Von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat
Wilfried Wilhelm Anclam weiß, wie man Empfang inszeniert, live vor der Firmenzentrale der Autoland AG in Leipzig-Brehna. Man wird von ihm selbst abgeholt. Auffällig ist die stilvolle Herbst- und Winterbepflanzung am Zentraleingang - oder das originelle Weihnachtsgebäck in der Empfangs- und Besprechungslounge.
Anclam ist seit 2007 als Gastdozent und Mäzen der Hochschule Geislingen tätig und dokumentiert als Vorspann zum Interview am Großbildschirm diverse Charts aus dem Leistungsjahr 2020. Autoland ist in Ostdeutschland mit 24 Standorten und 1.000 Mitarbeitern tätig. Der Jahresumsatz liegt bei 430 Millionen Euro, und über das selbst entwickelte "Vertriebssystem Autoland-Anclam" werden in diesem Krisenjahr über 30.000 Einheiten vermarktet.
AUTOHAUS: Wie charakterisiert der Vorstandsvorsitzende der Autoland AG das Corona-Jahr 2020?
W. W. Anclam: 2020 war das beste Jahr für Autoland. Wir konnten den bislang besten Gewinn aus 2019 erneut um 50 Prozent steigern.
Corona-Anpassungen
Die Monate März, April, Mai werden sicher nicht schadlos an Autoland vorbeigegangen sein?
W. W. Anclam: In den Monaten März und April haben wir jede Woche eine Million Euro verloren. Wir konnten das aber im Nachgang egalisieren.
Sie drückten im Mai voll aufs Gas. Woher kam der Impuls für diesen Frühstart?
W. W. Anclam: Einer Zeit der Entbehrung folgt eine Zeit des Wiedergewinnens. Das war mir Ende April bewusst. Das war der entscheidende Funke, der übersprang.
Welche Anpassungen galt es in der strengen Corona-Zeit zu treffen?
W. W. Anclam: Wir mussten die Mitarbeiter auf Kurzarbeit setzen. Das war bislang meine emotional schwierigste unternehmerische Entscheidung. Das war der erste Teil. Die Anpassung lag dann in Folge darin, die Mitarbeiter peu à peu wieder zurückzuholen. Wir konnten aber 2020 sämtliche Corona-Verluste der Mitarbeiter über Bonuszahlungen nahezu ausgleichen.
Sie haben 1.000 Mitarbeiter, wie wurde von diesen die Kurzarbeit aufgenommen?
W. W. Anclam: Das war für die Mitarbeiter eine brutale Herausforderung. Dieses Zu-Hause-warten-müssen. Diese Unbestimmtheit, wie lange wird das andauern, wie wird es weitergehen? Das - so habe ich aus den Mitarbeitergesprächen vernommen - war für alle eine sehr schwierige Situation.
Corona und Marketing
Sie verfügen über ein gigantisches Marketingbudget. Wie haben Sie in der Krise reagiert?
W. W. Anclam: Wir haben die Marketingkosten sofort für sechs Wochen auf null gesenkt und dann wieder hochgefahren. Das war ein Spareffekt.
Sie sind Großkunde bei Santander. Wie wurden hier die Anpassungen gestaltet?
W. W. Anclam: Da kam sofortige Unterstützung. Die Zahlungsziele wurden um drei Monate prolongiert. Da kann ich wirklich vor und während Corona auf ein partnerschaftliches zuverlässiges Zusammenwirken zurückschauen.
Beteiligen sie sich mit Autoland an der neuen Autobörse von Santander?
W. W. Anclam: Im Moment noch nicht. Wir werden dazu 2021 konkrete Gespräche führen.
Corona und Investitionen
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf das Investitionsverhalten von Autoland?
W. W. Anclam: Auch hier haben wir diverse Investitionsmaßnahmen während Corona drastisch zurückgefahren. Ab Mai haben wir den Investitionsplan wieder so fortgesetzt wie zuvor. Ich darf sagen, aufgrund der positiven Ertragsentwicklung haben wir diesen inzwischen sogar intensiviert.
Sind weitere Standorte von Autoland zu erwarten?
W. W. Anclam: Wir haben inzwischen weitere Standorte hinzugekauft. Unser Ziel steht, dass wir bis 2024/2025 in den neuen Bundesländern alle 30 Kilometer einen Standort haben werden. Das wären dann 50 Betriebe, aktuell stehen wir bei 24.
Sie hatten ja mal die Expansion in den Westen der Republik angedeutet?
