Von Caroline Bock und Ulrike von Leszczynski/dpa
Vor ein paar Wochen wurde sie in Südafrika überfallen. Handy, Kreditkarte, Tablet - alles weg. Heidi Hetzer erzählte noch davon, wie sie die Diebe mit dem Auto in den Straßen von Kapstadt verfolgte. Mit 81 Jahren. Kurz danach posierte sie gut gelaunt neben der "Pink Lady". So hieß der Landcruiser, mit dem sie in Afrika unterwegs war. Ihre Fans verfolgten solche waghalsigen Abenteuer gern im Internet. Nun steht auf ihrer Seite: "Ich lebe nicht mehr, aber ich habe gelebt."
Gerade erst war Heidi Hetzer in ihre Heimat Berlin zurückgekehrt. Dort wurde sie tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Eine traurige wie überraschende Nachricht, denn sie wirkte bis zuletzt sehr fit. Sie starb an Ostern in ihrer Wohnung, wie die Familie am Dienstag mitteilte. Die genaue Todesursache sei noch nicht bekannt, aber es deute alles auf Altersschwäche oder einen Unfall hin, so Hetzers Kinder weiter.
Die ehemalige Autohändlerin und leidenschaftliche Rallye-Fahrerin wurde mit ihrer Oldtimer-Weltreise zum Promi, nicht nur in Berlin. Die Presseberichte über sie dürften viele Ordner füllen. Sie hatte Benzin im Blut - und zwar sehr viel. Die Handtasche in Autoform war ihr Markenzeichen. Ihre Autos hat sie selbst repariert. Einmal geriet sie dabei mit der Hand in den Motor, der kleine Finger musste amputiert werden. Für sie kein Grund aufzugeben.
Sie düste durchs Leben
Hetzer ging nicht, sie düste durchs Leben. Sie hatte eine ungewöhnliche Biografie für eine Frau ihrer Generation: Sie lernte Kfz-Mechanikerin, mit 31 Jahren übernahm sie 1969 das Unternehmen ihres Vaters und baute es zu einem der größten Autohäuser Berlins aus. "Ich kann nur Autos", sagte sie dazu. Nach dem Krisenjahr 2008 trennte sich Hetzer 2012 nach 40 Jahren von ihrem Opel-Geschäft. "Ja, Mama, was machst du denn jetzt?", haben ihre Kinder gefragt.
Es kam noch einmal das ganz große Abenteuer. Mit einem Opel Rekord Baujahr 1964 war sie bereits 2007 in sechs Wochen von Düsseldorf nach Shanghai gereist. Ihr Kommentar: "Das war eine Kaffeefahrt." Im Juli 2014 dann die Weltreise. Ihr Vorbild war die Rennfahrerin Clärenore Stinnes, die in den 20er Jahren auf eine ähnliche Tour ging.
Im Internet gab es zu Hetzers Plan anfangs hämische Kommentare über die "alte Schachtel" mit dem "alten Auto" - und wen das überhaupt interessiere. Danach war Hetzer "völlig erledigt". Bevor sie sich besann und zurückschrieb. Ihr Punkt war: "Ich will ein Vorbild sein für alte Menschen, dass sie auch etwas unternehmen: Runter von der Couch."
Mit Oldtimer "Hudo", Baujahr 1930, war sie zwei Jahre und sieben Monate unterwegs. Keiner ihre männlichen Beifahrer hielt durch. Der petrolfarbene Oldtimer schluckte 17 Liter auf 100 Kilometer, blieb liegen, verschliss Motoren und Ersatzteile. Heidi Hetzer verzieh ihm alles wie einem tattrigen Ehemann. "Hudo" ließ sie weder in der afrikanischen Wüste im Stich noch bei eiskalten Bergüberquerungen in Asien.
Berliner Schnauze
Bei ihrer Rückkehr im März 2017 warteten mehrere Hundert Fans auf sie am Brandenburger Tor, sie vergoss Tränen und stieg zur Begrüßung auf die Motorhaube. Heidi Hetzer konnte sehr resolut sein, eine Berliner Schnauze, sehr geradeaus. Als sie wegen einer Bemerkung im ZDF-Morgenmagazin als rassistisch kritisiert wurde, zeigte sie Reue.
2018 stiftete Heidi Hetzer einen Löwenkopf für das Berliner Schloss. Sie bestand nach ihrer Weltumrundung 2017 aber darauf, die männliche Mähne abzuschlagen. Bei den Tagen der offenen Baustelle konnten Besucher im obersten Reliefband zwischen zahlreichen Löwenköpfen so auch eine Löwin entdecken.
Im Herbst danach brach Heidi Hetzer zu ihrem letzten Abenteuer nach Afrika auf, mit einem Auto ohne Motor mit Elektronik, einem Hubdach zum Schlafen, einem Kühlschrank, Wasser und Kocher. Das Auto war pink beklebt. "Die hässlichste Farbe für Männer, damit sie ihn mir nicht klauen - und wenn, ist er schnell wieder zu finden", meinte Hetzer.
Viel gesehen auf ihren Reisen
Die Reisen haben sie tief beeindruckt. "Es gibt hier so viel zu sehen. Man würdigt alle Dinge, die wir in Europa haben, viel mehr, wenn man sie plötzlich nicht mehr hat", schrieb sie vor Weihnachten der Deutschen Presse-Agentur.
Im Herbst 2019 wollte sie von einem Zwischenstopp in Deutschland zurück nach Kapstadt, so war damals der Plan. Von Angola aus sollte es auf der Westseite Afrikas nach Marokko gehen. Sie wünsche sich nur Gesundheit, so Hetzer damals. "Ich merke schon, dass mir alles etwas schwerer fällt. Aber geht nicht, gibt's nicht."
Peter Guzberg