Dekra: "Konsequente Weiterentwicklung"

Dekra ist mit dem Jahr 2017 zufrieden. Welche Herausforderungen auf die Branche warten, erklärt Clemens Klinke, Vorstandsmitglied der Dekra SE und Chef von Dekra Automotive, im Interview mit AUTOHAUS. AH: Herr Klinke, der Automarkt ist in Deutschland auch 2017 gewachsen. Konnte die Dekra Automobil davon profitieren? C. Klinke: Das Jahr 2017 ist im Automobilbereich gut gelaufen. Wir konnten unsere Marktposition in Deutschland behaupten und im Ausland teilweise weiter ausbauen. Wir sind also sehr zufrieden, auch wenn wir weiterhin einige Herausforderungen zu meistern haben. AH: Wie lief das Geschäft im wohl wichtigsten Bereich der HU? C. Klinke: Bei der Hauptuntersuchung haben wir aufgrund der neuen Herausforderungen im Bereich automatisiertes und vernetztes Fahren sehr viel investiert. Wir haben vor einigen Wochen in Málaga unser Testcenter eröffnet. Gleichzeitig haben wir im November den Lausitzring übernommen und verfügen somit über entsprechende Prüfkapazitäten. Dabei geht es um die Entwicklung neuer Prüfverfahren, aber nicht nur für die Hauptuntersuchung, sondern auch im Rahmen der Homologation von neuen Fahrzeugmodellen. Hier stehen die konsequente Weiterentwicklung von Assistenzsystemen und das vernetzte Fahren, die Konnektivität, im Mittelpunkt. Wir müssen hier künftig sicherstellen, dass die Verbindung zwischen den Fahrzeugen untereinander oder zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur nicht gestört wird, also dass man sich auf die Systeme verlassen kann. AH: Ist das schon konkret abzusehen, wo die Entwicklung hingeht? C. Klinke: Wir wissen, dass automatisiertes Fahren und Konnektivität einen wichtigen Beitrag leisten werden, um die Zahl der Verkehrstoten weiter zu reduzieren. Die Assistenzsysteme haben hier im Laufe der letzten Jahre schon ganz wesentliche Fortschritte gebracht. Das Ziel, Unfälle zu verhindern und die Anzahl der im Verkehr Getöteten und Verletzten zu reduzieren, steht seit 1925 in unserer Satzung. Hier tun wir schon sehr viel. Beispiele sind unser jährlich erscheinender Verkehrssicherheitsreport und weitere vielfältige Aktionen, aber natürlich auch die Hauptuntersuchung als ganz wichtiger Punkt. Automatisierte Fahrfunktionen werden einen wesentlichen Beitrag leisten. Man muss sich dann aber hundertprozentig auf die Systeme verlassen können. AH: Ist die Annahme falsch, dass diese Systeme sich selbst überprüfen können? C. Klinke: Natürlich können sich diese Systeme auch in begrenztem Umfang selbst überprüfen. Wir müssen aber von außen reinschauen können, beispielsweise um das Thema Manipulation auszuschließen. Nehmen wir an - und dies ist ein einfaches Beispiel -, bei einem Fahrzeug fällt das ABS-Steuergerät aus. Das Auto fährt auch ohne dieses Steuergerät und der Fahrer erhält nur einen Warnhinweis. Je nach Alter des Fahrzeugs scheint eine Reparatur für den Halter zumindest wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bei der HU stellen wir fest, ob das ABS-Steuergerät richtig funktioniert. Es wird aber auch manipuliert, um die Motorleistung zu verbessern. Häufig mit negativen Auswirkungen auf das Abgasverhalten. Auch das müssen wir feststellen können. Letztlich gibt es auch Funktionen, die eben nicht durch das Auto überprüft werden können. Dafür sind wir da. Ohne die HU wird es auch künftig nicht gehen. Ganz im Gegenteil: Je mehr wir uns auf die Technik verlassen, je mehr sie den Menschen als Fahrer ersetzt, umso mehr müssen wir prüfen, um sicherzustellen, dass diese Technik zuverlässig in allen Situationen funktioniert. Dazu kommt das Thema Datensicherheit. Dass von außen kein Eingriff beispielsweise durch Hacker erfolgen kann, muss auch sichergestellt sein. AH: Ist dieses Bewusstsein bei allen Beteiligten vorhanden? C. Klinke: Davon gehe ich aus. In der Vergangenheit hat sich immer gezeigt, dass