Von Armin Wutzer/AUTOHAUS
Dominic Sommer* flunkert täglich. Jeden Tag ruft er in ganz Deutschland Autohäuser und Werkstätten an und vereinbart Werkstatttermine für vermeintliche Partnerinnen, Onkel, Tanten oder Nachbarn. Mit Betrug hat das aber nichts zu tun. Die Menschen und die Autos, für die er die Termine vereinbart, gibt es wirklich. Nur Bekannte oder Verwandte sind sie nicht. In Wahrheit sind es Freiwillige, die TÜV Rheinland ihr Auto für einen Werkstatttest überlassen. Dominic Sommer ist einer der Mystery-Tester, die diese Checks dann durchführen. "Ich muss mir vor jedem Anruf eine gute Geschichte ausdenken, warum ausgerechnet ich das Auto in die Werkstatt bringe", erklärt Sommer die Flunkerei. Andernfalls würden die Betriebe schnell Verdacht schöpfen.
Seit rund 13 Jahren testet der gelernte Kfz-Meister bereits für TÜV Rheinland. "Ich habe längst aufgehört zu zählen, wie viele Werkstätten ich bereits von innen gesehen habe", erzählt Sommer. Weit mehr als 1.000 seien es aber sicherlich gewesen. Bevor er Mystery-Tester wurde, war er etliche Jahre als Werkstattleiter selbst in einem Autohaus tätig. Derartige Branchenerfahrung verlangt TÜV Rheinland für all seine fest angestellten Tester.
Standardprozesse in den Betrieben
Die Tests selbst zielen stets auf Standardprozesse in den Betrieben und laufen nach einem vorab festgelegten Schema ab. Beim TÜV Rheinland Award beispielsweise ruft der Tester im Autohaus an und vereinbart eine Inspektion. Einen Tag vorher fährt er dann zum Fahrzeughalter, nimmt das Auto genau unter die Lupe und präpariert einige Fehler. Dabei ist aber nicht alles erlaubt: Alle Mängel, die eingebaut werden, müssen auffindbar sein, wenn sich die Werkstatt an das Annahmeprotokoll und die Wartungs- und Reparaturcheckliste des Herstellers hält. "Wir denken uns keine exotischen, an den Haaren herbeigezogenen Fehler aus", betont Sommer.
Das präparierte Fahrzeug bringen die Tester dann in die Werkstatt. Während ihres Besuchs arbeiten sie unbemerkt eine Checkliste ab, beispielsweise zur Dialogannahme oder zum Zustand des Autohauses. Ist das Fahrzeug fertig, holen die Tester das Fahrzeug ab und überprüfen dann, ob alle Fehler entdeckt und ordnungsgemäß behoben wurden.
Um das Ergebnis nachvollziehbar zu machen und sich rechtlich abzusichern, dokumentieren die Prüfer das Fahrzeug zudem ausführlich mit Vorher-Nachher-Fotos. Diese laden sie ebenso wie die Fragebögen im Anschluss in ein Online-Tool, wo sie gespeichert werden. Das ist vor allem beim TÜV Rheinland Award wichtig. Denn dort besprechen die Mystery-Tester das Ergebnis im Anschluss nicht sofort mit den Verantwortlichen. Wollen die Betriebe ihr Ergebnis nach dem Wettbewerb um den Award für Kundenzufriedenheit einsehen und ihr Abschneiden nachvollziehen, sind sie daher auf eine lückenlose "Beweisführung" von Sommer und seinen Kollegen angewiesen.
"Wir sind alle nur Menschen"
Die werden übrigens trotz ihrer kleinen Geschichten hin und wieder erkannt. "Manchmal sind die Servicemitarbeiter während der Dialogannahme von einem Moment auf den anderen extrem angespannt und arbeiten ganz überkorrekt nach Plan. Dann merke ich, dass sie etwas ahnen", sagt er schmunzelnd. In aller Regel seien die Werkstätten jedoch völlig ahnungslos. "Einmal war der Werkstattleiter ein alter Bekannter von mir. Der ist danach aus allen Wolken gefallen", erzählt Sommer. Nach seiner Erfahrung bringt es aber keine Vorteile, wenn er erkannt wird. Die Arbeitsweise und die Arbeitsprozesse in einer Werkstatt ließen sich schließlich nicht von jetzt auf gleich verändern.
Auf der anderen Seite wirkt es sich auch nicht gleich negativ aus, wenn ein Servicemitarbeiter einmal einen schlechten Tag hat und darum schmallippig ist. "Wir sind alle nur Menschen. Das berücksichtige ich in meiner Bewertung", sagt Sommer. Anders als beim technischen Teil des Werkstatttests, haben er und seine Kollegen bei solchen "weichen" Faktoren durchaus einen kleinen Ermessensspielraum. Liegen beispielsweise im Herbst ein paar Blätter im Hof, gibt das nicht gleich Punktabzug bei der Sauberkeit. Damit das allerdings nicht in Willkür ausartet, prüfen Innendienst-Mitarbeiter von TÜV Rheinland im Rahmen der Qualitätssicherung, ob die Fragebögen vollständig und nach Vorschrift ausgefüllt sowie die Antwortmöglichkeiten plausibel und nicht nach dem Zufallsprinzip angekreuzt wurden.
Kritik bleibt nicht aus
Dass die Arbeit der Mystery-Tester hin und wieder auf Kritik stößt, bleibt trotzdem nicht aus. Vor allem wenn der Test im Nachhinein sofort aufgedeckt wird, gibt es bei manchen Werkstattleitern durchaus genervte Blicke, berichtet Sommer. Manche fühlten sich von den Tests gegängelt, überwacht oder schlicht ungerecht behandelt. Die Mehrheit betrachtet die Tests jedoch als Hilfe - vor allem wenn sie wie beim TÜV Rheinland Award freiwillig sind.
"Über die Jahre gesehen haben sich die Autohäuser, die wir regelmäßig testen, deutlich verbessert", sagt Sommer. Beispielsweise würden Checklisten und Protokolle der Hersteller viel stärker genutzt als früher. Zudem herrsche in den Betrieben ein größeres Bewusstsein dafür, dass sich ohne den Blick von außen Missstände einschleichen, weil man betriebsblind werde. Angesichts dessen wird Dominic Sommer und seinen "Onkeln", "Tanten" und "Nachbarn" die Arbeit wohl so schnell nicht ausgehen.
Weitere Informationen zum Award für Kundenzufriedenheit finden Sie auf der Internetseite von TÜV Rheinland!
Annotator
Peter Kreil
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