Herr Hellhammer gibt es eine Grauzone für die Versteuerung meines Autos, wenn das Fahrzeug nachträglich per Software um Features (functions on demand) aufgewertet wird und beispielsweise die für Dienstwagenfahrer wichtige 70.000-Euro-Grenze überschreitet?
Stephen Hellhammer: Das ist eine Frage an einen Steuerexperten. Auf jeden Fall würden solche nachträglichen individuellen Aufwertungen von Dienstwagen eine erhöhte Komplexität beim Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber und eventuell auch für den externen Flottenbetreiber bedeuten. Theoretisch besteht hier Spielraum für clevere Flottenmanager, ihr Portfolio um neue Angebote zu erweitern und diese Leistungen dann auch effizient und regelgerecht zu managen.
Welche aktuellen functions on demand sind aus Ihrer Sicht wirklich sinnvoll?
S. Hellhammer: Solche Dienste müssen echten Mehrwert für die Fahrzeugnutzer bieten. Nützlich wäre eine zuverlässige Ladesäulenreservierung entlang der Reisestrecke. Auch für bedarfsbezogene Zusatzversicherungen gäbe es Nachfrage, zum Beispiel temporär für die Dauer von Auslandsreisen. Hier gilt: der Kunde entscheidet. Der muss sich auf die neue Situation in der E-Mobilität allerdings erst noch einstellen, bevor er seinen realen Bedarf erkennen und formulieren kann. In dieser Übergangsphase haben Hersteller gute Chancen für die Ansprache und Bindung ihrer Kunden: Ich empfehle, kostenlose Try-before-buy-Optionen anzubieten. Dann kann die Kundschaft Innovationen ohne Verpflichtungen ausprobieren und die Vorteile zu schätzen lernen.
Das Ausprobieren gilt ein stückweit auch fürs Angebot selbst, oder?
S. Hellhammer: Für Hersteller beginnen äußerst dynamische Zeiten, die ihnen hohe Flexibilität abverlangen. Als Berater von Porsche Consulting sagen wir unseren Klienten: Kein Hersteller muss zu Beginn mit dem perfekten Angebot starten. Vielmehr sollte er in der Lage sein, Kundenverhalten schnell zu verstehen, aus neuen Erkenntnissen rasch zu lernen und – vor allem – umgehend zu reagieren. Dabei hilft das gezielte Auswerten von Nutzungsdaten. Auf dieser Basis können Leistungsumfänge weiterentwickelt sowie Preismodelle flexibel angepasst werden. Das perfekte Angebot ist also eines, das sich ständig verändert, weil es mit der Zeit geht.
Wie wirken sich Ihrer Meinung nach aktivierte functions on demand beim Verkauf des Fahrzeugs auf dessen Restwert aus?
S. Hellhammer: Grundsätzlich ist es von Vorteil für stabile, vergleichsweise hohe Restwerte, wenn Fahrzeuge über den kompletten Lebenszyklus updatefähig bleiben. Sind die functions on demand nicht nutzer-, sondern fahrzeugbezogen, und stehen damit auch dem Gebrauchtwagenkäufer zur Verfügung, können sie den Gebrauchtwagenpreis erhöhen. Sie müssen dann unbegrenzt freigeschaltet sein. Zeitlich begrenzte functions on demand dagegen werden vom Kunden auf den Nutzungszeitraum gebucht, also beispielsweise nur für die Leasingdauer. Solche limitierten Leistungen werden keinen Einfluss auf den Restwert haben. Interessant ist allerdings, dass Hersteller zukünftig ihre Gebrauchtwagen nachträglich mit Mehrwerten ausstatten können. Solche später aktivierte functions on demand sind attraktiv. Sie können nach Marktlage und Stand der Technologie angeboten werden. So ließen sich Restwerte deutlich steigern.
Sind gebrauchte Stromer eine Option?
Blicken wir mal auf die gebrauchten Stromer. Gut erhaltene Leasingrückläufer haben meist nur eine geringe km-Laufleistung auf dem Tacho. Sind die E-Fahrzeuge dann noch attraktiv, um in ein zweites Leasing in Deutschland zu gehen?
S. Hellhammer: Für B2B-Kunden sind gebrauchte E-Fahrzeuge aktuell deutlich attraktiver als Verbrenner. Bei der Kalkulation positiv bewertet werden geringerer Verschleiß sowie attraktive Restwerte. Hinzu kommen geringere operative Kosten im Flottenbetrieb – sofern die derzeit marktüblichen Reichweiten der Fahrzeugbatterien den individuellen Ansprüchen der B2B-Kunden gerecht werden.
Sehen Sie diese Empfehlung schon in der Praxis umgesetzt?
S. Hellhammer: Insgesamt beobachtet Porsche Consulting am Markt, dass im B2B-Bereich eine bisher nicht gekannte Nachfrage nach Gebrauchtwagen-Leasing entstanden ist – und sich recht gut weiterentwickelt. Auf diese neue Entwicklung sollten Hersteller und Finanzdienstleister schnell antworten. Denn das ist ihre Chance, sowohl der Nachfrage entsprechende B2B- als auch B2C-Angebote zu schaffen und zu etablieren. Beobachtet werden muss dabei, ob dieses Geschäft langfristig attraktiv bleibt, sollten sich die Restwerte für Elektrofahrzeuge in der Zukunft stabilisieren. Dynamisches Reagieren ist auch hier gefragt.
Stromer-Batterien
Die Batterie ist der größte Kostenblock: Spielt es aus Beratersicht eine Rolle, ob es sich um eine Lithium-Ionen oder Lithium-Eisenphosphat-Batterie handelt?
S. Hellhammer: Auch eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie ist eine Lithium-Ionen Batterie. Heute wird im Markt zwischen Nickel-Cobalt-basierten NMC-Batterien sowie Eisenphosphatbasierten Lithium-Ionen Batterien unterschieden, abgekürzt LFP. Diese LFP-Batterien sind günstiger, weil sie nicht die teuren Rohstoffe Nickel und Cobalt enthalten. Zudem schneiden sie in puncto Langlebigkeit deutlich besser ab.
Fallen die Restwerte für die unterschiedlichen Batterietypen unterschiedlich aus?
S. Hellhammer: Die LFP-Technologie wird von der Automobilindustrie aktuell insbesondere im Low-Cost und Mittelklassesegment eingesetzt. Grundsätzlich hängt jede Bewertung stark vom Fahrzeugalter ab. Bei relativ jungen Gebrauchtwagen sind LFP-Fahrzeuge ein Vorteil, da die Batterie länger halten wird. Je mehr es jedoch Richtung End-Of-Life und Recycling geht, umso interessanter werden NMC-Fahrzeuge interessanter, weil deren Batterien die teureren Rohstoffe enthalten.“
Herzlichen Dank, Herr Hellhammer, für das Interview.