W. W. Anclam: Wenn wir die Durchdringung in Deutschland Ost stehen haben, folgt Deutschland West.
Corona und internationaler Einkauf
Sie sind in der internationalen Einkaufsszene aktiv unterwegs. Wie hat sich hier Corona gezeigt?
W. W. Anclam: In der Corona-Zeit ist das internationale Geschäft komplett zum Erliegen gekommen. Es waren auch keine Transportmöglichkeiten da. Die Grenzen waren geschlossen. Das hat sich aber ab Mai wieder gebessert. Im Juni waren wir schon wieder fast auf Normalstand. Und ab Juli haben wir erheblich mehr Fahrzeuge zugekauft, als wir sonst einkaufen. Entsprechend positiv zeigte sich der Verkaufsverlauf.
Corona und Fahrzeugbestand
Wie gestaltete sich die Fahrzeug-Bestandsentwicklung? Die Standtage?
W. W. Anclam: Normalerweise wollen wir immer gut 10.000 Fahrzeuge vorrätig haben. Aufgrund der extrem guten Absatzzahlen ist uns das ab Juli nicht mehr gelungen. Es ging runter auf 5.000 Fahrzeuge. Aktuell stehen wir bei 8.500. Dadurch haben sich auch die Standzeiten gemindert. Von einer gesunden Standzeit zwischen 75 und 90 Tagen sind wir aktuell auf 49 Tage gesunken.
Corona und Zukunft
Lockdown light im November und Dezember, jetzt noch die harte Variante. Wie gehen sie damit unternehmerisch um?
W. W. Anclam: Wir können sagen, dass die Light-Variante keinen belastenden Einfluss gezeigt hat. Wir haben ein höheres Verkaufsniveau als in den Vorjahren. Die Auswirkungen im Dezember müssen wir sehen. Wenn wir nicht schließen müssten, kämen wir im Dezember zu einem besseren Monat als im Dezember 2019.
Welche Erfahrungen haben sie quer über alle ihre Standorte in Sachen Fahrzeugzulassungen 2020 gemacht?
W. W. Anclam: Berlin ist ein schlimmes Beispiel. Da warten die Kunden teilweise vier Wochen auf ihre Fahrzeugzulassung. An den anderen Standorten gab es gute und weniger gute Situationen.
Wie sehen sie die Perspektiven für Ihr Unternehmen in 2021?
W. W. Anclam: Wenn wir die Ergebnisse von 2020 in 2021 fortsetzen können, betrachten wir das als Erfolg. Wir werden in 2021 einige neue Standorte eröffnen und erwarten uns da weitere positive Umsatzentwicklung. Unser großes Ziel ist, dass wir in 2024 bei einer Milliarde EUR Umsatz stehen und dann p.a. 70.000 Autos im Jahr vermarkten.
Wo steht Autoland in Sachen Digitalisierung?
W. W. Anclam: Bei der Digitalisierung im Inneren sind wir sehr gut dabei. Vom Controlling über das Personalwesen bis zu den IT-Programmen u.a. Nach Außen werden wir gerade im Online-Direktvertrieb mehr Gas geben. Dazu brauchen wir etwa noch ein Jahr.
Wie stellen Sie sich auf die E-Mobilität ein?
W. W. Anclam: Wir bewegen uns hier für unseren Bereich in einer kleinen Marktnische, mit wenig profitabler Ausrichtung. Wir beobachten das und sind dann bei besseren Ertragsperspektiven dabei.
Arbeitet Autoland an einem eigenen Auto-Abo?
W. W. Anclam: Wir beschäftigen uns damit. Bei entsprechender Gesamtmenge braucht man das. Für uns ist das ab 2022 oder 2023 möglich.
Welche Schwerpunkte raten Sie der Branche im nächsten Jahr zu setzen?
W. W. Anclam: Es mag anmaßend klingen. Wer ein Autohaus mit einem oder zwei Standorten hat, sollte einen Verkauf erwägen. Das liegt daran, dass man heute in Sachen Digitalisierung, IT, Marketing und Finanzmanagement spezielles Personal benötigt. So es möglich ist, wären Kooperationen angesagt. Die Zeit spielt für größere Betriebe. Im Handel selbst ist es notwendig, größer zu werden, um nicht in der Nische stehen zu bleiben. Die Digitalisierung schafft weitere Möglichkeiten. Aber nur für die Betriebe, die sich das personell und finanziell leisten können.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Roland