Sachmängelhaftung: Vorsicht, Falle!

Der BGH hat mit Urteil vom 26.10.2016 (Az. VIII ZR 240/15) im Ergebnis eine Entscheidung des OLG Schleswig bestätigt, die dem gewerblichen Kfz-Verkäufer bei nur sporadisch auftretenden Fehlern verschärfte Prüfungspflichten auferlegt, wenn es sich um Mängel im sicherheitsrelevanten Bereich handelt. Lässt sich ein solcher Mangel wegen des "Vorführeffekts" nicht unmittelbar feststellen, muss der Verkäufer das Fahrzeug erforderlichenfalls auch über einen längeren Zeitraum prüfen. Ein bloßer Verweis des Käufers darauf, sein Fahrzeug bei erneutem Auftreten des Fehlers wieder vorzuführen, wird für den Käufer als unzumutbar beurteilt mit der Folge, dass er unabhängig von der Höhe später festgestellter Reparaturkosten unmittelbar und ohne vorangehende Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt ist. Der Fall Es ging um einen unerfreulich aufwändigen, letztlich aber in den Einzelheiten nicht ungewöhnlichen Fall der Sachmängelhaftung: Der Kunde kaufte beim Händler einen Volvo V 50 mit 81.500 km für 12.300 Euro. Im Zeitraum von sechs Wochen nach Übergabe reklamierte der Kunde Geräusche der Kupplung und Probleme beim Bremsen. Der Händler erneuerte die Kupplung und tauschte den Bremskraftverstärker. Die ursprünglichen Reklamationen waren damit behoben. Nunmehr erklärte der Kunde aber, dass jetzt das Bremspedal klemme. Der Bremskraftverstärker wurde hieraufhin nochmals getauscht, was den Kunden aber nicht zufrieden stellte. Gut zwei Monate nach Übergabe kam er erneut mit dem Fahrzeug zur Werkstätte des Händlers, bemängelte wiederum die Bremsen und teilte außerdem mit, dass das Kupplungspedal bei der Betätigung hängen geblieben sei und mit dem Fuß zurück in die Ausgangsposition gezogen werden musste. Der Meister machte eine Probefahrt, konnte aber keinen Mangel feststellen, insbesondere auch keine Fehlfunktion des Kupplungspedals. Ab diesem Punkt gehen die Darstellungen der Parteien auseinander: Der Händler behauptete, der Kunde sei aufgefordert worden, das Fahrzeug erneut vorzustellen, wenn der Mangel wieder auftritt; der Kunde behauptete, der Händler habe das Auto für in Ordnung befunden und unmittelbar jede weitere Reparatur und auch eine entsprechende Bestätigung abgelehnt. Jedenfalls meldete der Kunde am Folgetag - einem Samstag - im Büro des Händlers, dass das Kupplungspedal erneut hängen geblieben sei. Die Werkstätte arbeitete am Wochenende nicht, sodass eine Überprüfung des Fahrzeuges nicht erfolgen konnte. Mit E-Mail vom selben Tag wurde der Händler aufgefordert, innerhalb einer Woche seine Reparaturbereitschaft mitzuteilen. Bereits zu Beginn dieser Woche ließ der Kunde mit Anwaltsschreiben den Rücktritt vom Gebrauchtwagenkaufvertrag erklären. Er klagte auf Rückabwicklung und Schadensersatz wegen Aufwendungen und Nutzungsausfall. Klageabweisung in 1. Instanz Der vom Landgericht Kiel beigezogene Sachverständige bestätigte den mangelfreien Zustand der Bremsanlage, konnte aber den sporadisch auftretenden Fehler am Kupplungspedal tatsächlich feststellen, welches zeitweise im durchgetretenen Zustand hängen blieb. Um die in der Kolbenstange des Kupplungsgeberzylinders vermutete Ursache zu verifizieren, erneuerte der Sachverständige den Geberzylinder für 433,49 Euro, wodurch der Mangel behoben war. Das Landgericht ging davon aus, dass der festgestellte Mangel bei Übergabe des Fahrzeuges bereits vorhanden war, den Kläger aber unabhängig von allem Weiteren nicht zum Rücktritt berechtigte. Nach den Vorgaben des BGH sei von einer den Rücktritt ausschließenden unerheblichen Pflichtverletzung des Verkäufers auszugehen, da die Reparaturkosten weniger als 5 Prozent des Gebrauchtwagenkaufpreises betragen. Der Kläger hatte somit in 1. Instanz keinen Erfolg. OLG Schleswig Das OLG Schleswig kam zu einer völlig abweichenden Beurteilung (Az. 17 U 43/15). Es hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung des um die Nutzungsvorteile gekürzten Kaufpreises sowie zur Zahlung von Schadensersatz für Kosten einer Gebrauchtwagengarantie, Nutzungsausfall und Rechtsanwaltskosten, insgesamt ca. 15.000 Euro zuzüglich Zinsen. Das OLG geht von einem wirksam erklärten Rücktritt aus. