Ausgabe 19/2012: Letzte Ausfahrt: Inkasso

Letzte Ausfahrt: InkassoZahlungsausfall – Wenn Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen, drohen Liquiditätsprobleme. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Forderungen einziehen können, und verraten exklusiv, welche Innungen Ihnen dabei zur Seite stehen. von Johanna Auguste KochTatort Werkstatt: Ein Fahrzeug kommt wiederholt zur Fehlersuche in den Service. Vermeintlich wird das Problem jedes Mal gefunden, Teile werden ausgetauscht, und trotzdem kann der Fehler erst nach drei Werkstattbesuchen endgültig behoben werden. Der Kunde sieht die mittlerweile recht hohe Rechnungssumme als nicht gerechtfertigt an – und verweigert die Zahlung.Wenn Kunden ihre Rechnungen nicht begleichen, entstehen Autohäusern Liquiditätsprobleme. Insbesondere im Werkstattgeschäft kommen Zahlungsausfälle häufig vor. Doch wie werden Forderungen am besten eingezogen? Wem überträgt man diesen heiklen Auftrag, da der Kunde zumindest am Anfang eines Zahlungsausfalls noch Kunde ist? Und welche Kosten entstehen dem Händler?Die meisten Kfz-Betriebe treiben ihre Außenstände mit Hilfe von Rechtsanwaltskanzleien (54 Prozent) und Inkassounternehmen (32 Prozent) ein, wie eine Umfrage auf AUTOHAUS Online ergab. Entscheidend bei der Dienstleisterwahl sind aber nicht die Kosten. Denn die meisten Anwälte sowie Inkassounternehmen orientieren sich zumindest grundsätzlich an der Gebührenordnung für Rechtsanwälte, die sich am Streitwert ausrichtet. Und letzten Endes sind Honorare auch immer verhandelbar.Jede zweite Innung hilftEiner repräsentativen AUTOHAUS-Erhebung unter allen Kfz-Innungen in Deutschland* zufolge haben 53 Prozent aller Interessenvertretungen eine eigene Inkasso- oder Rechtsabteilung im Haus oder können diesen Service über ihre Kreishandwerkerschaft anbieten. Diese Variante ist für Innungsmitglieder nicht nur sehr unkompliziert, sondern vor allem auch kostengünstig.Überraschend ist daher, dass laut der AUTOHAUS-Online-Umfrage nur 4 Prozent der befragten Händler angaben, ihre Forderungen über eine Innung einzuziehen. Denn das Angebot ist beachtlich: Zwei angestellte Rechtsanwälte hat beispielsweise die Kfz-Innung Frankfurt am Main und des Main-Taunus-Kreises, die Forderungseinzüge bis hin zur Beantragung des Zwangsvollstreckungsverfahrens für Mitgliedsbetriebe durchführen. „Bis zur Prozessvertretung sind alle Inkassokosten mit unserem Mitgliedsbeitrag abgegolten“, erklärt Büroleiter Ralf Marquardt die Dienstleistung.Die Kostenersparnis – auch inklusive des gerichtlichen Forderungseinzugs – beläuft sich für Betriebe dadurch insgesamt auf etwa 50 Prozent gegenüber den sonst anfallenden Gebühren eines Anwaltshonorars. Daher lohnt es sich für die 350 Mitgliedsbetriebe, auch kleinere Forderungen geltend zu machen. Dennoch wurden 2011 nur 50 bis 60 Fälle von Mitgliedern an die Innung übergeben.19 Prozent der Innungen gehen der AUTOHAUS-Umfrage zufolge Kooperationen mit externen Kanzleien ein, sodass ihre Mitgliedsbetriebe dort Sonderkonditionen genießen. Eine solche Vereinbarung hat unter anderem die Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Köln mit der Kanzlei Köhler geschlossen. Für einen Pauschalbetrag von 30 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, Auslagen, Gerichts- und Gerichtsvollzieher-Kosten treibt sie für die Innungsbetriebe Außenstände ein. Für Betriebe ohne Mitgliedschaft sind die Kosten mit mindestens 70 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer mehr als doppelt so hoch. Stolperstein: