Die deutschen Autohändler beklagen eine Welle von Auftragsstornierungen durch Fahrzeughersteller. Normalerweise seien diese selten und erfolgten vor allem im Zusammenhang mit Modellwechseln, doch aktuell seien sie sehr viel häufiger, sagte der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn, am Donnerstag. "Es ist zunehmend ein Abenteuer, ob der Kunde das gleiche Auto bekommt, das er mal bestellt hat."
In einer Blitzumfrage des ZDK im Januar hätten 80 Prozent der 884 teilnehmenden Händler von Stornierungen berichtet. Die Betroffenen zählten im Schnitt 37 in den letzten drei Monaten. Hochgerechnet auf die bundesweit 14.600 fabrikatsgebundenen Betriebe sind dies rund 430.000 bestellte Fahrzeuge, die nun nicht mehr geliefert werden.
Das seien außergewöhnlich hohe Zahlen, sagte Peckruhn. Normalerweise gebe es das nur vereinzelt - vielleicht zwei bis fünf Mal pro Autohaus und Jahr. In einem ihm bekannten Fall seien einem Händler jetzt aber 100 Fahrzeuge aus einem Großkundengeschäft gestrichen worden. "Da kann man sich vorstellen, was der Kunde dem Händler sagt." Hinzu komme das entgangene Geschäft für das Autohaus, für das die Händler meist keinen Ersatz bekämen.
Peckruhn weiter: "Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Hersteller und Importeure möglicherweise ihre Probleme auf den Handel und die Kunden abwälzen, die für diese Probleme gar nichts können und durch lange Lieferzeiten schon genug gebeutelt sind. Wenn ich als Hersteller einen Auftrag annehme, dann muss ich auch dafür sorgen, dass das Fahrzeug gebaut und geliefert wird, Halbleiterkrise hin oder her."
Das habe nicht nur negative Konsequenzen für die Rentabilität der Händler aufgrund des Entzugs eines wichtigen Teils der Geschäftsgrundlage. Auch die Kundenzufriedenheit, an der bei den meisten Fabrikaten ein Teil der Vergütung für die Händler hängt, werde massiv leiden, betonte der Branchenvertreter. Darüber hinaus ignorierten Hersteller und Importeure teilweise den Fakt, dass mit Annahme einer Bestellung ein rechtskräftiger Vertrag zustande gekommen sei, der nicht ohne weiteres einseitig geändert oder storniert werden könne.
Auch in Sachen Ausgleich für den Handel aufgrund dieser Stornierungen zeigen sich die betroffenen Händler laut Befragung unzufrieden: Rund 80 Prozent gaben an, dass es keine entsprechende Kompensation oder Hilfe vom Hersteller oder Importeur gegeben habe. "Diese Situation ist für den Fabrikatshandel untragbar, und das vor dem Hintergrund eines massiven Einbruchs der Pkw-Neuzulassungszahlen, die im vergangenen Jahr um rund eine Million Einheiten unter dem Vorkrisenjahr 2019 lagen", so Peckruhn . "Wer als Hersteller oder Importeur immer wieder partnerschaftliches Miteinander mit den Handelsorganisationen postuliert, ist spätestens jetzt in der Pflicht zu handeln."
Herbert Johannsen
Charly