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Porsche Cayenne 2023 (Facelift): Mit V8 nah an der Perfektion

17.05.2023 06:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Der Porsche Cayenne 2023 startet bei 89.100 Euro (brutto). Für die Coupé-Variante rufen die Stuttgarter rund 4.000 Euro mehr auf.
© Foto: Porsche

Porsche modifiziert den Cayenne und dessen zwei Zentimeter flachere "Coupé-Version". Armaturenbrett, Front, Heck und Software sind neu. Bei den Motoren gibt es Updates. Wir sind das Cayenne S Coupé gefahren – mit V8.

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Dass die Fahrzeuggattung SUV folgende Adjektive in sich vereint, ist bekannt: klobig, fett, behäbig, durstig, unübersichtlich und einiges Unschönes mehr. Manches stimmt nicht immer, anderes umso mehr. Und dennoch werden sie gern gewählt – egal, in welchem Fahrzeugsegment. Auch Porsche würde wahrscheinlich nicht mehr existieren, wenn sie sich allein auf Sportwagen versteift hätten.


Porsche Cayenne S Coupé (2023)

Porsche Cayenne S Coupé Racinggreen fahrend von hinten Bildergalerie

Vor ziemlich genau 20 Jahren, als die SUV-Welle aus den USA bereits in Europa angekommen war, brachten die Zuffenhausener den ersten Cayenne. Blasphemie, schrie die 911er-Frakion. Dass Lamborghini bereits Mitte der 1980er-Jahre mit dem LM002 ein "Sport-SUV" mit 455 PS auf den Markt brachte, wussten viele nicht. Okay, die fingen auch mit Traktoren an. GMC kam 1992 mit dem aus heutiger Sicht zierlichen, 4,33 Meter kurzen SUV-Zweitürer (Coupé!) GMC Typhoon. Der 4,3-Liter-V6-Turbo (280 PS) trieb den Ami in gut fünf Sekunden auf Tempo 100 – nicht schlecht für einen Lkw-Hersteller. Mittlerweile macht jeder SUV und viele „SUV-Coupé“. Vom profanen VW Taigo über den Volvo C 40 bis hin zu denen, von denen man es noch weniger erwartete als von Porsche, die – wie Lamborghini – eine Traktor-Vergangenheit haben: Lotus, Aston Martin und Ferrari sind auch auf den SUV-Zug aufgesprungen – und freuen sich über „neue Käufergruppen“. Lamborghini macht auch wieder SUV, wenngleich viel Audi im Urus steckt. Luxuskundschaft will eben auch hoch sitzen.

Nach wie vor teilt sich der Porsche Cayenne die Basis mit dem VW Touareg, dem Audi Q7/Q8 und dem Bentley Bentayga. Porsche, VW und Audi werden in Bratislava produziert. Aus Herstellersicht ist dieses Vorgehen nachhaltig: Eine Basis für viele Fahrzeuge, die sich in Natura ordentlich differenzieren. Damit sich der Porsche als sportlichster Vertreter des Konglomerats hervortut, legen die Zuffenhausener überall Hand an.

Porsche Cayenne S Coupé in Sonderlackierung Racinggreen auf Asphaltstraßen fahrend vor grüner Wiese in Tirol
© Foto: Porsche

Herzstück aller Porsche ist der Motor. Benzin- und Elektromotoren, auch kombiniert, sind beim Cayenne gesetzt, Diesel seit rund fünf Jahren aus dem Programm. Den Einstieg macht der V6-Turbo-Benziner. Er wird einfach "Cayenne" genannt und leistet 353 PS – 13 mehr als zuvor und 13 mehr als beispielsweise das Pendant im Touareg. Darüber rangieren zwei leistungsähnliche 4,93-Meter-SUV. 470 PS wurden dem Plug-in-Hybriden (E-Hybrid) verschrieben, vier mehr leistet der V8-Turbo (Cayenne S), auf den wir uns konzentrieren. Warum? Weil wir der Meinung sind, dass der Anreiz, einen 470-PS-Cayenne fahren zu wollen, nicht in der günstigen Firmenwagenversteuerung liegen sollte, die der E-Hybrid bietet. Wer einen Cayenne als Dienstwagen hat, sollte sich über die Summe des geldwerten Vorteils keinen Kopf machen – alle andere sind wohl Schwaben.

Viele meinen, dass ein V8-Benziner in Europa keine lange Halbwertzeit mehr hat. Jein. In der Tat bietet Porsche den Cayenne Turbo GT (V8 mit jetzt 659 PS) nicht mehr in Europa an. Doch dafür wurde der Cayenne S – vor dem Facelift noch mit einem ähnlich potenten Turbo-V6 angeboten – jetzt durch einen V8 aufgewertet. Warum das? Laut Stefan Fegg, Director Model Line Cayenne, ist der Verbrauch (gemeint ist der Flottenverbrauch von Porsche) aufgrund des hohen Elektrifizierungsgrades bei Porsche kein Sorgenkind mehr. Dieser führte bislang dazu, dass man möglichst geringe CO2-Emissionen (aka Verbrauch) beim WLTP-Prüfverfahren ausweisen musste, was mit einem Dreiliter-V6 per se einfacher zu schaffen ist als mit einem Vierliter-V8 (Unterschied knapp ein Liter, nicht nur beim Hubraum).