ImageDeutlich seltener hingegen mit nur 8 Prozent kommen Innungs-Kooperationen mit Inkassounternehmen vor, bei denen Mitgliedsbetriebe Vergünstigungen bekommen. Und fast ein Viertel aller Kfz-Innungen – 24 Prozent – bietet ihren Mitgliedern weder eigene Inkassoleistungen noch Kooperationen mit Dienstleistern an. Betriebe, die daher keine Innungsleistungen in Anspruch nehmen können oder keine Mitgliedschaft haben, müssen sich selbst nach einer Lösung umsehen.Die Erfolgsquoten bei Rechtsanwälten sowie Inkassobüros sind ähnlich hoch. Sie liegen nach AUTOHAUS-Recherchen in der Regel zwischen 80 und 90 Prozent. Dass viele Betriebe sich dennoch eher für einen Rechtsanwalt als für ein Inkassobüro entscheiden, liegt an historisch gewachsenen Strukturen. Oft erscheint der Weg zum „Anwalt des Vertrauens“ unkomplizierter, als wenn sich ein Betrieb erst nach einem seriösen Inkassounternehmen umsehen muss. Das Hauptproblem der Inkassobranche ist ihr mitunter recht schlechtes Image. Und das, obwohl Inkassounternehmen dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) unterliegen. Sie müssen strenge Auflagen erfüllen und sich zentral registrieren lassen (siehe Checkliste Seriosität). „Man kann nicht einfach Inkasso machen“, klärt Marco Weber, Pressesprecher des Bundesverbands Deutscher Inkassounternehmen (BDIU), über einen weit verbreiteten Irrtum auf. An der Registrierung erkenne man seriöse Dienstleister.Ein Warnsignal ist es hingegen, wenn ein Inkassobüro nicht im RDG registriert ist. Geschäftsbeziehungen mit solch einem Büro sollten vermieden werden. Eine Liste der Mitgliedsunternehmen ist im Internet (www.rechtsdienstleistungsregister.de) einsehbar. Ein weiterer Anhaltspunkt für Seriosität ist auch die Mitgliedschaft im Inkassoverband. Er kontrolliert seine Schäfchen oft strenger als Vater Staat – und sanktioniert im schlimmsten Fall mit dem Rauswurf.Inkassobüros: Besser als ihr RufHäufiger als Anwaltskanzleien sind Inkassodienstleister außerdem auf den außergerichtlichen Forderungseinzug spezialisiert, sagt Weber. Denn das ist ihr Brot- und Buttergeschäft. Sie würden ein intensiveres Mahnverfahren anwenden als Anwälte, die möglicherweise schneller vor Gericht zögen. Der gerichtliche Klageweg dauere länger, verursache oft unnütze Kosten und sichere schließlich nicht, dass der Schuldner am Ende auch zahle. Oft blieben die Kosten am Gläubiger hängen. „Und man soll gutes Geld nicht schlechtem hinterherwerfen“, mahnt Weber.Um das zu verhindern, arbeiten Inkassounternehmen intensiv mit Auskunfteien wie der Schufa, Creditreform oder der Firma Bürgel zusammen, um vorab zu prüfen, ob ein Forderungseinzug überhaupt zielführend ist, oder ob die Forderung besser ausgebucht werden sollte. „Wenn beim Schuldner nichts zu holen ist, würde ein weiteres Verfolgen der Forderung nur noch zusätzliche Kosten verursachen“, resümiert Weber. Vom Kunden zum SchuldnerDer Klageweg sollte immer nur die letzte Instanz sein, betont auch Simon Lambertus, Gesellschafter der Lambertus-Inkasso KG. „Man darf nie vergessen, dass der Kunde zumindest am Anfang noch Kunde ist oder aber wieder einer werden könnte“, gibt der Inkasso-Chef zu bedenken. Die Vorgehensweise seines Unternehmens ist daher wie folgt: Der Schuldner wird postalisch über die Beauftragung des Inkassounternehmens informiert und die neue Forderungshöhe (Hauptforderung, Zinsen, Inkassokosten) mitgeteilt. Zeitgleich prüft Lambertus die wirtschaftliche Situation des Schuldners bei den Auskunfteien. Wenn die Bonität gut ist, betreibt Lambertus sehr aktiv das Telefoninkasso und bietet Ratenzahlungen an. „Wenn der Kunde mehrere Verbindlichkeiten hat, versuchen wir ihn über die persönliche, freundliche Schiene dazu zu motivieren, unsere Forderung zuerst zu bezahlen“, erklärt der Inkasso-Chef. „Es kann ja wirklich sein, dass der Kunde mal kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist – dann muss man ihn anders behandeln als einen Betrüger.