Ausgabe 09/2011: Unfaire Praktiken

kfz-gewerbeUnfaire PraktikenVerbände E ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann kämpft an vielen Fronten. Ein Gespräch. Von Doris Plateantje Woltermann hat viel um die Ohren. Die Leiterin der Abteilung Betriebs- und Volkswirtschaft des ZDK ist auch Geschäftsführerin einiger Fabrikate und der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen. AUTOHAUS sprach mit ihr über GVO, neues Geschäftsmodell und europäische Politik. AH: Frau Woltermann, der Tag der Entscheidung naht. Alle Fabrikate, die die Verträge kündigen wollen, müssen das bis Ende Mai tun. Erwarten Sie viele Kündigungen? A. Woltermann: Nein. BMW muss z. B. nicht kündigen, weil das Fabrikat befristete Verträge bis 2013 hat. Peugeot und Citroen haben schon neue Verträge. Bei Toyota und Suzuki sind die Vertragsgespräche abgeschlossen. Bei Ford, Opel, Mazda, Jaguar und Land Rover laufen Vertragsgespräche. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es zu keinen Kündigungen kommt. AH: Warum halten Hersteller/Importeure sich damit so zurück?A. Woltermann: Ich glaube, die meisten bauen darauf, dass sie die Änderungen einvernehmlich herbeiführen können. Das hätte ich vor zwei Jahren nicht geglaubt, aber inzwischen sieht es so aus. Wer schreibt, der bleibtAH: Dennoch gibt es Fabrikate, die eine Verschärfung der Vorschriften v. a. bei den Anforderungen an Mehrmarkenbetriebe vorbereiten. Was raten Sie den Händlern zum Schutz ihrer Investitionen?A. Woltermann: Die Händler sollten sich von ihrem Hersteller und/oder Importeur schriftlich geben lassen, dass sie auch nach dem 1. 6. 2013 die Marken, die sie jetzt haben, in dieser Form vertreten können. Das ist das Einzige, was man tun kann. Außerdem empfehle ich, rechtzeitig Gespräche mit der Bank zu führen, für den Fall, dass es da Probleme gibt. Denn wenn man investieren muss, um seine Marken behalten zu können, sollte man das rechtzeitig vorbereiten. AH: Der ZDK bemüht sich auf politischer Ebene, hier noch etwas zu retten. Was wird getan, welche Chancen sehen Sie?A. Woltermann: Nicht nur via ZDK, auch auf europäischer Ebene führen wir Gespräche zum Mehrmarkenvertrieb mit der EU-Kommission. Cecra hat eine Analyse zum Mehrmarkenvertrieb in Europa in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden voraussichtlich beim Automotive Dealer Day Mitte Mai in Verona vorgestellt. Wenn wir bei der EU-Kommission etwas erreichen wollen, müssen wir unser Anliegen mit Zahlen untermauern können. Das Zweite, was wir angestoßen haben, ist die Erweiterung der Handelsvertreterrichtlinie. Das wird aber beim Mehrmarkenhandel nicht direkt helfen, „nur“ beim Investitionsschutz. Damit würde das Thema des Mehrmarkenvertriebs aber auch abgeschwächt. Für diesen Vorstoß sehe ich gute Chancen. Ich weiß aber nicht, ob das noch bis 2013 klappt. AH: Beim neuen Geschäftsmodell ist es zurzeit nach außen hin sehr ruhig. Wie ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme aber mitteilte, wird bei einigen Fabrikaten verhandelt, andere haben schon Musterkostenrechnungen anfertigen lassen. Wo liegen die Knackpunkte?A. Woltermann: Das ist unterschiedlich. