindet sich die Branche auch in der Umsetzung der neuen Vertriebs-GVO 2022/720, die zum 1. Juni in Kraft trat und bis 2034 festgelegt ist. Die Branche hat nun Zeit, die erforderlichen Neuerungen in den Händlerverträgen binnen eines Jahres vorzunehmen. Man hört seit über einem Jahr nichts mehr vom epochalen Wiener-Peugeoturteil und dessen Umsetzung in den Händlerverträgen. Wo bleibt die ZDK-Aktivität bzw. die auch der Fabrikatsverbände?
T. Peckruhn: Es ist keineswegs zutreffend, dass der ZDK und die Fabrikatsverbände sich nicht geschlossen für die Umsetzung der Themen aus dem Peugeot-Urteil einsetzen. Ganz im Gegenteil! Wir haben bereits kurz nach der Entscheidung eine Sitzung der Fachgruppe durchgeführt und unsere gemeinsame Strategie festgelegt. Dazu gehörte, dass sich der ZDK an das Bundeskartellamt wendet. Das ist auch geschehen, allerdings wurde Stillschweigen über die Inhalte vereinbart. Die Fabrikatsverbände haben die für ihre Marken relevanten Themen ebenfalls aufgegriffen. Bei den Stellantis Marken bleibt abzuwarten, wie die Themen in die neuen Verträge einfließen. Bei den anderen Marken sind nicht alle Punkte übertragbar. Zudem muss man natürlich berücksichtigen, dass die aktuellen Probleme die Themen aus dem Urteil etwas in den Hintergrund gedrängt haben. Das bedeutet aber nicht, dass diese verschwunden wären.
VDA und ZDK - Zusammenarbeit
AUTOHAUS: Wie charakterisieren sie das Zusammenwirken zwischen VDA und ZDK? VDA-Präsidentin Hildegart Müller trennt sich aktuell von zahlreichen ihrer Geschäftsführer. Einer von ihnen, Dr. Kurt-Christian Scheel, wird zum 1.1.2023 neuer ZDK-Hauptgeschäftsführer.
T. Peckruhn: Wir hatten im Juli mit dem VDA voran der Präsidentin ein sehr gutes Gespräch. In den Hauptthemen wie Mobilität fahren wir in der gleichen Richtung. Wir haben gemeinsam der Politik gegenüber die Wünsche für die individuelle Mobilität massiver zu artikulieren. Denken sie an die Detailthemen E-Auto, Ladeinfrastruktur, Förderung der E-Mobilität etc.
Verteufelung des Autos
AUTOHAUS: Derzeit findet abermals eine gezielte Kampagne gegen das Auto statt. Es soll aus den Städten verbannt werden. Wie sieht die Forderung des ZDK aus?
T. Peckruhn: Das ist ein Thema, das wirklich gegensätzlich zur Realität steht. 70 Prozent unserer Autofahrer leben nicht in urbanen Zentren. Auch Corona hat gezeigt, wie wichtig individuelle Mobilität ist. Und sie muss bezahlbar bleiben.
Mit dem Dieselskandal hat eine Entwicklung gegen das Auto eingesetzt. Ja, da wirken derzeit einige radikale Kräfte. Die Entwicklung, in Innenstädten die eine und andere Fläche autofrei zu gestalten, um die Lebensqualität im Zentrum einer Stadt zu erhöhen, erleben wir seit fünfzig Jahren. Ein generelles Autoverbot für die Städte darf man nicht hinnehmen.
Automechanika - Bundestagung
AUTOHAUS: Sie treffen sich im Rahmen der "Automechanika" zur Bundestagung, zu der auch alle Obermeister geladen sind. Welche Botschaften sollen da gesetzt werden?
T. Peckruhn: Ich habe oben bereits die wichtigen Themen benannt. Die Botschaft ist aber auch, dass es mehr denn je einer starken Interessensvertretung bedarf. Eben auch vor Ort, in den Regionen, auf kommunaler Ebene. Die Grabenkämpfe zwischen Freien Werkstätten und Markenwerkstätten sollten ein Ende finden. Schulterschluss! Kooperation statt Konfrontation!
Herzlichen Dank für das Gespräch!