“ Das gerichtliche Mahnverfahren starte erst, wenn der Kunde sich stur stelle und den Kontakt abbreche. Für 25 Kfz-Betriebe zieht das Unternehmen aus Varel die Forderungen ein. Sein größter Auftraggeber aus der Automobilbranche ist seit etwa zehn Jahren das Schmidt + Koch-Autohaus Wilhelmshaven-Mitte. „Wir werden von Lambertus schnell und gut bedient“, sagt Geschäftsführer Lutz-Norbert Matheja.Außergerichtlich erfolgreichInsbesondere schätzt der Autohaus-Chef den kurzen Dienstweg beim Inkassobüro. Wenn eine Rechnung nicht bezahlt wird, lässt Matheja den Kunden kurz telefonisch von Lambertus bei der Auskunftei überprüfen. Auf dieser Grundlage werden dann weitere Schritte beschlossen. „Die außergerichtliche Erfolgsquote bei Inkassounternehmen ist höher“, weiß Matheja aus Erfahrung. Und tatsächlich stimmen die Zahlen: Durch ein intensives Mahnverfahren werden 40 bis 50 Prozent der Forderungen des norddeutschen Mehrmarkenhändlers durch Lambertus bereits vorgerichtlich eingezogen. In den übrigen Fällen wird zuerst eine Lohn- und Kostenpfändung versucht, ehe der Gerichtsvollzieher ausrücken muss. Bleibt auch der Kuckuck erfolglos, beginnt die Langzeitüberwachung. „Wir gehen den Schuldner immer wieder an, und nach gewissen Fristen lohnt es sich immer, noch mal Zwangsvollstreckung zu betreiben“, sagt Lambertus. So laufen manche Forderungen zwar über viele Jahre, einige werden aber auch eingezogen. Die Forderungsausfälle schätzt Matheja auf zehn Prozent. „Hundertprozentig vor Forderungsausfall schützen kann man sich eben nicht, wenn man Rechnungen schreibt“, sagt Lambertus.Factoring: Der ungenutzte SchatzEin besser kalkulierbares Risiko hingegen gehen Händler ein, die Factoring betreiben, also ihre Forderungen an einen Finanzdienstleister verkaufen. In der Regel erhalten sie 80 bis 90 Prozent des veräußerten Rechnungsbetrags vom Factoring-Unternehmen als liquide Mittel. Damit können sie ihr Eigenkapital unmittelbar erhöhen und je nach Factoring-Variante auch die Buchhaltung entlasten.Immer mehr mittelständische Unternehmen in Deutschland nutzen Factoring. Doch trotz eines starken jährlichen Anstiegs des Volumens um 20 Prozent sind deutsche Mittelständler im internationalen Vergleich nach wie vor zurückhaltend. Auch der Autohandel macht bisher nur selten von diesem Angebot Gebrauch. Laut AUTOHAUS-Online-Umfrage gaben gerade einmal 9 Prozent der Händler an, Außenstände mit Factoring einzutreiben. Auch die AUTOHAUS-Innungs-Umfrage ergab, dass nur 9 Prozent aller Innungen Kooperationen mit Factoring-Unternehmen unterhalten. Dabei liegen die Vorteile von Factoring auf der Hand. Verschiedene Arten des Factorings ermöglichen es Händlern zudem, die für ihr Unternehmen passende Variante auszuwählen. Am beliebtesten ist laut dem Deutschen Factoring Verband Inhouse-Factoring. 