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NRW/Baden-Württemberg: Weitere Fahrverbotsurteile stehen bevor

16.11.2018 09:05 Uhr
NRW/Baden-Württemberg: Weitere Fahrverbotsurteile stehen bevor
Diesel-Fahrverbote: Dortmund und Bochum könnten als nächstes an der Reihe sein.
© Foto: Robert Kneschke/stock.adobe,com

Das Dieselfahrverbot für die wichtige Autobahn 40 im Ruhrgebiet hat viele aufgeschreckt. Das zuständige Verwaltungsgericht hält sogar eine Ausweitung der Fahrverbotszone für möglich.

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Nach dem Urteil zu Dieselfahrverboten in Essen und Gelsenkirchen richtet sich der Blick auf die Ruhrgebietsstädte Dortmund und Bochum. Die Deutsche Umwelthilfe hat auch gegen die Luftreinhaltepläne für diese beiden Städte Klagen eingereicht. Es ist aber noch offen, ob das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht auch für diese Verfahren zuständig ist, oder ob die Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt werden müssen. Eine Entscheidung darüber will das Verwaltungsgericht bis Ende des Jahres treffen. Bereits in der kommenden Woche will das Verwaltungsgericht Darmstadt über ein mögliches Dieselfahrverbot in der hessischen Großstadt verhandeln.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstag eine Fahrverbotszone für Essen angeordnet, zu der auch die viel befahrene Autobahn 40 gehört. In Gelsenkirchen soll eine wichtige Innenstadtstraße für ältere Dieselfahrzeuge gesperrt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen will Berufung gegen das Urteil einlegen. Der FDP-Bundestagsfraktionsvize Frank Sitta bzeichnete das Gerichtsurteil als "völlig absurd". Sitta sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Das hat mit Verhältnismäßigkeit nun wirklich nichts mehr zu tun. Wenn im Ruhrgebiet ein totales Verkehrschaos herbeigemessen wird, kann auch niemand behaupten, dass das der Gesundheit der Bevölkerung irgendwie dienlich ist."

Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) äußerte sich unzufrieden. Zwar stehe es ihm nicht zu, die Justiz zu kritisieren, sagte er der "Bild"-Zeitung. "Aber wenn eine Richterin ein Diesel-Fahrverbot für eine Autobahn anordnet, halte ich das für unverhältnismäßig. Das gibt es nirgendwo anders auf der Welt." Urteile wie diese gefährdeten die Mobilität Hunderttausender Bürger. "Niemand versteht diese selbstzerstörerische Debatte."

Polizei sieht Probleme bei den Kontrollen

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen sieht erhebliche Probleme bei der Kontrolle des Dieselfahrverbots für einen Teil der Autobahn 40 und für große Teile des Stadtgebiets in Essen. Wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen auch in den nächsten Instanzen Bestand haben sollte, müsse der fließende Verkehr kontrolliert werden, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Und dafür ist die Polizei zuständig, ob wir wollen oder nicht." 

Bei dem bestehenden Personalmangel sei "die Überwachung einer Umweltzone sicher nicht Priorität Nummer eins für die Polizei", so Mertens weiter. Ohne zusätzliche Beamte könne diese Aufgabe nicht bewältigt werden.

Chancen vertan

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer warf den Kommunen im Ruhrgebiet vor, Chancen für eine Reduzierung der Stickstoffdioxid-Belastung vertan zu haben. Dafür wäre es etwa notwendig gewesen, Pendlerströme verstärkt auf den öffentlichen Personennahverkehr umzulenken, sagte Dudenhöffer. Stattdessen seien zeitweise wichtige Bahnrouten - etwa die Verbindung Essen-Duisburg - reparaturbedingt gesperrt worden. "Zugtaktungen und -angebote blieben gleich und auch im Preissystem wurden keine Wechselprämien oder ähnliche Programme geboten", kritisierte Dudenhöffer. "Es ist wenig verständlich, dass die Städte in der kritischen Situation nicht schneller versucht haben, sich mit Entlastungen durch den Bahnverkehr mehr 'Luft' zu verschaffen."

Nach Berechnungen seines Instituts an der Universität Duisburg-Essen verbesserte sich die Stickoxid-Belastung im Ruhrgebiet in den ersten neun Monaten des Jahres kaum. Die neuesten Messwerte - etwa an der Kurt Schumacher-Straße in Gelsenkirchen und der Gladbecker Straße in Essen - seien "ernüchternd". Dort hätten sich die NO2-Messwerte lediglich um 1,8 Prozent beziehungsweise 1,1 Prozent verbessert.