Dass die Realität oftmals anders aussah und der V6 auf der Straße mehr verbrauchte als der V8, störte indes niemanden in Brüssel – wie beim Thema Plug-in-Hybride – und auch keinen Kunden. Jetzt ist nicht mehr der CO2-Wert der einzig relevante, sondern die Emissionen in Gänze, mit Partikeln und allem, was aus dem Auspuff herauskommt. Und da haben großvolumige Motoren, die im Alltag weniger beansprucht werden, konstruktiv einen Vorteil. Also heißt es mit Blick auf Euro 7 (ohne genau zu wissen, was das letztendlich bedeuten wird, denn die Regularien sind ein Jahr vor Inkrafttreten nach wie vor nicht fixiert): Hubraum rauf, Leistung runter, oder zumindest nicht so hoch, wie möglich wäre. Man munkelt, dass auch andere Hersteller sich vom seit etwa 20 Jahren praktizierten Downsizing verabschieden und aufs Rightsizing setzen, was beispielsweise Mazda seit Jahren propagiert. Mercedes-AMG-Kunden laufen angeblich Sturm gegen den "C 63 S E" mit Zweiliter-Vierzylinder und knapp 700 PS. Wen wundert es?

Porsche Cayenne S Coupé Foto vom vorderen linken Rad mit Keramikbremsen und gelbem Bremssattel
Je nach Motorisierung gibt es an der Vorderachse eine andere Bremsengröße. 
© Foto: Porsche

Zurück zum V8 im Cayenne S Coupé. Kurze Beschreibung: erste Sahne, wie die Ü50er sagen, oder nice, wie es die Jugend tut. Der Vierliter dreht mit einem sauber orchestrierten Stakkato aus dem Drehzahlkeller hinaus, die überarbeitete Achtgang-Automatik wechselt ziemlich perfekt die Gänge und auf der Autobahn in Deutschland steht flugs 270 auf dem Tacho. Die Kraftentfaltung ist überbordend. Und im heutigen E-Zeitalter doch irgendwie gewöhnlich. Auch beim Cayenne S Coupé drücken eben 2,2 Tonnen aufs Längsdynamik-Potenzial.

Erschreckend im positiven Sinne wird es jedoch, wenn sich die montierten 22-Zoll-Räder (hinten 315er-Breite) in den mäandernden Asphalt am Alpenrand verkrallen. Von den 2,2 Tonnen ist nichts mehr zu spüren. Helfend zur Hand kommt die (Allrad-)Lenkung. Es ist faszinierend, wie Porsche das immer wieder hinbekommt – egal, in welchem Modell. Eine Porsche-Lenkung ist eine Porsche-Lenkung und keiner kommt an diese perfekte Rückmeldung heran. Das galt bislang auch für die Bremsanlagen. Vier verschiedene gibt es für die Cayenne-Vorderachse, immer Sechskolben-Festsattelanlagen: 360-Millimeter-Scheiben für den V6, 390er für den Plug-in und 410er für den V8. Und natürlich (irgendwann) wieder eine Keramikanlage als Option – wofür auch immer. V8 und Hybrid besitzen neuerdings einen elektrischen Bremskraftverstärker, der den Druckpunkt der Bremse nicht ganz eindeutig definiert. Das porschigste Bremsgefühl bietet der V6-Turbo.

Erstaunlich ist, dass bei all der gebotenen Dynamik der Federungskomfort so gut ist, dass er auch in jedem „Normal-Automobil“ als gut durchgehen würde. Anteil am im Vergleich zum Vor-Facelift-Modell verbesserten Komfort hat ein Chassis-Upgrade, wie Fegg es nennt. Zudem geben die Ingenieure dem Cayenne nun neue Reifen mit auf den Weg und diese können mit etwas reduziertem Luftdruck gefahren werden. Das erhöht den Komfort und die „Klebeeigenschaften“ zugleich. Und um den Dynamikeindruck (und die Handlichkeit) weiter zu verbessern, gibt es für 1.700 Euro (brutto) die Allradlenkung – eine Empfehlung. Allerdings bedingt diese das Luftfeder-Fahrwerk für weitere 2.261 Euro. Verzichten kann man auf das Leichtbau-Sportpaket (nur für den Cayenne Coupé), das bis zu 33 Kilogramm Gewicht einspart – beim 2,2-Tonner etwas lächerlich, vor allem für 13.423 Euro. Irgendwo mündet Luxus halt im Schwachsinn.

