Ausgabe 13/2010: Der richtige Antrieb

marktDer richtige AntriebAlternative Motorenkonzepte E Publikumsmedien vermitteln den Eindruck, dass wir alle schon bald Elektroautos fahren. Wie sieht die Realität aus? von Prof. Dr. Stefan ReindlDie Analysen am Institut für Automobilwirtschaft zeigen, dass der Marktanteil für Elektro-Fahrzeuge in Deutschland bis zum Jahr 2020 zwar auf 5 bis 8 Prozent steigen könnte. Obwohl viele Automobilhersteller bereits Fahrzeuge vorgestellt und deren Markteinführung angekündigt haben (vgl. AUTOHAUS 12-2010, Seite 52), werden batteriebetriebene E-Fahrzeuge aber nur dann eine Marktchance haben, wenn ihre Anschaffung massiv staatlich bezuschusst wird. Die ersten E-Serienfahrzeuge könnten also zum Ladenhüter werden, wenn nicht geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden.Kosten und Energieeffizienz des Elektro-AntriebsDie Kosten für den Betrieb von Elektro-Fahrzeugen sind aufgrund der höheren Energieeffizienz und der niedrigen Strompreise zwar deutlich geringer als die von Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Dem stehen aber um rund 40 Prozent höhere Investitionen für die Anschaffung gegenüber. Hinzu kommt die Reichweiten-Problematik, die mit der gegebenen Technik einen längeren Ladeprozess oder den Austausch des Batterieblockes erfordert. Dies schränkt die Alltagstauglichkeit enorm ein. Zudem muss erst die Infrastruktur für Lade- und Wechselstationen geschaffen werden. Auch der energiewirtschaftliche Aspekt ist eine Herausforderung, insbesondere die Bereitstellung ausreichender Primärenergie zu ökologisch vertretbaren Bedingungen und wettbewerbsfähigen Preisen. Die Umweltverträglichkeit hängt wesentlich vom Energie-Mix bei der Herstellung von Strom ab (siehe Grafik). Die Umweltbilanz lässt sich erheblich verbessern, wenn weniger CO2-erzeugende Energiequellen bei der Stromherstellung eingesetzt werden – also Kernkraft oder regenerative Energie. Will man der Atomkraft den Rücken kehren, erfordert ein Übergang zur E-Mobility also eine deutliche Steigerung des Anteils regenerativer Energieträger an der Stromerzeugung. Eine Erweiterung der Stromproduktion in Kohlekraftwerken könnte hingegen zu einer deutlich negativeren Bilanz führen. Antriebsarten-Mix als mittelfristige PerspektiveAuf Basis der gegebenen Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass traditionelle Benzin- und Dieselantriebe auch in den nächsten Jahren den Straßenverkehr dominieren werden. Vor allem wegen der skizzierten Abhängigkeit vom Energie-Mix sowie aufgrund der technischen und infrastrukturseitigen Barrieren wird mittelfristig auch der Anteil von Fahrzeugen, die alternative Kraftstoffe als Energiequelle nutzen, wachsen (siehe Abb.). Wir werden also in den nächsten 10 bis 20 Jahren mit einem Antriebsarten-Mix konfrontiert. Je nach Einsatzart des Fahrzeugs ist dabei zu prüfen, welche Antriebe und Kraftstoffarten dem Nutzungsverhalten des einzelnen Autofahrers und dem Einsatzzweck des Fahrzeugs am besten entgegenkommen. Alternative KraftstoffeBioethanol nimmt innerhalb der alternativen Kraftstoffe (siehe Abb.) eine Sonderrolle ein, denn es wird bereits heute in geringen Mengen dem Autokraftstoff beigemischt. Die derzeitige Ethanol-Beimischung von max. 5 Volumenprozent in Deutschland ist nahezu für alle Automodelle unproblematisch. Langfristig wird europaweit ein höherer Anteil angestrebt. Bioethanol wird aus Zuckerrüben, Getreide, Zuckerrohr oder Körnermais hergestellt. Dieser Kraftstoff ist nicht zu verwechseln mit Biodiesel (FAME). Er lässt sich in vielen, vor allem in jüngeren Dieselfahrzeugen ohne kostspielige Umrüstung verwenden. Dem gegenüber ist bei den meisten Diesel-Pkw ein Umbau für den Einsatz von Rapsöl erforderlich. Synthetische Kraftstoffe werden häufig in enger Abstimmung mit den Automobilherstellern entwickelt und produziert, damit Schäden an den konventionellen Verbrennungsmotoren vermieden werden. Ein wesentlicher Nachteil von Biogas ist die zusätzlich erforderliche Aufbereitung für den Einsatz in Pkw. Die Problematik aufwändiger Produktionsprozesse, die unzureichenden Produktionskapazitäten sowie das eingeschränkte Tankstellennetz sind wesentliche Nachteile der meisten alternativen Kraftstoffe. Hybridantriebe mit Brücken-perspektivenVor dem Hintergrund der eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten alternativer Kraftstoffe wird häufig der Hybridantrieb diskutiert. Er hat mittelfristig das Potenzial, den Energieverbrauch beim Autofahren deutlich zu reduzieren. Ökologische Vorteile ergeben sich für Vollhybride hauptsächlich in größeren Fahrzeugen. Vor allem japanische Hersteller wie Honda und Toyota haben den Weg für solche Antriebskonzepte bereitet. Deutsche Hersteller sind mit ähnlichen Angeboten nachgezogen – beispielsweise BMW mit dem ActiveHybrid und Volkswagen mit dem VW Touareg Hybrid. Allerdings fällt die kostenseitige Bilanz solcher Fahrzeuge bislang eher dürftig aus. Nach einschlägigen Kalkulationen rechnet sich ein Toyota Prius – in Relation zu einem vergleichbaren Fahrzeug mit konventionellem Benzinmotor – erst bei einer jährlichen Fahrleistung von mehr als 15.000 km. Viele Fahrzeuge können sogar erst nach einer wesentlich höheren Fahrleistung mit Kostenvorteilen punkten. Vor diesem Hintergrund wurden Hybrid-Derivate wie der Mikrohybrid, Mildhybrid oder Plug-in-Hybrid (siehe Abb.) entwickelt, um die Kosten-/Nutzenrelation – vor allem bei kleineren Fahrzeugen – in ein vernünftiges Verhältnis zu rücken.