Testzentrum: Dekra kauft den Lausitzring

Fast 160 Millionen Euro ließ sich das Land Brandenburg den Lausitzring, genauer gesagt den "Euro-Speedway" bei Schipkau kosten, um mehr Aufschwung in die strukturschwache Region zwischen Dresden und Berlin zu bringen. Das ist jetzt knapp 20 Jahre her. Nach derzeitigem Stand bleibt für viele Enthusiasten mit Benzin und Motorsport im Blut nur die Erinnerung an eine der modernsten Rennstrecken Europas, die mit Oval, diversen Grand-Prix-Kurs-Varianten für Rennwagen und Motorräder, Handling- und Driftkurs für alle Facetten des Motorsports konzipiert und errichtet wurde. Es sei denn, es finden sich Veranstalter, die den Motorsport und andere Groß-Events dort weiter austragen wollen, aber auf eigenes Risiko organisieren. Aufgrund fehlender Rücklagen der letzten Betreibergesellschaft und notwendiger Investitionen im zweistelligen Millionenbereich in die Erhaltung der Rennstrecke, für die das Land Brandenburg leider nicht mehr in ausreichender Höhe gewonnen werden konnte, gab es bereits im letzten Jahr erste Gespräche mit Dekra. Diese wurden nun erfolgreich zum Abschluss gebracht und so übernimmt das Unternehmen nach der Durchführung noch ausstehender Events zum 1. November 2017 das gesamte Gelände und einen Teil der Mitarbeiter. Über den Kaufpreis wurde bisher nichts öffentlich bekannt. Standorterweiterung Wie Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands Dekra SE und verantwortlich für die Business Unit Automotive, im Rahmen der Pressekonferenz am 17. Juli auf der Rennstrecke sagte, stehe das Unternehmen zum Motorsport, setzt aber andere Prioritäten und werde daher nicht selbst als Veranstalter auftreten. Motorsport- und andere Events (Anm. d. Red.: Flugschau, Musikkonzerte, Markentreffen, Motocross etc.) müssten sich laut Klinke mit dem künftigen Einsatzzweck des Geländes in Einklang bringen lassen. Doch was hat man konkret vor? Wie in Klettwitz am Rande zu hören, war Dekra schon seit längerem auf der Suche nach Grundstücken und Örtlichkeiten, um sich für die aktuellen Herausforderungen in der Automobilindustrie vorzubereiten. Für das europaweit größte, herstellerunabhängige Zentrum für automatisiertes und vernetztes Fahren will Dekra am Standort Klettwitz/Schipkau einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. "Dabei geht es um Strecken und Anlagen, die das umfassende Testen von automatisierten Fahrfunktionen ermöglichen. So können wir als Entwicklungs- und Testpartner für die Automobilindustrie in Zukunft sehr komplexe Szenarien höchst flexibel darstellen, sei es für innerstädtische, außerstädtische oder Autobahnfahrten. Die Infrastruktur wird außerdem alle nötigen Komponenten zur Einbeziehung von Vehicle-to-Vehicle- bzw. Vehicle-to-Infrastructure-Kommunikation beinhalten. Zur messtechnischen Ausstattung werden moderne Systeme wie Fahrroboter, selbstfahrende Plattformen, Soft-Targets und mobile Verkehrsinfrastruktureinrichtungen gehören, mit denen wir kamera-, laser- und radarbasierte Umfelderkennungssysteme prüfen können, so Klinke. Direkt angrenzend an den Euro-Speedway Lausitz betreibt das Unternehmen bereits seit dem Jahr 2003 das Dekra Technology Center (DTC), inklusive einer Versuchsstrecke, auf der sich unter anderem Notbremsassistenzsysteme überprüfen lassen. Baustein im Verbund Die Offerte zur tatsächlich möglichen Übernahme des Lausitzrings scheint dennoch etwas überraschend gekommen zu sein. Zumindest existieren derzeit keine genau ausgearbeiteten Pläne, wie und was auf dem Areal im Einzelnen gebaut und umgebaut werden soll. So wurde in der Pressekonferenz nur von der Installation von Geisterstädten, zwei Citykursen, einem Überlandkurs und einer Autobahnstrecke (auf dem bestehenden Dekra-Test-Oval) gesprochen, in deren Umfeld sich die vernetzten, teil- und vollautonomen Fahrzeuge bewegen sollen. Der Ausbau soll im nächsten Jahr erfolgen. Inwieweit Teile der bisherigen Rennkurse genutzt werden sollen und/oder ob dafür die Zuschauertribünen abgerissen werden, war nicht zu erfahren. Nicht zuletzt wäre das der finale Todesstoß für die Rennstrecke. Andererseits eröffnen rund 500 ha Grundstücksfläche extrem viele Möglichkeiten der freien Entfaltung. Da ist zu vermuten, dass Abrissaktivitäten nicht der erste Schritt des neuen Eigentümers sind. Für Dekra ist die Erweiterung des Standorts Klettwitz ein wesentlicher Mosaikstein im Verbund mit anderen Teststandorten (zum Beispiel Malaga). "In den Aufbau dieses Testverbunds investieren wir im ersten Schritt insgesamt mehr als 30 Millionen Euro. Die Zukunftsthemen Automatisierung und Konnektivität werden für die Sicherheit der Mobilität immer wichtiger. Wir nehmen unseren 'Auftrag Sicherheit' sehr ernst, den die Dekra-Gründer vor mehr als 90 Jahren festgeschrieben haben. Deshalb bieten wir unseren Kunden aus der Automobilbranche Prüf- und Entwicklungskompetenz für die autonome und vernetzte Mobilität der Zukunft. Die Übernahme des Lausitzrings und die Zusammenführung mit dem DTC sind ein ganz entscheidender Schritt", so Stefan Kölbl, Vorsitzender des Vorstands Dekra e. V. und Dekra SE. Mit der Installation des neuen Testzentrums einher geht die Perspektive für neue, hochwertige Arbeitsplätze in der Lausitz und eine Sicherung des Standorts. Aktuell sind am Lausitzring 48 Mitarbeiter beschäftigt und knapp 100 im DTC. Mittelfristig sollen ca. 70 spezialisierte Mitarbeiter hinzukommen. Lausitzring Bereits 1991 wurde die Lausitzring Project GmbH gegründet, um einen Standort für die neue Rennstrecke in der Lausitz zu suchen. Die Wahl fiel auf den ehemaligen Tagebau Meuro. Am 17. Juni 1998 wurde der Bau der Rennstrecke begonnen und bis August 2000 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 158 Mio. Euro, 123 Mio. Euro wurden vom Land Brandenburg übernommen. In Anlehnung an deutsche Rennstrecken sollte die Rennstrecke offiziell nur Lausitzring heißen. Aus Gründen der besseren internationalen Vermarktbarkeit wurde der Name in EuroSpeedway Lausitz geändert.Bis heute nutzen mehrere Rennserien das Areal: Deutsche Motorrad-Straßenmeisterschaft (IDM), Beru Top 10, US-CART-Serie, britische ASCAR-Serie, Superbike-WM, DTM, Historische Formel-1-Meisterschaft, Viertelmeilen-Cup, Porsche GTP Weekend, Deutscher Formel-3-Cup, ADMV Classic Cup, ADAC-Masters-Weekend, FIM-Superbike-Weltmeisterschaft, Shell Eco Mara-thon. Am 1. Januar 2009 hatte die "Bietergemeinschaft alpha-Technik" den Betrieb der Rennstrecke übernommen. Quelle: Wikipedia

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