unabhängige Dritte notwendig sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das nützt ja auch allen Beteiligten. Es wird ja zum Beispiel auch beim automatisierten Fahren Überschreitungen der Verkehrsregeln geben. Der Fahrer kann in diesem Fall nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Wer entscheidet dann bzw. gibt die Grundlage für die Entscheidung, wer verantwortlich ist? Hier können Kfz-Sachverständige wie schon in der Vergangenheit unabhängige, verlässliche Aussagen treffen. AH: Die HU bleibt aber der Werkstatt erhalten? C. Klinke: Auf jeden Fall. Dafür haben wir und die anderen Überwachungsorganisationen im vergangenen Jahr große Anstrengungen unternommen. Die Anforderungen an Prüfequipment und -plätze sind gerade gestiegen und werden weiter steigen, obwohl ich mich hier teilweise frage, ob die gerade gewählten Toleranzen überhaupt immer sinnvoll sind. Ich gehe aber davon aus, dass sich das System nicht grundlegend ändern, aber ständig weiterentwickeln wird; beispielsweise die Nutzung von Referenzwerten bei der Bremsenprüfung. Wir haben hier mit den anderen Prüforganisationen und der Fahrzeugsystemdaten GmbH einen guten Stand erreicht. Aber auch in Zukunft gilt: Die HU muss sich immer mit der Fahrzeugtechnik entwickeln. AH: Sie sprechen die Toleranzen bei den neuen Scheinwerfereinstellplätzen an. Wurde hier überzogen? C. Klinke: Ich bin sicher, dass hier überzogen wurde. Klar muss die hochwertige Scheinwerfertechnik extrem genau eingestellt werden. Man muss auch von Fahrzeug zu Fahrzeug unterscheiden. Vor dem Hintergrund der Art des Einsatzes der Autos im Straßenverkehr, z. B. Beladung oder Reifenverschleiß, passen die gewählten Toleranzen nicht. AH: Hier scheinen nicht alle Werkstätten aufgrund der Kosten mitziehen zu können? C. Klinke: Das muss sich noch rausstellen. Wir hatten vor vielen Jahren eine ähnliche Situation bei der Anschaffung von Bremsenprüfständen. Auch hier haben zunächst einige Werkstätten darüber nachgedacht, die notwendige Investition nicht zu tätigen und auf die HU in ihrem Haus zu verzichten. Schlussendlich waren viele dabei. Ich rechne jetzt mit einer ähnlichen Entwicklung. Die HU ist schließlich eines der wichtigsten Kundenbindungsinstrumente für die Werkstatt. Das System der unabhängigen Prüfung im Autohaus hat sich etabliert. Wir unterstützen dies ausdrücklich. AH: Welche Rolle spielt für Dekra der Lausitzring in Klettwitz? C. Klinke: Wir sprachen gerade über die Entwicklungen beim automatisierten Fahren und die Entwicklung dahin. Wir müssen diese Technik beim Neuwagen auch prüfen können. Dafür brauchen wir ein großes Prüfgelände, das Equipment und die entsprechenden Testverfahren. Wir haben uns entschieden, in Málaga zu investieren, um neue Prüfszenarien zu entwickeln. Am Lausitzring werden wir die entsprechenden Prüfungen jetzt durchführen können. Wir standen dort vor der Wahl, unser bestehendes Testgelände in Klettwitz entsprechend aufwendig umzubauen oder das benachbarte Gelände des Rings mit wesentlich geringeren Umbaumaßnahmen und entsprechend großen Flächen zu übernehmen. Hier sind wir uns dann mit dem vorherigen Besitzer schnell einig geworden. Auch wenn wir nicht selbst als Veranstalter von Motorsport-Events auftreten, wird es zukünftig weiterhin einige Motorsportveranstaltungen an diesem Standort geben. Dazu fühlen wir uns verpflichtet. AH: Herr Klinke, herzlichen Dank für das Gespräch! Interview: Ralph M. Meunzel Kurzfassung Vernetztes Fahren und Konnektivität sollen einen wichtigen Beitrag leisten, um die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren.Dekra investiert daher in Testgelände und Prüfverfahren - etwa in Málaga und am Lausitzring. Die HU muss sich zwar mit der Fahrzeugtechnik weiterentwickeln, sie wird aber der Werkstatt erhalten bleiben.

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