Das Kfz-Gewerbe Baden-Württemberg hat die Vorlage der Jahresbilanz 2023 für einen nachdrücklichen Appell für eine flexible Klimapolitik im Verkehr genutzt. "Aktuell sehen wir in Teilen der politischen Debatte – etwa zur Zukunft des Verbrennungsmotors oder beim Thema alternative Kraftstoffe – einen gefährlichen Tunnelblick mancher Akteure", sagte Landesverbandspräsident Michael Ziegler am Mittwoch in Stuttgart. Klimafreundliche individuelle Mobilität gehe aber nur mit Technologieoffenheit. Zugleich bekräftigte er: "Ein europäisches Verbrennerverbot im Jahr 2035 ist nicht sinnvoll und muss schnellstens modifiziert werden."
Ziegler beschrieb anhand von sieben Thesen (siehe Box unten) die Gefahrenpunkte, denen Autohandel und Werkstattgeschäft in diesem und den kommenden Jahren ausgesetzt sein werden. Eine seiner Kernaussagen: Das Kfz-Gewerbe steht weiter hinter dem Ausbau der Elektromobilität. Mit Blick auf die Wünsche der Kunden und die Realitäten des Fahrzeugmarktes stellte er jedoch fest: "Wir müssen die Klimafrage von der alleinigen Fokussierung auf E-Auto-Zulassungen lösen."
In die gleiche Kerbe schlug Verbandspressesprecherin Birgit Leicht. Die Politik sei aktuell ein Risikofaktor. "Wo wir früher einfach Autos gehandelt und in den Werkstätten auf Vordermann gebracht haben, pfuschen uns heutzutage allerlei Menschen ins Handwerk, die vor allem eines haben: wenig Ahnung von den Feinheiten unseres Geschäftes", erklärte Leicht. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Kapriolen des E-Auto-Marktes nach dem "überfallartigen" Ende der Förderung im vergangenen Dezember." Der Markt sei förmlich zusammengebrochen.
Steigende Preise und Umsätze
Grundsätzlich zufrieden zeigten sich die Verbandsvertreter mit dem Autojahr 2023 im Südwesten. Die Branchenerlöse kletterten demnach um über elf Prozent auf 39,4 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr davor. Darin enthalten sind auch der Neuwagen-Direktvertrieb der Hersteller und der private Gebrauchtwagenmarkt. Auf das Kfz-Gewerbe entfielen dabei gut 30 Milliarden Euro (plus 18,1 Prozent).
"Der Gesamtumsatz im baden-württembergischen Automarkt ist durch zwei Faktoren gestiegen: zum einen durch den Abbau des Auftragsüberhangs aus dem Jahr 2022, zum anderen durch gestiegene Neuwagenpreise", erläuterte Leicht. "Höhere Preise für E-Fahrzeuge haben dabei ebenso zu Buche geschlagen wie die gestiegenen Preise der Neuwagen aus den oberen Segmenten." Die Umsatzrendite lag im vergangenen Jahr bei rund drei Prozent. Leicht: "Das ist ein guter Wert, wenn er dauerhaft wäre."
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Insgesamt wurden 2023 den Angaben zufolge knapp 1,2 Millionen Autokäufe in Baden-Württemberg registriert. Das ist eine Steigerung von 7,6 Prozent im Vergleich zu 2022, gegenüber dem letzten Vorkrisenjahr 2019 aber immer noch ein Minus von 18,4 Prozent. Darunter waren 406.738 Neuwagen (plus 10,8 Prozent). Ziegler: "Wir liegen also im Land etwas über dem Bundesdurchschnitt."
Der baden-württembergische GW-Markt wuchs im vergangenen Jahr laut Verband um 6,1 Prozent auf 813.019 Besitzumschreibungen. Damit wurden rund 15,2 Milliarden Euro (plus 5,3 Prozent) erlöst. Deutlich stärker zogen die Serviceumsätze mit plus 17,6 Prozent auf über 4,5 Milliarden Euro an. (Alle Kennzahlen zum Autojahr 2023 in Baden-Württemberg finden Sie unten zum Download!)
Direktvertrieb verliert an Boden
Ziegler führte weiter aus, dass der Anteil des Hersteller-Direktvertriebs zurückgegangen sei – "erstmals seit vielen Jahren". Insgesamt 264.380 neu zugelassene Pkw bedeuten, dass der Anteil des Handels 2023 auf 65 Prozent aller abgesetzten Pkw gestiegen ist. Im Jahr davor waren es 61,3 Prozent. "Die Vertriebswege, die von den Herstellern ansonsten am Handel vorbei genutzt werden, sind also nicht weiter gewachsen", bekräftigte er.
Der Landesverbandspräsident forderte die Hersteller auf, die Leistungen des Handels "endlich fair zu honorieren". Denn der Wandel in der Automobilwirtschaft erfordere die entsprechenden Investitionen, die erwirtschaftet werden müssten. Ziegler: "Es ist höchste Zeit, Aufwand und Nutzen von Vertriebsfunktionen der Händler objektiv gegenüberzustellen und den Handel für seine Dienste fair zu entlohnen. Bei objektiver Betrachtung müssten die Hersteller zu der Erkenntnis gelangen, dass sie für die erforderliche Flexibilität und das kleingliedrige Dienstleistungsgeschäft im Handel nicht aufgestellt sind." Letztendlich sei die Übernahme von Retail-Funktionen für sie auch deutlich teurer.
Mercedes-Entscheidung "starkes Signal"
Die Entscheidung von Mercedes, seine Niederlassungen in die Unabhängigkeit zu entlassen, sei "mutig" und "bemerkenswert", so Ziegler. "Es ist nicht alltäglich, dass ein Hersteller offen zugibt, dass unabhängige Händler in der Lage sind, den Autohandel effektiver und kundennäher zu gestalten. Diese Einsicht von Mercedes ist ein starkes Signal an das Kfz-Gewerbe." Die Zukunft des Autoverkaufs liege in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, "in der jeder die Rolle spielt, die er am besten kann". Auf dieser Grundlage könnte die Zukunft für Autohändler auch profitabel sein.
- Das Autojahr 2023 in Baden-Württemberg - Kennzahlen (175.6 KB, PDF)
Ede