2011 wählten demnach rund 77,2 Prozent aller Unternehmen in der Bundesrepublik diese Variante, wenn sie sich für Factoring entschieden. Der Vorteil: Das Autohaus kontrolliert nach wie vor die Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen. Und erst nach Abschluss des außergerichtlichen Mahnverfahrens wird das Factoring-Unternehmen (Factor) mit dem Einzug der Forderung beauftragt. Full-Service-Factoring hingegen, bei dem der Factor neben dem Ausfallrisiko auch administrative Aufgaben sowie das Mahn- und Inkassowesen übernimmt, wurden von nur 19 Prozent der Factoringnutzer bevorzugt.FazitDer günstigste und unkomplizierteste Forderungseinzug ist für Mitgliedsbetriebe oft über ihre Kfz-Innung möglich. Insbesondere, wenn diese eine eigene Rechts- oder Inkassoabteilung betreibt oder die der Kreishandwerkerschaft mitnutzen kann. Für alle anderen Betriebe gilt: Die Honorarkosten bei Rechtsanwälten und Inkassounternehmen sind verhandelbar. In der Regel lohnt sich eine Pauschalvereinbarung für den Erfolgs- sowie für den Ausfallsfall. Bei der Wahl eines Anwalts sollte darauf geachtet werden, dass er auf Inkassodienstleistungen spezialisiert ist. Bei der Wahl eines Inkassobüros sollte der Eintrag ins Rechtsdienstleistungsregister im Internet überprüft werden. Sehr attraktiv sind auch die verschiedenen Factoring-Varianten. Natürlich sollte bei der Wahl eines Finanzdienstleisters auch auf Seriosität geachtet werden. Ein Indiz dafür ist zum Beispiel die Mitgliedschaft im Deutschen Factoring-Verband, die im Internet auf www.factoring.de einsehbar ist. ■Lesen SIe hier...... wie Sie im Zahlungsausfall an Ihr Geld kommen und worauf Sie dabei achten müssen.KurzfassungWenn erbrachte Leistungen nicht bezahlt werden, bleiben Autohäuser auf ihren Kosten sitzen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie im Notfall an Ihr Geld kommen:1. Inkasso: 53 Prozent aller Kfz-Innungen in Deutschland bieten ihren Mitgliedern den Forderungseinzug als interne Serviceleistung an. Es können aber auch externe Anwaltskanzleien oder Inkassounternehmen damit beauftragt werden. ■ Sie erhalten Ihr Geld im Erfolgsfall.2. Factoring: Die Geldforderung wird an ein anderes Unternehmen (Factor) verkauft. ■ Sie erhalten Ihr Geld sofort.Grundsätzliche RegelnDiese Grundsätze sollten Betriebe beachten:1. Bonitätsprüfung bei Neukunden ab einer möglichen Summe von etwa 1.500 Euro.2. Auftragsumfang dokumentieren und unterschreiben lassen, bevor die Reparatur durchgeführt wird. 3. Fällt während des Werkstattaufenthalts weiterer Reparaturbedarf auf, sollte dieser ebenfalls schriftlich abgesichert werden.4. Barbezahlung bei Abholung ist ideal.5. Rechnungen sowie Mahnungen mit Angabe einer kurzen Zahlungsfrist zügig schreiben.6. Nach zwei Mahnungen sollte der Vorgang an einen externen Dienstleister abgetreten werden, da weitere Mahnungen ihre Wirksamkeit verlieren.Checkliste seriositätSo arbeiten seriöse Inkassounternehmen:1. Inkassounternehmen müssen im Rechtsdienstleistungsregister (RDG) registriert sein. Kostenlos und jederzeit einsehbar ist das Register im Internet: www.rechtsdienstleistungsregister.de2. Die Mitgliedschaft im BDIU (Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen) ist zudem eine Art Gütesiegel. Die Mitglieder sind im Internet veröffentlicht:www.inkasso.de3. Forderungen sollten erst auf rechtlichen Bestand geprüft und nicht einfach eingezogen werden.4. Der Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner sollte gesucht werden.5. Die dem Gläubiger entstandenen Inkassokosten sind Teil des Verzugsschadens, den der säumige Schuldner ersetzen muss.6. Die Inkassokosten sind wie Rechtsanwaltskosten verhandelbar. Als grobe Richtlinie dient das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Preise sollten sich im Rahmen „des Üblichen und Angemessenen“ bewegen.

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