Ausgabe 06/2009: Sieg der Vernunft

Sieg der VernunftDieselpartikelfilter E Fehlende Eignung von DPF für den Kurzstrecken-verkehr ist kein Mangel. AUtohaus juristen rechtsanwälte G. Haug & PartnerDie in der Praxis häufig auftretenden Probleme mit Dieselpartikelfilter-Fahrzeugen im überwiegenden Kurzstreckenbetrieb können nach einer aktuellen Entscheidung des BGH von den Autohäusern wieder gelassener gesehen werden. Ob es um Dieselfahrzeuge von Krankenpflegediensten, Paketlieferfahrzeuge oder auch nur um Privatkunden mit gewohnt kurzen Fahrtstrecke geht, immer wieder verlangen betroffene Kunden die Rückabwicklung ihrer Fahrzeugkaufverträge, weil nach mehrfachem Abbruch des Reinigungszyklus im Kurzstreckenverkehr der Motor des Fahrzeuges in den Notlaufbetrieb schaltet mit entsprechend verminderter Leistung und der Notwendigkeit zur Durchführung der Reinigung des Dieselpartikelfilters in der Werkstatt.Zur Begründung des Rückabwicklungsverlangens konnten sich die Käufer solcher Fahrzeuge bislang auf ein Urteil des OLG Stuttgart vom 04.06.2008 berufen. Abgestellt auf die Erwartung eines durchschnittlichen Käufers war es dort als Sachmangel beurteilt worden, dass Dieselpartikelfilter-Fahrzeuge gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen ohne solchen Filter im Kurzstreckenverkehr nur beschränkt einsatzfähig sind. Dieses Urteil wurde nunmehr vom BGH aufgehoben und mit deutlichen Vorgaben zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen.Der konkrete FallDas beklagte Autohaus hatte einen Opel Zafira mit DPF verkauft. Der Kunde benutzte dieses Fahrzeug überwiegend im Kurzstreckenverkehr. Insgesamt kam es bei einer Fahrtstrecke von ca. 28.000 Kilometern 14-mal zu Störungen durch Verstopfung des Dieselpartikelfilters und Notlaufbetrieb. Nach Behauptung des Klägers ist das Dieselpartikelfilter-System des Herstellers, zumindest aber die im konkreten Fahrzeug verbaute Anlage mangelhaft. Die Notwendigkeit einer Durchführung des Reinigungszyklus sei vorangehend jeweils nicht durch die Kontrollleuchte angezeigt worden. Der Klage auf Rücknahme des Fahrzeuges und Erstattung des Kaufpreises wurde in erster Instanz ohne Beweisaufnahme stattgegeben.Das Autohaus berief sich vergeblich auf die Betriebsanleitung und den gleichen Stand der Technik der Dieselpartikelfilter-Anlagen aller Hersteller mit der Notwendigkeit, den Filter im Fahrbetrieb regelmäßig bei erhöhten Betriebstemperaturen frei zu brennen. Auf die Rüge der unvollständigen Tatsachenfeststellung zog das OLG Stuttgart im Berufungsverfahren des Händlers einen Gutachter bei. Der Sachverständige bestätigte bekannte Probleme mit der Regeneration von Dieselpartikelfilter-Fahrzeugen im Kurzstreckenbetrieb. Gleichzeitig bestätigte er aber auch, dass aktuell kein Fahrzeughersteller über eine Lösung verfügt, welche Dieselmotoren mit Partikelfilter uneingeschränkt als kurzstreckentauglich erscheinen lassen.Das OLG Stuttgart bestätigte die Rückabwicklung mit der Begründung, das Fahrzeug eigne sich nicht für die gewöhnliche Verwendung und weise nicht die Beschaffenheit auf, die „ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher als Käufer“ eines Dieselfahrzeuges üblicherweise erwarten dürfe. Prüfungsmaßstab seien hierbei alle Dieselfahrzeuge und nicht nur solche mit Partikelfilter. Deshalb komme es nicht auf den Stand der DPF-Technik an, sondern darauf, dass „ein durchschnittlicher Verbraucher ohne weitere Hinweise seitens der Kfz-Hersteller oder Händler davon ausgehen kann, dass ein Fahrzeug mit Dieselmotor – ebenso wie ein solches mit Benzinmotor – grundsätzlich ohne technische Probleme im Kurzstreckenbetrieb uneingeschränkt verwendbar ist“.Die BGH-EntscheidungDer BGH hat einer solchen Beurteilung zu Recht eine deutliche Absage erteilt. Mit Urteil vom 04.03.2009 (VIII ZR 160/08) hat er klargestellt, dass die Erforderlichkeit von Regenerationsfahrten bei Verwendung eines Dieselfahrzeuges mit Partikelfilter im Kurzstreckeneinsatz keinen Mangel darstellt. Als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung können nach den kaufrechtlichen Bestimmungen nur „Sachen der gleichen Art“ herangezogen werden. Gerade wenn es um den Dieselpartikelfilter als behauptete Mangelursache geht, können nur Fahrzeuge verglichen werden, die auch über eine solche Ausstattung verfügen. Wenn diese Fahrzeuge – wie vom Sachverständigen bestätigt – nach dem Stand der Technik sämtlich für den überwiegenden Kurzstreckeneinsatz nur bedingt geeignet sind, kann der Kunde dies nicht reklamieren.Nichts anderes gilt nach der klaren Aussage des BGH auch im Hinblick auf eine mögliche Unkenntnis durchschnittlich informierter Käufer von den Notwendigkeiten der Dieselpartikelfilter-Reinigung und eventuellen Schwierigkeiten im Kurzstreckenverkehr. Was der Kunde als Beschaffenheit eines DPF-Fahrzeuges erwarten kann und darf, beurteilt sich weder nach der konkreten Vorstellung des einzelnen Käufers noch nach „einem durchschnittlichen technischen Informationsstand“. Maßgeblich ist alleine, welche Beschaffenheit der Käufer „nach der Art der Sache“ bei objektiver Betrachtung erwarten kann. Abzustellen ist auch hier aus vorgenannten Gründen wieder alleine auf die Beschaffenheit von Dieselfahrzeugen mit Partikelfilter nach dem Stand der Technik.An diese Vorgaben gebunden muss das OLG Stuttgart nunmehr noch klären, ob die konkret in das Fahrzeug des Klägers eingebaute Dieselpartikelfilter-Anlage defekt ist, also negativ vom Stand der Technik abweicht. Hierzu wurden bislang aufgrund der zuvor angenommenen generellen Mangelhaftigkeit keine Feststellungen getroffen.Rechtsanwalt Robert Glocker, kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Bei der Beurteilung, ob ein DPF-Fahrzeug wegen eingeschränkter Tauglichkeit im Kurzstreckenbetrieb mangelhaft ist, muss auf einen Vergleich ausschließlich mit anderen DPF-Fahrzeugen abgestellt werden.2. Nach dem Stand der Technik kann die Notwendigkeit der Durchführung von Regenerationszyklen zur Reinigung des DPF nicht als Mangel gewertet werden.3. Maßgeblich sind nicht die subjektiven Erwartungen oder ein durchschnittlicher technischer Informationsstand der Käufer, sondern ausschließlich der objektive Stand der Technik. Ein Käufer kann nicht mehr erwarten, als die Technik tatsächlich zu bieten hat.Kommentar< Bei der besprochenen Entscheidung spielt der ‚Stand der Technik‘ für die Beurteilung des kaufrechtlichen Mangelbegriffs eine wesentliche Rolle. Wie bereits in Autohaus 20/2008 besprochen, hat sich dieser Maßstab ständig der neu entwickelten Technologie anzupassen, soweit diese im breiteren Produktionsbereich Umsetzung erfahren hat. Unterschiede zwischen einzelnen Fahrzeugkategorien sind jedoch zu berücksichtigen.Für den Augenblick hat der BGH im Bereich der Dieselpartikelfilter Klarheit geschaffen, dass der Kunde auch ohne besonderen Hinweis technisch bedingte Einschränkungen in der Eignung der Fahrzeuge für den überwiegenden Kurzstreckenverkehr nicht beanstanden kann. Bessere Lösungen existieren eben derzeit nicht. Ein ‚Komfortverzicht‘ im Gebrauch der Fahrzeuge stellt keinen Mangel dar. >

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