Personalarbeit im Autohaus: Kratzen, bevor es juckt

Hier geht es zur Playlist "Personal" auf AUTOHAUS next KURZFASSUNG Die traditionelle Rolle der Personalverwaltung muss sich schnell und nachhaltig zu Gunsten eines HR-Businesspartners des operativen Managements ändern. Als Werkzeug braucht es moderne, digitale Softwarelösungen und entsprechend auch die qualifizierten HR/Personalspezialisten, die mit damit umgehen können. Nicht die Größe eines Autohauses ist entscheidend, sondern allein der Fokus des Managements und die Bereitschaft zur nachhaltigen digitalen Transformation der Personalarbeit im Autohaus Jede gute Strategie beginnt mit einer ehrlichen Analyse. Wo drückt der Schuh, wo tut es weh? Wo wollen wir hin? Was müssen wir anpassen, fallen lassen oder ändern? Erfolgreiche Personalarbeit ist in Zeiten von Strukturwandel und Fachkräftemangel für die Autohäuser lebenswichtig. Claus Reutter, Personalexperte und Geschäftsführer der sopea GmbH, diskutiert in einer Artikelserie Veränderungen und Lösungen für die Betriebe. Zum Auftakt erläutert er im Interview die grundlegenden Herausforderungen für "Human Resource Management" (HR) im Jahr 2024. AH: Herr Reutter, die Branche ist im Umbruch und steht vor gewaltigen Herausforderungen. Was bedeutet das für die Personalbereiche in den Autohäusern? C. Reutter: Das stimmt! Das jahrelang bewährte Geschäftsmodell Autohaus befindet sich in einem fundamentalen Umbruch. Das bedeutet permanente Anpassungen und umfassende Veränderungen für alle Beteiligten und in der Folge für die HR/Personalarbeit im Autohaus. Dies bedingt weitere, teils neue Anforderungen: Ein effektives Management und gute, wertschätzende Mitarbeiterführung, ein digitales HR/Personal-Organisationsmodell, angepasste Rollen für die HR/Personalleiter und -mitarbeiter sowie digitale HR/Personaltechnologien und -prozesse. AH: Wo drückt es die Betriebe aus Ihrer Sicht am meisten in der täglichen Personalarbeit? C. Reutter: Das ist eine gute und auf den ersten Blick gar nicht so einfach zu beantwortende Frage. Gefühlt aktuell überall. Auf den zweiten Blick braucht es einen klaren Kopf und Zeit, um sich der Herausforderungen bewusst zu werden. Leider ist dafür oft keine Zeit. Das kennen wir allesamt zur Genüge. Was hilft, ist sich Zeit für eine genaue Bestandsanalyse zu nehmen. Jede gute Strategie beginnt mit einer ehrlichen Analyse. Wo drückt uns der Schuh, wo tut es uns eigentlich weh? Wo wollen wir hin? Was müssen wir anpassen, fallen lassen oder künftig ändern? Wie heißt es so schön: Strategie ist die Kunst, sich zu kratzen, bevor es einen juckt. Da kommen schnell einige Themen zusammen. Der Dauerbrenner, wie gewinne ich motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, die nahende Verrentung der "Baby-Boomer", das Halten und Führen meiner bestehenden Fach- und Führungskräfte. Nicht zu vergessen: die drängende Frage nach der Digitalisierung der analogen und zeitaufwendigen Personalprozesse. Scheinbar ein Fass ohne Boden. Das bedingt viel Selbstmotivation, an der Vielzahl der Herausforderungen nicht zu verzweifeln und diszipliniert einen Aspekt nach dem anderen anzugehen. Anspruchsvolle Führungsaufgabe AH: Wie verändern sich dadurch die Anforderungen und Aufgaben der Personalbereiche und vor allem für die Führungsfunktionen der Personalleitung? C. Reutter: Disruptiv, grundlegend und nachhaltig! Das macht uns Menschen Sorge und oft auch Angst. Wir sind es nicht gewohnt, dass wir uns permanent und über eine lange Zeit laufend verändern müssen. Ich betone müssen. Viele Veränderungen der letzten Jahre waren nicht die Folge einer von uns verfolgten Strategie, sondern vielmehr ein laufendes Reagieren auf Ereignisse und Konflikte, die nicht wir, sondern andere ausgelöst haben, von denen wir aber direkt betroffen waren. Hier hat sich nochmals die Geschwindigkeit der Ereignisse und damit notwendigen Veränderungen dramatisch erhöht. Mit diesem Tempo kommen viele Menschen nicht zurecht. Sie werden unter dem laufenden Druck, der von außen kommt, regelrecht mitgerissen und fühlen sich damit oft überfordert. Letztlich ist der Personalbereich, wie alle Dienstleistungsbereiche im Autohaus, ein Spiegelbild der operativen Bereiche und hier ist Anpassung und Veränderung seit Jahren ein Dauerbrenner. Die Personalleitung im Autohaus ist das Spiegelbild aller Führungskräfte, des Managements im Unternehmen. Hierin liegt die größte Anpassung, mit der geforderten Innovation und Anpassung mitzuhalten. Das erfordert große Fähigkeiten zur Resilienz und zum Changemanagement aller Führungskräfte und Zeit zum Aufladen des Akkus, sonst ist der deutlich schneller leer, also vor Corona, und das ist auf Dauer gefährlich und treibt die Krankheitsquote und Fluktuation. Ein Teufelskreis. AH: Muss sich die Organisation der Personalverwaltung in den Autohäusern ändern? Braucht es hier neue Technologien und was