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir bis zum Jahresende mehr sagen können. So lange dauert das, denn das Prozedere ist langwierig: Zuerst sprechen wir mit den Fabrikatsverbänden, dann stimmen wir mit dem Vorstand eine Strategie ab. Dann machen wir unsere Simulationsrechnungen für unterschiedliche Situationen. Und dann entscheiden wir gemeinsam, was der Vorschlag des Händlerverbandes zur Optimierung der Strukturen sein muss. Der nächste Schritt ist, auf den Hersteller/Importeur zuzugehen. Dann muss man sich abstimmen wegen der Berechnung. Es ist ein langer Weg. Trotzdem glaube ich, dass wir bei einigen Fabrikaten durchaus ein gutes Ergebnis erzielen können. Bei einigen bin ich da ganz optimistisch, bei anderen wird sich aber nichts verändern. Auch andere Länder kämpfenAH: Auch auf europäischer Ebene sind Sie aktiv bei den European Car Dealers (ECD). Was sind dort derzeit die wichtigsten Themen?A. Woltermann: Das Hauptthema ist die Situation im Vertrieb ab 2013. Da geht es um Handelsvertreterrichtlinie, Mehrmarkenvertrieb. Dann: Was passiert in den anderen Ländern zum Thema Kündigung? Wie werden die Standards dort geändert? Wie sieht es aus mit neuen Margensystemen? Was den Vertrieb angeht, gibt es eine interessante Entwicklung: Jahrelang war es so, dass wir als Deutsche enorme Probleme hatten, weil es bei uns schlecht lief. Jetzt ist es umgekehrt: In vielen Ländern läuft es nicht gut, in Deutschland verdienen die Händler aber wieder Geld. Bei der letzten Sitzung waren wir uns dennoch einig, dass die Standards angepasst werden müssen. Der Trend geht derzeit dahin, dass die Standards bei allen Fabrikaten erhöht werden. Das zieht Investitionen nach sich und gefährdet die Verdienstmöglichkeiten im Neuwagenvertrieb. Deshalb muss man sich auch auf europäischer Ebene Gedanken über andere Geschäftsmodelle machen.AH: Heißt das, dass das deutsche Modell auch in Europa diskutiert wird?A. Woltermann: Ja, aber nicht nur das deutsche. Die Holländer haben einen anderen Ansatz. Hier stimmen wir uns ab. Radikales holländisches ModellAH: Wie sieht das holländische Modell aus?A. Woltermann: Das holländische Modell schlägt ein ganz anderes System vor: Wenige exklusive Gebiete, die reinen Neuwagenhändlern zugeordnet werden. Daran angeschlossen gibt es in dem Gebiet ein paar GW-Zentren. Service ist noch einmal getrennt. Also Entbündelung des Geschäftes und hin zur Exklusivität. Insofern ist der holländische Ansatz wesentlich radikaler als unserer. Unserer ist ja eine Fortentwicklung. AH: Sind das die beiden einzigen Modelle in Europa?A. Woltermann: Die beiden sind am weitesten. Es diskutieren aber auch andere Länder, zum Beispiel Skandinavien.AH: Was kommt in den nächsten Jahren an neuen europäischen Vorstößen auf die Händler zu?A. Woltermann: Es gibt zurzeit zwei Dinge, die in Europa interessant sind: Das Erste ist die Verbraucherrichtlinie, bei der es insbesondere um das Thema Internet-Vertrieb und Rückgaberecht geht. Das hat natürlich bei anderen Konsumgütern noch ganz andere Konsequenzen als bei Autos. Da hat die EU-Kommission teilweise Vorstellungen, die nicht unbedingt nachvollziehbar sind. Als Zweites beschäftigt sich die EU-Kommission derzeit mit der Untersuchung von unfairen geschäftlichen Praktiken und sammelt Beispiele. In diesem Zusammenhang ist sie auch auf unsere Branche aufmerksam geworden. Die EU-Kommission will das analysieren und prüfen, ob sich daraus neue Regelungen ergeben müssen. AH: Frau Woltermann, herzlichen Dank für das Gespräch! KurzfassungAntje Woltermann geht davon aus, dass es wenige Vertragskündigungen geben wird, weil die Fabrikate die Änderungen einvernehmlich herbeiführen können. Allen Mehrmarkenbetrieben empfiehlt sie, sich den aktuellen Status quo schriftlich bestätigen zu lassen. Auf europäischer Ebene bemühen sich die Verbände um die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen. kfz-Gewerbe

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