1,25 Millionen Cayenne hat Porsche seit Markteinführung absetzen können. Der aktuelle könnte Bestseller werden, denn er muss halten. Angeblich bis 2030, wenn die gesetzlichen Vorgaben es so lange erlauben. Um den Kunden News zu bieten, fokussiert man sich mehr und mehr aufs Innenleben. So schneiden die zwar neuen aber nicht revolutionär umgestalteten LED-Scheinwerfer fortan serienmäßig situationsgerecht den Gegenverkehr aus (Matrixlicht). Gegen Aufpreis gibt es jetzt auch im Cayenne HD-Pixellicht. Vier LED-Hauptsegmente pro Scheinwerfer markieren vor einem die Fahrspur „extrahell“. Und zwar exakt in der Fahrzeugbreite, sodass man gut abschätzen kann, ob der immerhin 1,98 Meter breite (mit Spiegel 2,19 Meter) Cayenne durch die Lücke passt. Auch dieses Extra ist, wie so vieles am und im Cayenne Luxus. Macht 2.255 Euro extra.

Porsche Cayenne S Coupé Innenaufname während der Fahrt mit Fahrer von schraeg hinten aufs Armaturenbrett
Das Armaturenbrett des Porsche Cayenne ist komplett neu gestaltet. Der Automatikwählhebel sitzt nun rechts neben dem Kombiinstrument und auf Wunsch gibt es drei Displays, eins zum Streamen für den Beifahrer.
© Foto: Porsche

Ziemlich perfekt verarbeitet

Mit Neuigkeiten geht es innen weiter. Auffälligstes Merkmal: Der Motorstartknopf sitzt jetzt rechts. Kleiner Scherz, natürlich nicht. An ungefähr diese Stelle wandert jedoch der Automatikwählhebel, der ehedem in der Mittelkonsole verankert war. Nun wählt man via Mini-Knüppel D, N und R wie im VW-Bus, direkt neben dem Kombiinstrument. Der Platz auf der Mittelkonsole schluckt nun Kleinkram. Davor befindet sich der Lautstärke-Regler und das Klimabedienteil – alles in hochglanzschwarz und in der Sonne spiegelnd. Wem sein Beifahrer 1.363 Euro wert ist, kann ihm ein 10,9-Zoll-Display spendieren, analog zum Porsche Taycan. In der Mitte prangt ein 12,3-Zoll-Display und der Tacho misst 12,6 Zoll. Porsche Driver Experience nennt sich der Display-Wahn. "Lit" findet das sicher der Netflix-streamende 16-jährige auf dem Beifahrersitz, dem Autofahren angeblich komplett egal ist. Ach so: lit bedeutet cool. Bleibt aber Geschmacksache.

Das Interieur ist ziemlich perfekt verarbeitet und die Materialien sind sorgsam gewählt und optional veränderbar. Bei Porsche (und dem Preis) Ehrensache. Besonders gut gefallen uns die "Karositze", die es ausschließlich im "Leichtbau-Sport-Paket" des Cayenne Coupés gibt. Macht die erwähnten 13.423 Euro plus 3.296 Euro für die Stoffsitze. Ach ja: Auf eine Lenkradheizung muss man dann verzichten. Auch das ist Luxus. Wie die Bose-Musikanlage für 1.351 Euro. Im Vergleich zum ebenfalls erhältlichen Burmester-System für 5.938 Euro ein Sonderangebot. Musikfreunde werden mit dem Bose-Sound happy werden, wie das serienmäßige System klingt, konnten wir nicht testen. Dafür aber das induktive Handyladen in der Ablage vor dem Klimabedienteil mit bis zu 15 Watt. Superschnell und serienmäßig. Daumen nach oben.

Nach oben ging es nicht nur mit der Serienausstattung, sondern auch mit dem Preis. Im Vergleich zu einem plump wirkende Mercedes GLE 53 Coupé (ab 121.000 Euro) wirkt ein Cayenne S Coupé nicht nur stimmiger, er ist zudem günstiger und hat eben eine Achtender im Bug anstelle des sechszylindrigen Reihenbenziners. Da sollte die Entscheidung zwischen Stuttgart und Stuttgart doch leicht fallen.


Porsche Cayenne S Coupé

Preis: ab 112.778 € brutto
V8/3.996 cm3 | 349 kW/474 PS  
600 Nm ab 2.000 U/min | 8-Gang-AT | 273 km/h | 4,7 s 
WLTP-Verbrauch: 12,5 – 13,4 SP | 284 - 304 g/km
Abmessungen: 4.930 x 1.983 x 1.678 mm
Kofferraum: 592 – 1.502 Liter
Versicherungsklassen: HK: 23 | VK: 28 | TK: 29
Wartungsintervall: 30.000/2 Jahre
Garantie: 2 Jahre



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