bedeutet das für die Qualifikation der HR-Mitarbeiter? C. Reutter: Definitiv, und zwar bitte schnell. Die traditionelle Rolle der Personalverwaltung muss sich schnell und nachhaltig zu Gunsten eines HR-Businesspartners des operativen Managements ändern. Als Werkzeug braucht es moderne, digitale Softwarelösungen und entsprechend auch die qualifizierten HR/Personalspezialisten, die damit umgehen können. Hier ist der Personalbereich oft mit Personen besetzt, die sich mit ihren analogen Arbeitsprozessen eingerichtet haben und sich schwertun, moderne Wege zu gehen. Das ist oft keine Frage der grundlegenden Qualifikation, sondern vielmehr der fehlende Mut und die Bereitschaft, sich und seine liebgewonnenen Arbeitsweisen zu hinterfragen. Digitalisierung als Grundlage AH: Stichwort Digitalisierung: Modewort oder notwendige Transformation. Wie schätzen Sie die Umsetzung aktuell ein? C. Reutter: Viel zu langsam und die Unternehmen verlieren dadurch Wettbewerbsvorteile. Ich gebe selbst zu, dass es einem bald nicht mehr so richtig aus dem Mund kommen will. Aber letztlich ist die viel geforderte Digitalisierung nichts anderes, als bestehende analoge Arbeitsprozesse zu vereinfachen, im Idealfall zu automatisieren, um damit wertvolle Arbeitszeit zu sparen. Das hört sich eigentlich einfach an. Ist es aber nicht in der Praxis. Ein typisches Beispiel dafür ist die digitale Personalakte. An diesem Thema können schon Monate, wenn nicht Jahre vergehen, bis hier wirklich offen und im Team kollaborativ gedacht wird. Wenn das in der Geschwindigkeit so weiter geht, dann brauchen wir für diese einfache Funktion weitere 20 Jahre, bis jeder Betrieb so eine zentrale Funktion eingeführt hat. Ein Drama in vielen Akten, aber jammern hilft nicht, sondern nur ranklotzen und: machen. AH: Was muss im Alltag geändert werden, was sind erfolgreiche Beispiele für eine gelungene Digitalisierung? C. Reutter: In Summe noch so einiges. Aber es gibt auch viele gute, Mut machende Beispiele. Nehmen wir nur mal die vermehrt eingeführten E-Recruiting/Bewerber-Managementsysteme. Auch wenn es die ersten Systeme seit 2004 in Deutschland gibt, haben viele Betriebe solche Softwarelösungen im Personalalltag erfolgreich im Einsatz. Die andere Seite der Medaille: Es gibt noch zahlreiche Autohäuser, die davon noch nie etwas gehört haben und damit echte Wettbewerbsnachteile haben. Die elektronische Akte, Personalakte gibt es auch schon seit vielen Jahren. Allerdings entwickeln sich viele Softwareanbieter technologisch gesehen nicht weiter und damit fallen die Systeme wiederum immer weiter zurück in ihrem Nutzen. Ein gutes Beispiel sind hier die Lohnabrechnungssysteme oder Zeitwirtschaftssysteme. Diese sind oft aus den 80er/90er Jahren, erinnern an einen Atari oder Commodore 64 PC und sind IT-technisch gesehen längst am Ende ihres Entwicklungszyklus angelangt. Diese Systeme sind fachlich oft ausgereift, aber technologisch haben diese keine Zukunft. Ich bin mir eher unsicher, ob es alle von diesen Anbietern in die nahe Softwarezukunft schaffen werden. KI in der Personalarbeit AH: Schlagwort: KI. Welche Meinung haben Sie dazu und wo ist das aus Ihrer Sicht überhaupt relevant in der täglichen Personalarbeit? C. Reutter: Auf alle Fälle ein spannendes Thema. Aber und ich lege viel Wert auf das berühmte Aber: So heiß gegessen wird das Thema in der nahen Praxis noch lange nicht, wie es uns die laufende Berichterstattung verkünden möchte. Es ist auch so angenehm in der Verpackung. Vielleicht löst uns ja die KI-Technologie so alle Probleme, die ich bisher nicht lösen konnte. Tut sie natürlich nicht! Auch die KI wird grundlegende Probleme, die ich in der Personalarbeit in den Autohäusern zu erledigen habe, nicht lösen. Ein Beispiel: Wenn ich händeringend nur drei Bewerbungen für meine Servicetechnikerstelle erhalte, dann drängt sich ja schon die Frage auf, welchen Nutzen mir in diesem Falle die KI bringen soll. Die KI ist immer dann von einem hohen Nutzen, wenn ich Massenprozesse, wie zum Beispiel der Support optimieren und weiterentwickeln möchte. Aber wenn ich keine digitalen Prozesse organisiert bekomme, dann sollte ich nicht hoffen, dass sich die KI alleine darum kümmert. Das ist Phantasieland und Träumerei, das sich verlockend anhört und allein deshalb in keinem guten Marketing mehr fehlen wird. AH: Welche Gefahren sehen Sie für die Betriebe, wenn sie den Trend zur Digitalisierung zu spät aufgreifen bzw. verschlafen? C. Reutter: Daran will ich gar nicht denken. Wie heißt es so schön: Der frühe Vogel fängt den Wurm, oder die Schnellen fressen die Langsamen. Hier ist nicht die Größe eines Autohauses entscheidend, sondern allein der Fokus des Managements und die Bereitschaft zur nachhaltigen digitalen Transformation der Personalarbeit im Autohaus. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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