Urteil ist "unverhältnismäßig"

Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) nannte das Urteil unverhältnismäßig. "Jetzt müssen die Menschen in den Städten für das Versagen der Automobilindustrie geradestehen", erklärt er. Essens OB Thomas Kufen (CDU) forderte eine rasche Lösung vom Bund: "Es muss eine schnelle Soft- und Hardwarenachrüstung kommen, die nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger ausfallen darf."

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) kritisierte die von der Bundesregierung gebilligte Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Es gebe gute Gründe für den niedrigen EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, sagte DGP-Präsident Klaus Rabe der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wenn Menschen mit Atemwegsproblemen und Lungenvorerkrankungen regelmäßig erhöhte Werte einatmen, besteht ein Gesundheitsrisiko. Das ist durch die Datenlage bewiesen." Es handle sich nicht um eine kleine Gruppe, "sondern um eine riesige". In dem Gesetz soll es künftig heißen, dass in Städten mit relativ geringen Überschreitungen des Grenzwerts für gesundheitsschädliche Stickoxide Diesel-Fahrverbote "in der Regel" nicht verhältnismäßig seien - weil andere Maßnahmen ausreichten, um den Grenzwert einzuhalten.

DUH klagt auch gegen Baden-Württemberg

Mit einer Klage gegen das Land Baden-Württemberg will die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nun auch Diesel-Fahrverbote in Freiburg erreichen. Ziel sei die Einhaltung des Grenzwerts von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft, der regelmäßig überschritten werde, teilte die Organisation am Freitag mit. Daher sollten die Behörden gerichtlich gezwungen werden, Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Eine Bestätigung des zuständigen Gerichts in Mannheim über den Eingang der Klage war zunächst nicht zu erhalten. (dpa)

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KOMMENTARE


Klaus Berghoff

16.11.2018 - 11:57 Uhr

In der Tat erscheinen diese massiven Fahrverbote überzogen. Aber man muss sich die Frage stellen, ob nur weil etwas mit massiven Einschnitten verbunden ist, deshalb gleich auch schlecht sein muss. Wenn man jemanden sieht, der betrunken in sein Auto steigen will, um nach Hause zu fahren, muss man ihn davon abhalten. Das ist für die betrunkene Person ein massiver Einschnitt, da er unter Umständen ein Taxi nach Hause und am kommenden Tag wieder zurück zu seinem Wagen bezahlen muss. Es wird ihn also Zeit und Geld kosten. Trotzdem ist es die richtige Entscheidung, da er sonst sowohl sein eigenes als auch das Wohl der Allgemeinheit gefährdet. Mit veralteten oder falsch deklarierten Fahrzeugen zu fahren, die zu einer erhöhten Belastung der Luft führen, kann man als ähnlich gelagert sehen. Ja, es bringt massive Einschnitte mit sich und kostet viele Menschen Geld, ist aber dennoch ein ggf. notwendiger Schritt. Die Frage sollte also nicht sein, ob dies überzogen ist, sondern wieso eine Politik, die diese Verdummung des Autofahrers durch die Hersteller gedeckt und stellenweise mitbetrieben hat, nicht dafür Sorge tragen kann, dass die Kosten nicht beim Otto-Normal-Verbraucher kleben bleiben. Die derzeitige Umtauschprämie ist da ein schlechter Witz.Hätte der Käufer eines solchen Fahrzeuges vor 5 Jahren gewusst, dass sein Fahrzeug ein wesentlich größerer Verschmutzer ist, als er damals annahm und dass ihm dadurch langfristig Nachteile entstehen könnten, hätte er sich womöglich gar nicht erst für dieses Fahrzeug entschieden.


Uwe

19.11.2018 - 10:51 Uhr

Vor einigen Jahren hat das Thema Stickoxide weder, die Politik, den Bürger oder irgendwelche Abmahnvereine interessiert, alle sprachen nur von Co2 . Noch 5-10 Jahre vorher war es das Ozon, welches sogar auch zu vollkommen unsinnigen Fahrverboten geführt hat. Spricht da noch irgendwer drüber ? In einigen Jahren wird wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben und Stickoxid ist genauso uninteressant wie Ozon. Eine fundierte und sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema findet nicht statt, es wird nur noch auf Parolen und Emotionen gesetzt. Es glaubt doch im ernst niemand, daß sich die Abgasbelastung ändert wenn man die Fahrzeuge um die Messtellen herum leitet. Durch zusätzliche Staus und Umwege kann es nur noch schlimmer werden.


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