„Nutzen statt Besitzen“Die Analysen führen zur Erkenntnis, dass es „den“ Antrieb der Zukunft noch nicht gibt. Insofern kann den Autofahrern, die heute und in den nächsten Jahren ein neues oder gebrauchtes Fahrzeug kaufen, die Unsicherheit genommen werden, auf ein unzeitgemäßes Konzept zu setzen. Es ist bei der Kaufentscheidung aber wichtig, das „richtige“ Fahrzeug- und Antriebskonzept zu wählen, das ökologisch und wirtschaftlich dem eigenen Nutzungsverhalten am besten entgegenkommt. Bei dieser Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Automobilität nicht nur unter massivem Druck zur ökologischen Optimierung steht. Besonders der Kostenaspekt führt zunehmend zu Bedenken hinsichtlich des Erwerbs eines eigenen Fahrzeuges. Stand noch vor wenigen Jahren der Anschaffungspreis im Mittelpunkt der Kaufentscheidung, richten Autofahrer ihr Hauptaugenmerk nun verstärkt auf die Gesamtkosten für Nutzung und Unterhalt des Fahrzeuges – die sog. „Total Cost of Ownership“. Gerade die Unterhaltskosten sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Wesentliche Kostentreiber sind Kraftstoffe, Wartung und Reparatur sowie die Kfz-Steuer. Damit gewinnen neue Mobilitätsangebote auf Basis der Car-Sharing-Idee an Bedeutung. Das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“, das Konzepten wie „Car2Go“ in Ulm oder „Flinkster“ in Stuttgart zugrunde liegt, ist für viele Autofahrer bereits ein Leitmotiv. Durch die Vernetzung mit dem öffentlichen Verkehr eignen sich solche Mobilitätsangebote gerade für Ballungsräume. Die hohe Flexibilität bei der Wahl unterschiedlicher Verkehrsmittel je nach Wegelänge und Mobilitätszweck zu moderaten Preisen trägt ein Stück weit zur „Demokratisierung“ der Automobilität bei. Dies wissen mittlerweile nicht nur Autofahrer der unteren Einkommensklassen zu schätzen. Neue Strukturen in der AutomobilwirtschaftDominierender Veränderungstreiber für die Neuausrichtung der Wertschöpfungsstrukturen und Geschäftsmodelle in der Automobilwirtschaft ist der steigende politische und gesellschaftliche Druck im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit von Automobilen. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Vorgabe anspruchsvoller Grenzwerte als auch Sanktionsmaßnahmen gegen Hersteller, die diese Vorgaben nicht erfüllen, eine beschleunigte Entwicklung „grüner“ Technologien forcieren werden. Verstärkt wird der politische Druck durch den gesellschaftlichen Wertewandel, der zu einer wachsenden Akzeptanz und Nachfrage nach innovativen und alternativen Antriebskonzepten führt. Über die technologische Entwicklung neuer Antriebskonzepte hinaus ist auf lange Sicht auch eine dienstleistungsfokussierte Weiterentwicklung des gesamten automobilwirtschaftlichen Geschäftsmodells erforderlich. Wesentliche Veränderungstreiber ergeben sich aus dem Wandel bei den Kundenanforderungen. Es ist hierbei davon auszugehen, dass eine wachsende Zahl von Autofahrern in Zukunft kein Fahrzeug mehr besitzen, sondern nur temporär und situativ nutzen will. Verstärkt wird dieser Trend durch die wachsende Urbanisierung, die zur Folge hat, dass der spezifische Kundennutzen eines eigenen Fahrzeugs immer mehr zurückgeht. Die skizzierten Entwicklungen werden also zu gravierenden Veränderungen hinsichtlich der Strukturen und Prozesse in der Automobilwirtschaft führen. Dieser Wandel muss in Change-Management-Konzepte eingebettet werden, die zielgerichtet und proaktiv die Veränderungsprozesse in den einzelnen Unternehmen auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen initiieren und steuern. Auch die Autohäuser sind von diesem Strukturwandel betroffen (vgl. dazu auch AUTOHAUS Ausgabe 12-2010, S. 51 ff.). zLesen SIe hier...... warum es heute und morgen noch nicht „den“ Antrieb der Zukunft gibt und weshalb es immer wichtiger wird, jedem Autointeressenten den für ihn „richtigen“ Antrieb zu verkaufen.Mehr InformationIFA-Studien:z „ Elektro-Mobilität braucht Anschubfinanzierung“, Arbeitspapier Nr. 4/2010z „ E-Mobility – Zukunftsperspektive oder Sackgasse“, Arbeitspapier Nr. 4/2009www.ifa-info.demarkt

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