Die Automobilwirtschaft muss sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen und wird künftig mit deutlich weniger Beschäftigten auskommen. Das geht aus der Studie "Beschäftigungseffekte im Kfz-Gewerbe 2030/2040" hervor, die am Dienstag in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen und zeitgleich in einer Onlineübertragung vorgestellt wurde.
Die Studie, die von der Landesagentur e-mobil BW in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, dem Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg und der IG Metall Baden-Württemberg herausgegeben wurde, prognostiziert sowohl deutschland- als auch landesweit eine starke Abnahme der Beschäftigtenzahlen im Kfz-Gewerbe.
Bis zum Jahr 2030 gehen die Mitarbeiterzahlen demzufolge um etwa 18 Prozent von heute 435.000 (BW: 78.300) auf 356.000 (BW: 64.000) zurück. Bis 2040 werden rund 28 Prozent weniger Personen im Kfz-Gewerbe tätig sein (DE: 312.000; BW: 55.000). Am stärksten sind die Zentralabteilungen mit verwaltungsorganisatorischen Aufgaben bis zum Jahr 2040 (minus 36 Prozent) vom Rückgang betroffen. Auch in den Bereichen Handel (minus 34 Prozent) sowie Werkstatt und Teile (minus 24 Prozent) mit Verkaufsberatern und Kfz-Mechatronikern werden die Beschäftigtenzahlen sinken.
Vorgestellt wurden die Studienergebnisse im Einzelnen von Florian Herrmann, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, und Prof. Benedikt Maier, Institut für Automobilwirtschaft (IfA), die die Studie erarbeitet haben.
Studie verdeutlicht Handlungsbedarf
Per Videobotschaft zugeschaltet betonte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die Notwendigkeit einer solchen Studie: "Mit 78.000 Beschäftigten in Baden-Württemberg und weit über 400.000 Mitarbeitenden in Deutschland ist das Kfz-Gewerbe ein zentraler Zweig unserer Wirtschaft. Deshalb ist es mir seit Beginn des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW ein wichtiges Anliegen, das Kfz-Gewerbe beim Transformationsprozess mitzunehmen und zu unterstützen. Die Studie verdeutlicht den Handlungsbedarf.“
Die Studie identifiziert vier Haupttreiber für den Wandel der Branche: Die zunehmende Fahrzeugdigitalisierung, die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, die Elektrifizierung des Antriebstrangs und veränderte Vertriebsmodelle sind hauptverantwortlich für den Wandel im Kfz-Gewerbe.
Herrmann machte das Ausmaß der Veränderung deutlich: "Die gesamte Wertschöpfungskette ist vom Wandel betroffen, nicht nur die Automobilhersteller und Zulieferer sondern auch der Handel und der Aftersales." Man habe dabei dicht nur den Blick auf den Absatz von Neufahrzeugen gelegt sondern auch auf die Entwicklung des Fahrzeugbestandes. "Ganz viel Wertschöpfung kommt aus den Reparaturen des Bestandes", machte Herrmann deutlich. "Der Bestand verändere sich zwar langsamer, aber mit Zeitversatz sehen wir auch hier gewaltige Veränderungen." Das Kfz Gewerbe müsse diesen Anforderungen gerecht werden.
Um das eigene Geschäftsmodell neu auszurichten, fallen in den Betrieben hohe Investitionskosten an. Langfristig prognostizieren die Studienautoren daher, dass sich fabrikatsunabhängige Betriebe deutlich schwerer im Wettbewerb halten können. Aber auch bei den fabrikatsgebundenen Betrieben verändern sich Strukturen, hier werde es zu weiteren Zusammenschlüssen kommen.
Ergebnisse Studie Beschäftigungseffekte im Kfz-Gewerbe
BildergalerieWeniger Umsätze mit E-Autos im Aftersales
Der Aftersales hat mit Elektroautos deutlich weniger Umsatzaussichten: Batterieelektrische Fahrzeuge haben laut Studie 30-50 Prozent weniger Arbeitswerte als konventionelle Fahrzeuge. In den Betrieben müssen künftig beide Systeme gleichzeitig beherrscht werden
Michael Ziegler, Präsident des Kfz-Gewerbes Baden-Württemberg, verdeutlichte in einer anschließenden Expertenrunde das Ausmaß der Veränderungen: "Die Transformation im Kraftfahrzeuggewerbe greift tiefer und weiter als alles bisher Dagewesene. Dennoch standen bislang häufig nur die Automobilhersteller im Fokus, wenn es darum ging, diesen Veränderungsprozess zu begleiten. Mit der Studie ändert sich das. Sie benennt Ursachen und skizziert Bewältigungsstrategien, mit denen sich Autohändler und Werkstätten dem revolutionären Wandel unserer Branche stellen können." Ziegler rief dazu auf, die Veränderung nicht nur als Bedrohung zu sehen, sondern auch als Chance für neue Geschäftsmodelle, die daraus erwachsen – auch für Kfz-Betriebe. Ziegler: "Wir verlieren Arbeitsplätze, das ist Realität. Aber das ist nicht das Ende der Weisheit, daraus entsteht der Zwang und die Verpflichtung, diese Veränderungen aufzunehmen und Handlungsalternativen aufzuzeigen."
Neue Kompetenzen sind gefragt
Der Wandel im Kfz-Gewerbe führt zur Veränderung klassischer Jobprofile, wie z. B. die der Kfz-Mechatroniker und Verkaufsberater. Mitarbeitende müssen daher neue Kompetenzen erwerben. Erforderlich sind vor allem Hochvolt- und Softwarekompetenzen für die Arbeit an elektrifizierten, vernetzten und automatisierten Fahrzeugen. Auch die Customer Journey online abzubilden, vom ersten Kaufgesuch über den Pkw-Verkauf bis hin zu regelmäßigen Wartungen, erfordert die Weiterbildung der Mitarbeitenden im Bereich des Fahrzeughandels sowie Service.
Gezielte Unterstützung vom Land
Kleine und mittlere Unternehmen des Kfz-Gewerbes werden bereits heute bei der zukunftsfähigen Ausrichtung unterstützt. Das Land Baden-Württemberg bietet dazu eine neutrale und kostenfreie Anlaufstelle, die Landeslotsenstelle Transformationswissen BW. Darüber hinaus bietet die Zukunftsinitiative Handwerk 2025 ergänzende Unterstützungsangebote für Handwerksbetriebe, wie Personalberatung, Intensivberatung Strategie und Nachhaltigkeit, Erfahrungsaustausch und Werkstatt-Formate sowie Transfer- und Modellprojekte. Die Initiative wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus gemeinsam mit den Handwerksorganisationen umgesetzt.