Haftungsfrage: Das passende Auto für die Waschanlage

Weitere Informationen und Services von AUTOHAUS zum Thema: Playlist: "Steuer- und Rechtsthemen" KURZFASSUNG 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen mit der Angabe "Achtung keine Haftung für (.) Heckspoiler" schließen die Haftung des Anlagenbetreibers für die Beschädigung eines serienmäßigen Heckspoilers nicht aus, wenn im AGB-Text zuvor die Haftung auf "nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile" eingeschränkt wird. 2. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs in einer Waschanlage beinhaltet die Verkehrssicherungspflicht des Anlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. 3. Wenn die für einen Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Schädigers liegen, muss nach Rechtsprechung des BGH in einem solchen Fall der Schädiger beweisen, dass ihm keine Pflichtverletzung trifft. 4. Nach Wertung des BGH im Urteil vom 21. November 2024 ist die Ursache für die Beschädigung eines serienmäßigen Fahrzeugs während eines Waschvorgangs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers zu sehen. Etliche größere Autohäuser verfügen über eigene Portalwaschanlagen. Viele Autohäuser nutzen auch den Dienst von nahe gelegenen Autowaschanlagen. Einerseits werden eigene Fahrzeuge im Bestand, seien dies Neufahrzeuge oder Gebrauchtfahrzeuge, für die Verkaufspräsentation gereinigt. Andererseits wird die Fahrzeugreinigung nach einer durchgeführten Reparatur als Dienst am Kunden vorgenommen. Sehr ärgerlich ist es, wenn am Fahrzeug nach der Fahrzeugwäsche Beschädigungen festgestellt werden. Wer haftet dann? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21. November 2024 (Az. VII ZR 39/24) zu eben dieser Haftungsfrage geurteilt. Das Besondere an dieser BGH-Entscheidung ist, dass feststand, dass sowohl das gereinigte (in der Waschanlage beschädigte) Fahrzeug als auch die Autowaschanlage sich jeweils in einem ordnungsgemäßen Zustand befanden. Der Fall Der spätere Kläger fuhr im Juli 2021 mit seinem Pkw Range Rover Sport HSE in die Autowaschanlage des späteren Beklagten ein. Bei der Waschanlage handelt es sich um eine sogenannte Portalwaschanlage. Der Kläger stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab und startete von außen vorschriftsgemäß den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der Heckspoiler des Range Rover abgerissen. Von Bedeutung für die spätere Urteilsfindung: Der Heckspoiler gehört zur serienmäßigen Ausstattung des Fahrzeugs. Es entstand am Fahrzeug des Klägers ein entsprechender Heckschaden mit Reparaturkosten in Höhe von rund 2.400 Euro. Einschließlich Wertminderung, Sachverständigenkosten und Auslagenpauschale belief sich der Schaden insgesamt auf rund 3.200 Euro. Der Waschanlagenbetreiber lehnte die Erstattung des Schadens ab. Es kam zum Prozess durch alle Instanzen. Der Kläger gewann in erster Instanz, verlor in der Berufungsinstanz und war schlussendlich in der Revision vor dem BGH erfolgreich. Allgemeine Geschäftsbedingungen Wohl jeder hat schon die vor allen Autowaschanlagen ausgehängten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur Kenntnis genommen. Auch im vorliegenden Fall waren vor der Portalwaschanlage solche AGB mit folgendem Wortlaut vorhanden: "Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen / Portalwaschanlagen: Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen (.). Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z. B. Spoiler, Antennen, Zierleisten o. Ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz." Unter dem AGB-Hinweisschild befand sich ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!". Kein Haftungsausschluss durch AGB Nach Auffassung des BGH konnte sich der Waschanlagenbetreiber nicht durch die ausgehängten AGB entlasten. Als haftungsausschließender Hinweis reichen gemäß BGH die AGB bereits deshalb nicht aus, weil dort ausdrücklich nur "nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (.) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z. B. Spoiler .)" genannt sind. Der Heckspoiler des in der Waschanlage beschädigten Fahrzeugs gehört jedoch ausgewiesenermaßen zur Serienausstattung und war - dies steht fest - auch ordnungsgemäß befestigt und vor dem Waschvorgang unbeschädigt. Der BGH ist darüber hinaus der Auffassung, dass die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile in den AGB geeignet ist, bei einem Waschanlagennutzer sogar "das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können". Auch der Hinweis "Achtung keine Haftung für (.) Heckspoiler" rechtfertigt nach Meinung des BGH keine andere Beurteilung, da dies schon im Widerspruch zu dem darüber befindlichen AGB-Text mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht serienmäßige Anbauteile steht. Verkehrssicherungspflicht Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs in einer