Von Rechtsanwalt Rainer Bopp (kanzlei@raehaug-partner.de / www.haug-partner.de)
Mit medienwirksamem Getöse der verschiedenen Interessengruppen wurde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 zur Arbeitszeiterfassung aufgenommen (Rechtssache C-55/18). Doch was steckt eigentlich dahinter? In der ihm eigenen Diktion hat der EuGH entschieden, dass die europäischen Bestimmungen – Arbeitszeitrichtlinien und EU-Charta – dahin zu verstehen sind, "dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann."
Das EuGH-Urteil beinhaltet also nicht, dass alle Arbeitgeber ab sofort ihren sämtlichen Arbeitnehmern ein System der Zeiterfassung zur Verfügung stellen müssen. Nach den Ausführungen des EuGH obliegt es vielmehr den einzelnen Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines Zeiterfassungssystems festzulegen. Dies beinhaltet in eigener Verantwortung der Mitgliedsstaaten die Regelung einer konkreten Form der Zeiterfassung, "gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs, sogar der Eigenheiten bestimmter Unternehmen, namentlich ihrer Größe".
Gefragt ist also zunächst einmal der Gesetzgeber. Bundesarbeitsminister Heil hat bereits angekündigt, das EuGH-Urteil zur Erfassung der Arbeitszeit "modern, verlässlich und objektiv" umsetzen zu wollen und hierbei Gestaltungsspielräume zu nutzen, die vom EuGH auch tatsächlich eingeräumt sind. Eine "Klärung" soll bis Ende des Jahres herbeigeführt werden. Wann und mit welchem Inhalt eine gesetzliche Regelung aufgrund einer solchen Klärung erfolgen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen.
Dieter M. Hölzel