Volksbank Raiffeisenbank: "Die Situation hat sich wieder stabilisiert"

Die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte steht in einem engen Kontakt mit ihren Autohauskunden. Helmut Kundiger, Generalbevollmächtigter und als Geschäftsleitungsmitglied verantwortlich für den Individualkundenvertrieb und die Vertriebssteuerung, Ingolstadt, erläutern die aktuelle Lage. AH: Herr Kundiger, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des Autohandels? H. Kundiger: Sicher angespannt, aber in Summe sind die Unternehmer eher positiv gestimmt. Die Situation hat sich in Deutschland wieder stabilisiert. Die Menschen sind ins Leben zurückgekehrt und wir stellen wieder eine Kundenfrequenz im Handel fest. Das betrifft auch das Werkstattgeschäft. Sofern weniger Autos verkauft werden, fahren die Leute ihr Auto länger, was zu häufigeren Werkstattbesuchen führt, und im Service sind die Margen noch in Ordnung. Der Autohandel hat während der Krise kostenseitig vor allem im Personalbereich reagiert. Insgesamt treten die Autohäuser also stabil auf. AH: Wie bewerten Sie aktuell den Finanzierungsbedarf Ihrer Autohauskunden? H. Kundiger: Wir legen bei unseren Kunden einen großen Wert auf die Eigenkapitalfinanzierung. In den vergangenen Wochen sind Betriebsmittelkredite stärker in Anspruch genommen worden. Guthabenpositionen sind etwas abgeschmolzen. Kritisch wäre es geworden, wenn die Situation länger gedauert hätte. Aktuell gibt es keine technischen Parameter, die ausschlagen. Unsere Überwachungssysteme melden keine Vorindikatoren. Klar werden wir das Ergebnis im kommenden Jahr dann in den Bilanzen sehen. Die Umsätze und Margen werden sich bis dahin allerdings hoffentlich so stabilisiert haben, so dass wir den Blick nach vorne richten können. Klar gibt es Situationen, bei denen wir eine Liquiditätsspitze finanzieren müssen, hier gehen wir mit, sofern die sonstigen Parameter stimmen und wir bisher eine zuverlässige und solide Beziehung zum Kunden hatten. AH: In welcher Form hat Ihr Haus auf den Lockdown reagiert? H. Kundiger: Es geht immer um drei Dinge: Kontakt, Kontakt, Kontakt! Unsere Berater hatten innerhalb von vier Wochen mit jedem unserer Kunden das Gespräch gesucht. Sofern es Entscheidungen zu treffen gab, wie zum Beispiel eine Tilgungsaussetzung oder andere Dinge in der Darlehensorganisation, wurde der Austausch intensiver. Das Entscheidende für uns war, Sicherheit zu geben und dem Kunden zu signalisieren, wir stehen an Deiner Seite. Damit der Unternehmer den Kopf frei bekam, um sich auf sein Geschäft zu konzentrieren. Das wichtigste Thema war dabei sicher die Liquiditätsplanung. Überrascht hat uns aber die betriebswirtschaftliche Arglosigkeit von manchem Unternehmer im Umgang mit der Situation. Man sollte die Wirkung der wesentlichen Stellgrößen hinsichtlich Einnahmen sowie Ausgaben und Kosten schon kennen und über das Know-how verfügen, diese Dinge vereinfacht darzustellen und vorauszuschauen, wie sich bestimmte Parameter entwickeln. Hier ging es vor allem um unterschiedliche Szenarien. AH: Sollte man sich also im Hinblick auf künftige Entwicklungen mit diesem Thema stärker beschäftigen? H. Kundiger: Das wäre wünschenswert. Defizite im betriebswirtschaftlichen Bereich haben sich während der Krise mehr oder weniger deutlich offenbart. AH: Wurden Ihrerseits Linien gekürzt? H. Kundiger: Wir haben bei unserem Autohauskunden keine einzige Linie gekürzt. Die Parameter dafür haben nicht angeschlagen und wir mussten nicht reagieren. Sicher muss man mit dem Kunden sprechen, wenn Umsätze ausbleiben. AH: Sehen Sie Autohäuser in ihrer Existenz gefährdet? H. Kundiger: Es gibt immer wieder Unternehmen, die in eine betriebswirtschaftlich schwierige Situation geraten. Wenn ein Betrieb schon vor der Krise unterkapitalisiert gewesen ist, wird die Pandemie unter Umständen die Situation verschlimmern. Das Problem lässt sich dann aber nicht auf Corona als Ursache zurückführen. Die Pandemie allein ist definitiv kein Anlass, um unternehmerisch in die Knie zu gehen. AH: