Ausgabe 16/2009: Keine Tricks!

Keine Tricks!Standzeiten E Ist eine lange Standzeit beim Gebrauchtwagen für sich alleine bereits ein Mangel? Autohaus-juristen rechtsanwälte G. Haug & PartnerEs ist allgemein bekannt, dass im Neuwagengeschäft eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten in der Regel nicht hingenommen werden muss. Was hat nun bei Gebrauchtwagen zu gelten? Kann ein Kunde ohne Sachmängel bei langer Standzeit den Kaufvertrag rückgängig machen? Das Landgericht Konstanz war genau dieser Auffassung. Es hatte über eine Standzeit mit Stilllegung von 19 Monaten zu entscheiden, also über erheblich mehr, als aus vergleichbaren Neuwagenentscheidungen bekannt ist. Es hat gemeint, dass eine so lange Standzeit die Gefahr technischer Standschäden in sich berge. Das sei bereits für sich alleine ein nicht behebbarer Mangel, weshalb ein Kunde vom Vertrag zurücktreten könne und dies sogar ohne Fristsetzung. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof mit deutlichen Worten entgegengetreten.Der praktische FallDer Kunde hatte einen zur Zeit stillgelegten Van beim Autohaus gekauft und das Fahrzeug sollte auf ihn zugelassen werden. Die Zulassungsstelle verweigerte gerade wegen der langen Standzeit die Wiederzulassung und verlangte ein Gutachten. Bereits dreizehn Tage nach dem Kaufvertrag konnte das Fahrzeug zugelassen abgeholt werden. Der Kunde war jedoch aufgrund der zunächst verweigerten Wiederzulassung hellhörig geworden und ließ schon nach zwei Tagen den Vertragsrücktritt erklären.Das Interessante an dem sich anschließenden Prozessverfahren war die Tatsache, dass der Kunde nie einen technischen Sachmangel behauptet hatte und nach Sachlage auch nicht behaupten konnte. Immerhin lag das Wiederzulassungsgutachten vor. Beim Amtsgericht hatte er deshalb auch keinen Erfolg. Anders beim Landgericht, das auf die bloße Standzeit abstellen wollte, ohne auf die Mangelfreiheit des Fahrzeugs im Übrigen einzugehen. Dies trotz der zusätzlichen Tatsache, dass das Fahrzeug ein Jahr vor dem Verkauf sogar beim TÜV die Hauptuntersuchung beanstandungslos bestanden hatte.Richterliche KlarstellungenLaut Bundesgerichtshof ist eine lange Stand- oder Stilllegungszeit für sich alleine noch kein Mangel (Urteil vom 10.03.09, VIII ZR 34/08). Auch von einer – stillschweigenden – Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend, dass eben keine so lange Standzeit vorgelegen haben darf, könne nicht ausgegangen werden. Der vorliegende Fall war also anders als bei den Jahreswagenfällen zu beurteilen. Dort setzt ein Kunde wegen der Wertschätzung für Jahreswagen mehreres voraus. Es muss sich um einen „jungen“ Gebrauchtwagen aus erster Hand handeln, der vor seiner Erstzulassung nicht länger als zwölf Monate gestanden hat und auch nicht mehr als ein Jahr genutzt worden ist.Im entschiedenen Fall musste der Wagen sich also nur für seine gewöhnliche Verwendung eignen und von üblicher Beschaffenheit sein. Für eine gewöhnliche Verwendung reicht es immer aus, wenn – wie hier – keine technischen Mängel vorliegen, die eine Zulassung verhindern oder die normale Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigen würden. Der normale und altersbedingte Verschleiß ist zudem auf jeden Fall hinzunehmen, worauf der BGH bei der Beschaffenheitsfrage noch extra hingewiesen hat, möglicherweise auch deshalb, weil dies von Untergerichten immer häufiger anders gesehen wird. Der Verschleißzustand hängt nach dem BGH nun einmal – in jedem Einzelfall anders – vom Alter, der Gesamtfahrleistung, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vornutzung des Fahrzeugs ab.Zudem kann es keine Aussage darüber geben, welche Standzeit bei einem Gebrauchtwagen hinzunehmen ist. Lebensnah hat der BGH auf die jeweils unterschiedliche Marktlage hingewiesen. Er hat hinzugefügt, dass rein statistische Aussagen dahingehend, vergleichbare Fahrzeuge würden anderswo schneller abgesetzt werden, nicht genügen können. Eine Durchschnittsangabe beinhaltet für sich alleine bereits die Feststellung, dass eine erhebliche Anzahl von Fahrzeugen über dem Durchschnitt gelegen haben muss, weil ansonsten kein Durchschnitt hätte gebildet werden können. Der BGH mag mit dieser Feststellung Folgeprozessen „oberschlauer“ Gebrauchtwagenkunden entgegengewirkt haben.SchlussfolgerungenStandzeiten können bei richtiger Betrachtungsweise im Gebrauchtwagengeschäft nur mit Blick auf standzeitbedingte Schäden von Bedeutung sein. Hierbei wird es darauf ankommen, wie das Fahrzeug abgestellt worden ist, z.B. in einer Halle oder im Freien, mit regelmäßiger fachmännischer Nachschau oder ohne. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass Standzeiten dann regelmäßig vernachlässigt werden können, wenn keine Mängel und insbesondere keine standzeitbedingten Mängel vorliegen. zRechtsanwalt Gernot M. Haug, kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Im Gebrauchtwagengeschäft ist auch eine Standzeit von neunzehn Monaten unschädlich, wenn keine technischen Mängel vorliegen.2. Eine Standzeit kann für sich alleine nicht als Mangel geltend gemacht werden.3. Nur im Jahreswagengeschäft ist dies anders, wie sich aus dem nebenstehenden Beitrag im Einzelnen ergibt.4. Alters- und verbrauchsbedingter Verschleiß ist grundsätzlich hinzunehmen.Kommentar: < Es gibt immer wieder erfreuliche Entscheidungen, mit denen landläufigen Kundentricks entgegengetreten wird. So war dies auch bei der Erfindung des mangelhaften Fahrzeugs ohne Mangel. Die Überlegung eines Kunden, er wolle sein Geld jetzt doch lieber für etwas anderes verwenden (Kaufreue), sollte vor Gericht keinen Bestand haben. Die hier geschilderte BGH-Entscheidung mag auch den landläufigen Überzeugungen entgegenwirken, man könne bei Mängeln an Gebrauchtwagen in jedem Fall gegen das Autohaus vorgehen oder jeder pfiffige Anwalt könne einen mit Tricks aus jedem Vertrag herausholen. >

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