Von AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel
Der Corona-Shutdown hat das Autogeschäft in der umsatzstärksten Zeit getroffen. Der Handel verzeichnet einen brutalen Einbruch bei Neu- und Gebrauchtwagen. Unsicherheit und die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust haben die Anschaffung und Nutzung von Autos bei den Kunden verändert. Die Kaufbereitschaft jetzt und in naher Zukunft hat das Marktforschungsinstitut Puls aus Lauf bei Nürnberg bei über 1.000 Autofahrern ermittelt. Dazu ein Gespräch mit Geschäftsführer Dr. Konrad Weßner.
AUTOHAUS: Herr Weßner, werden geplante Verkäufe nur verschoben oder wird das Auto aufgrund des Krisenmodus von der Shoppinglist gestrichen?
Konrad Weßner: Autokäufer sind massiv verunsichert, aber solidarisch. Jeder Zweite verschiebt den Autokauf, jeder Dritte will ihn unmittelbar nachholen. 85 Prozent haben auch Verständnis für coronabedingte Lieferverzögerungen. Auf diese Solidarität könnte der Handel setzen. Aufgeschoben ist von daher nicht aufgehoben.
AH: Kürzt der Käufer sein Budget?
K. Weßner: Aus der Not eine Tugend machen. 40 Prozent bzw. zwölf Prozent der Befragten geben an, dass Corona zur Kürzung der Budgets fürs Autos bzw. zur Anschaffung kleinerer Fahrzeuge führt. Da dies auch unabhängig der Pandemie mit dem wachsenden Kundenbedürfnis nach klimafreundlichen Fahrzeugen einhergeht, könnte dies als Chance für die Profilierung von Händlern mit smarter, klimafreundlicher Mobilität genutzt werden.
AH: Fördert Corona die Nutzung des Autos als "Intimzelle mit Fluchtpotenzial" bzw. coronafreies Verkehrsmittel?
K. Weßner: 86 Prozent steigen vor dem Hintergrund von Corona von öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Auto als "privaten und virenfreien Rückzugsraum" um. Die Angst vor Ansteckung treibt auch das Bedürfnis nach professioneller Fahrzeugreinigung (37 Prozent insgesamt, bei Frauen 46 Prozent Anm. der Red.) und Desinfektion des Fahrzeuginnenraums. Daraus resultiert eine Chance für den Markenhandel und eine Notwendigkeit für Auto-Abo-Anbieter und Vermieter, ihre Autos bevor sie zum Kunden kommen zu desinfizieren, wenn sie die Gunst der Stunde nutzen wollen.
AH: Steigt dann die Bereitschaft, Abo und Carsharing intensiver zu nutzen?
K. Weßner: 51 Prozent bzw. 44 Prozent der Autokäufer geben an, dass Auto-Abos bzw. Kurzzeitmiete/Carsharing im Zuge von Corona wichtiger werden. Das Virus treibt offensichtlich die Angst vor langfristiger Bindung an Autos in wirtschaftlich unsicheren Zeiten und ist Rückenwind für das Bedürfnis nach eigenen Autos als "geschützten Räumen". Dieses neue "Mindset" kann und sollte der Automobilhandel als Chance nutzen, die bislang eher autokritische Netflix-Generation anzusprechen.
AH: Möchte der Kunde künftig verstärkt auf digitalem Weg angesprochen werden?
K. Weßner: Corona beschleunigt die Digitalisierung der Autoanschaffung. Online-Kontaktpunkte werden wichtiger, der Verkäufer und die persönliche Verkaufsberatung geraten dagegen unter Druck! Möglicherweise resultiert daraus auch eine Chance für Video-Beratung.
AH: Nimmt die Bereitschaft zu, Autos digital zu erwerben?
K. Weßner: Zwei von drei Autokäufern können sich vorstellen, ihr Fahrzeug von der Informationssuche bis zum Kaufabschluss online zu kaufen. Andererseits geben 57 Prozent an, dass eine Probefahrt unerlässlich ist. In diesem Online-Shift der Kontaktpunkte wird es für Automobilhändler um ein entscheidendes Thema gehen: Er muss die Kundenschnittstelle verteidigen. Wenn es nicht gelingt, Kontaktpunkte wie die Probefahrt oder dem Informationsbesuch beim Händler zu maßgeschneiderten Erlebnissen zu machen und Wertschöpfung beim Kunden zu schaffen, werden Auto- und Mobilitätsportale ein leichtes Spiel haben und Hersteller und ihre Händler zu Lieferanten ohne direkten Kundenkontakt "degradieren". Andererseits haben lernbereite Autohändler und nur diese den Wettbewerbsvorteil, Online-Anbahnung und Einladungen zum "Riechen, Fühlen, Schmecken" ihres Wunschfahrzeugs im Autohaus mit aktiver Beratung und Erlebnisprobefahrt aus einer Hand einzuladen. Die von Corona getriebene digitale Beschleunigung der Autoanschaffung wird von daher zu einem weiteren Abschmelzungsprozess im Autohandel führen, bei dem nicht unbedingt die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen schlagen.
AH: Herr Dr. Weßner, herzlichen Dank für das Gespräch!