Die KfW hat zwei verschiedene Kreditarten bereitgestellt. Greifen Ihre Kunden darauf zurück? H. Kundiger: Der Schnellkredit ist für die Situation geschaffen, dass mit der Hausbank nichts mehr möglich ist, also die Kreditlinien voll beansprucht sind oder der Unternehmer persönlich keine Haftung eingehen will. Die 100-prozentige Haftungsübernahme ist relativ teuer. Der Schnellkredit ist damit die absolute Ausnahme. Wir hatten demzufolge nicht mehr als zehn Anträge zu bearbeiten. Der Unternehmerkredit macht neben dem klassischen Darlehen wesentlich mehr Sinn. Hier gehen beide, also Kunde und Bank, in die Haftung. Es findet eine gründliche Prüfung statt und man benötigt dafür ein nachhaltiges Konzept. Kreditanträge zu bewerten, hängt allerdings immer von der individuellen Situation des Unternehmens ab. Die Bonität bestimmt die Kosten für den Kredit. Wenn ich als Unternehmer auf ein KfW-Darlehen mit teilweiser bzw. vollständiger Haftungsfreistellung zurückgreifen kann, ist das sicher eine gute Möglichkeit. Dann sollte das Angebot auch in Erwägung gezogen werden. AH: Mit welchen weiteren Maßnahmen kann die Liquidität gesichert werden? H. Kundiger: Es geht darum, in Szenarien zu denken. Das erste Szenario wäre die Erwartung einer Normalisierung. Szenario zwei und drei sind dann jeweils Umsatzeinbußen in bestimmten Höhen, die ich bei der Planung berücksichtigen muss. Damit habe ich die Einnahmenseite gerechnet. Dann geht es um die Ausgabenseite und hier also um die Stellräder, die ich beeinflussen kann oder muss. Wenn es im schlechtesten Szenario funktioniert, ist man auf der sicheren Seite. Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen bzw. dafür alles zu tun, um ein positives Betriebsergebnis zu erreichen. Sofern das nicht funktioniert, geht es darum, bestimmte Entscheidungen zu treffen hinsichtlich Übergabe, Verkauf, Auflösung usw. In der Regel werden negative Szenarien gerne verdrängt. Unsere Mitarbeiter sind in der Lage, hier zu beraten. Unsere Kunden bewerten es übrigens als befreiend, wenn genau diese Themen angesprochen werden. Gerade der Autohandel hatte oft schwierige Zeiten, die es zu überstehen galt. Wer heutzutage noch dabei ist, hat bestimmte Überlebenstechniken entwickelt und verfügt auch über den Willen, diese anzuwenden. Die Verhaltensweisen der Hersteller sind dabei ja auch nicht immer förderlich. AH: Was empfehlen Sie dem Handel für die Kommunikation mit seiner Bank? H. Kundiger: Je nach Umfang der Zusammenarbeit haben wir ein Kundenberatungskonzept installiert. Wir sprechen mindestens einmal im Jahr über den Jahresabschluss und die Zahlen. Sofern Auffälligkeiten bei den monatlichen Auswertungen auftreten, wäre es wünschenswert, wenn uns der Kunde vorher anspricht. Ansonsten suchen wir in einer gewissen Regelmäßigkeit das Gespräch. Sofern Veränderungen oder Investitionen anstehen, würden wir uns wünschen, frühzeitig informiert zu werden. Natürlich hat der Kunde auch immer die Möglichkeit, mit einer zweiten Bank zu sprechen. AH: Wie lautet Ihr Credo hinsichtlich des Umgangs mit Ihren Geschäftskunden? H. Kundiger: Wir sind nicht ausschließlich zahlengetrieben, es geht auch um die Beziehung zu unseren Kunden. Wenn das Rating zwischenzeitlich mal nicht passt, schauen wir uns zunächst auch die Verbindung zum Kunden an. Damit kann man auch ein kurzfristig schlechteres Rating überbrücken. Wir bewerten immer das Unternehmen und nicht die Branche. AH: Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung der Autobranche? H. Kundiger: Das Thema Mobilität ist einerseits hochaktuell, andererseits einem starken Wandel unterworfen. Die Digitalisierung wird die Entwicklungen sicher beschleunigen. Die Menschen wollen weiter mobil sein, ob dazu jeder Haushalt auch in Zukunft mehrere Autos benötigt, ist fraglich. Fahrzeuge werden aber weiter zur Verfügung stehen müssen. Der Bedarf und damit das Potenzial sind also weiterhin vorhanden. AH: Herr Kundiger, herzlichen Dank für das Gespräch!

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