Waschanlage umfasst im Sinne einer Verkehrssicherungspflicht die Nebenpflicht des Anlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Durch den Betrieb einer Waschanlage wird eine Gefahrenlage geschaffen, die grundsätzlich dazu verpflichtet, im zumutbaren und vernünftigen Rahmen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Nun stand im vorliegenden Fall einerseits fest, dass der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß befestigt und das Fahrzeug insgesamt vor dem Waschvorgang unbeschädigt war. Andererseits stand fest, dass die Waschanlage ordnungsgemäß funktionierte und nicht etwa lose Anlagenteile für die Beschädigung des Heckspoilers verantwortlich waren. Der in der Berufungsinstanz angehörte Sachverständige äußerte sich dahin gehend, dass die Waschanlage und der Range Rover schlicht nicht zusammenpassten. Ergibt sich bereits hieraus etwa die Haftung des Anlagenbetreibers? In der Revisionsverhandlung in Karlsruhe äußerte sich der Vorsitzende Richter des VII. Senats, Rüdiger Pamp, dahin gehend, dass es hinsichtlich der Beurteilung der Haftung letztlich um eine Wertungsfrage gehe. Wertungsfrage Bei der Behauptung der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht trägt nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich der einen Anspruch stellende Geschädigte die Beweislast dafür, dass der behauptete Schädiger eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung einen Schaden verursacht hat. Dies gilt nach Darlegung des BGH allerdings dann nicht, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im "Obhuts- und Gefahrenbereich" des Schädigers liegen. In einem solchen Fall ist es der Schädiger, der darlegen und beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft. Genau eine solche Fallkonstellation sah der BGH in seinem Urteil vom 21. November 2024 als gegeben an. Nach Wertung des BGH lag die Ursache für die Beschädigung des Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers. Der Geschädigte durfte vorliegend darauf vertrauen, dass sein serienmäßiges Fahrzeug die Waschanlage unbeschädigt verlässt. Nur ein Anlagenbetreiber ist nach Meinung des BGH im Stand, eine Schadensprävention dadurch zu betreiben, dass er in eigener Verantwortung herausfindet, welche serienmäßigen Fahrzeuge für seine Portalwaschanlage geeignet sind oder nicht - also mit seiner Waschanlage "zusammenpassen". Solche Fahrzeuge muss der Anlagenbetreiber in der Konsequenz von der Benutzung der Waschanlage ausschließen. Die vom BGH vorgenommene Wertung führte im vorliegenden Fall also zur Haftung des Betreibers der Portalwaschanlage. Das Urteil des BGH vom 21. November 2024 beantwortet allerdings nicht die Frage, ob durch die Umgestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Haftung des Waschanlagenbetreibers eventuell eingeschränkt werden kann. Rechtsanwalt Rainer Bopp kanzlei@raehaug-partner.de www.haug-partner.de KOMMENTAR Die Frage der Haftung des Betreibers der Portalwaschanlage war für den Vorsitzenden Richter des VII. Senats eine "Wertungsfrage". Dass auch eine andere Wertung hätte getroffen werden können, lässt sich nachvollziehbar aus dem Berufungsurteil des Landgerichts (LG) Münster vom 14. Februar 2024 (Az. 1 S 4/23) entnehmen. Das LG Münster hatte die Klage des geschädigten Fahrzeugbesitzers abgewiesen. Das LG sah die Gefahr, dass ein Fahrzeug-Außenteil aufgrund der Konstruktion für einen automatischen Waschvorgang ungeeignet ist, dem Risikobereich und der Verantwortungssphäre des Autobesitzers und nicht dem Verantwortungsbereich des Anlagenbetreibers zugewiesen. Nach den Urteilsgründen des LG Münster verbleibt es bei Fällen der vorliegenden Art bei der allgemeinen Beweislastregel, wonach der Kläger die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den beklagten Anlagenbetreiber beweisen muss. Maßgeblich für das LG Münster war, dass eine Fehlfunktion oder eine nicht ordnungsgemäße Wartung der Waschanlage zum Zeitpunkt des Schadensfalles nicht festgestellt werden konnte und die Anlage zum maßgeblichen Zeitpunkt den anerkannten Regeln der Technik entsprach. Nach Meinung des LG Münster ist ein Waschanlagenbetreiber nicht verpflichtet, seine Anlage auf sämtliche - gegebenenfalls auch serienmäßig ab Werk erstellte - Fahrzeugsondergestaltungen auszurichten. Dies würde zu einer ausufernden Haftung führen, die einer Garantiehaftung gleichzustellen wäre, für die es keine Grundlage gibt. Das LG Münster traf die vom BGH abweichende eigene Wertung, dass es für einen Waschanlagenbetreiber nicht zumutbar ist, sich im Einzelnen Kenntnis von jedem Fahrzeugtyp in jeder serienmäßigen Ausstattung dahin gehend zu verschaffen, welche einzelnen Bauteile den Vorgaben seiner Waschanlage möglicherweise nicht entsprechen. Der BGH hatte mit seiner davon abweichenden Wertung naturgemäß das letzte Wort.

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