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Händler die Behebung des Defekts am Kupplungspedal tatsächlich abgelehnt hat. Auch dann wenn er den Kunden aufgefordert hat, sich bei erneutem Auftreten des Defekts wieder zu melden, ist dies in den Augen des OLG als ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung zu werten. Maßgeblich stellt ein Hängenbleiben des Kupplungspedals einen Mangel dar, der akut die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges betrifft. Behauptet der Kunde einen solchen Mangel, muss der Händler dem tauglich nachgehen. Erforderlichenfalls hat er das Fahrzeug einzubehalten und über einen angemessenen Zeitraum zu überprüfen, ob sich der Mangel erneut zeigt. Bietet er dies nicht an, ist dem Kunden in Anbetracht bestehender Unfallgefahr ohne nochmalige Aufforderung zur Mangelbehebung und ohne Fristsetzung unmittelbar der Weg zur Rücktrittserklärung eröffnet. Einen vom Landgericht angenommenen Ausschluss des Rücktritts wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung lehnt das OLG ab. Nachdem die Mangelursache zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung für beide Parteien völlig ungeklärt war, stellt es zur Beurteilung der Pflichtverletzung nicht auf die erst später bekannt gewordenen Mängelbeseitigungskosten ab, sondern auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung im Störungsfall. Bei bestehender Unfallgefahr scheidet eine nur unerhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers demnach aus. Das OLG ließ aber die Revision zu, weil zur Frage der Überprüfung von nicht reproduzierbaren Mängeln bislang keine einschlägige Rechtsprechung vorlag. Bestätigung durch den BGH Der BGH bestätigte mit Urteil vom 26.10.2016 die Entscheidung des OLG, insbesondere die Einwertung des Defekts der Kupplung als sicherheitsrelevanten Mangel und vorliegend die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vor Erklärung des Rücktritts. Letzteres allerdings mit etwas modifizierter Begründung. Im Hinblick darauf, dass der Händler weder den Mangel des Kupplungspedals bestritten noch eine Reparatur bei Wiederauftreten abgelehnt hatte, geht der BGH nicht von einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Nacherfüllung aus, sondern stellt alleine auf eine in Anbetracht der fehlenden Verkehrssicherheit des Fahrzeuges für den Kunden bestehende Unzumutbarkeit ab, sich auf eine nochmalige Untersuchung und Abhilfe erst dann verweisen zu lassen, wenn der Mangel erneut auftritt und vorgeführt werden kann. Am Ergebnis ändert diese im Detail abweichende Begründung jedoch nichts. Mit der Revision wurde auch der Einwand zurückgewiesen, der Kläger habe sich mit der Reparatur des Mangels durch den Sachverständigen einverstanden erklärt und somit auf die Wirkungen des Rücktritts nachträglich verzichtet. Hierfür erforderliche Feststellungen in den Tatsacheninstanzen lagen nicht vor und konnten mit der ausschließlich auf die Prüfung von Rechtsfehlern beschränkten Revision deshalb nicht behandelt werden. Kurzfassung 1. Nur sporadisch auftretende Mängel, die nicht unmittelbar festgestellt werden können, erfordern im Rahmen der Nacherfüllung eine differenzierte Behandlung.2. Handelt es sich nach der Beschreibung des Kunden um Fehler im sicherheitsrelevanten Bereich, genügt der Händler seiner dann umfänglichen Prüfungspflicht nur dann, wenn er das Fahrzeug auch über einen angemessenen Zeitraum untersucht.3. Fordert der Händler den Kunden lediglich auf, wiederzukommen, wenn der Mangel sich erneut zeigt, ist der Kunde bei tatsächlichem Vorliegen des sicherheitsrelevanten Fehlers unmittelbar zum Rücktritt berechtigt, ohne dass es noch mal einer vorangehenden Fristsetzung zur Prüfung und Behebung des Mangels bedarf. Kommentar Nur sporadisch auftretende Fehler haben die Werkstätten schon immer besonders gefordert. In der Praxis erwarten die Kunden, dass mit dem Diagnosesystem jeder Mangel des Fahrzeuges unmittelbar analysiert und lokalisiert werden kann. Es ist ihnen schwer verständlich, dass dies tatsächlich selbst dann nicht immer möglich ist, wenn ein Fehler im Speicher hinterlegt ist. Die Rechtsprechung hat hierauf schon reagiert, indem sie dem Händler bzw. der Werkstätte in besonderen Fällen auch mehr als zwei Nacherfüllungsversuche zugesteht. Die vorliegende Entscheidung verpflichtet im Bereich sicherheitsrelevanter Mängel aber zu einem bereits anfänglich umfassenden Aufwand. Dem Kunden muss zunächst einmal Glauben geschenkt und eine umfassende Untersuchung vorgenommen werden. Erst wenn eine Reproduktion des Fehlers auch über einen längeren Zeitraum nicht erfolgen konnte, hat die Werkstätte das Erforderliche getan.Robert Glocker, Rechtsanwalt

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