Es war wieder einmal eine lange Nacht: Erst gegen halb zwölf Uhr, nach mehr als neunstündigen Verhandlungen traten Kanzlerin Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder um die Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz zu erklären. Der Druck auf die Politik war enorm: Bei vielen Menschen und Unternehmen, von denen viele vor dem Abgrund stehen, ist die Geduld am Ende. Und so verkündeten die drei dann auch Lockerungen:
Die zuletzt als zentraler Maßstab geltende Sieben-Tage-Inzidenz von 35 für Lockerungen auf breiter Front ist Geschichte - nun gilt der Wert 50. Merkel ist an diesem zentralen Punkt am späten Mittwochabend eingeknickt - offenbar auch, um ein Auseinanderdriften der Länder zu verhindern und einen Kompromiss überhaupt möglich zu machen. Hinzu kommt: Es kann nun eingeschränkte Öffnungen im Handel geben, wenn lediglich der Inzidenzwert 100 unterschritten wird. Dafür gibt es allerdings ein kompliziertes Öffnungsmodell mit diversen Abstufungen und Schrittfolgen. Die genauen Regeln haben wir weiter unten für Sie aufgelistet. Mehr über den komplexen Entscheidungsfindungsprozess gestern und dessen Hintergründe lesen sie hingegen hier: Komplizierte Corona-Lockerungen mit Risiken.
Kurz gesagt gilt: Sinkt die 7-Tage-Inzidenz in einem Bundesland oder einer Region stabil unter die Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner dürfen die Autohäuser ihre Showrooms wieder für eine begrenzte Anzahl an Kunden öffnen. Liegt der Wert über 50 aber stabil unter 100, dürfen die Autohäuser Kunden empfangen, die vorher einen Termin vereinbart haben (Click & Meet). Die einzelnen Bundesländer können – wie in der Vergangenheit bereits geschehen – natürlich aber auch noch eigene länderspezifische Regeln erlassen.
ZDK mit dem Teilerfolg nicht zufrieden
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe ist mit diesem Ergebnis nicht wirklich glücklich. Zu kompliziert, zu unübersichtlich, so der Tenor der Branchenvertreter. Die Kritik: Weil sich die Inzidenzzahlen täglich ändern, seien die Regeln weder für Kunden noch Unternehmen berechenbar. Ob man einen Betrieb öffnen dürfe oder nicht, müsse man im Grunde jeden Morgen neu entscheiden. Völlig unübersichtlich werde es zudem, sobald ein Autohaus mehrere Betriebe in unterschiedlichen Regionen und Bundesländern hat. ZDK-Präsident Jürgen Karpinski forderte daher eine bundeseinheitliche Regelung.
Auch die Regel, wonach manche Branchen ihre Betriebe wieder öffnen dürfen und andere wiederum nicht, stößt auf Unverständnis: "Wir können nicht nachvollziehen, warum unsere großzügig dimensionierten Autohäuser mit ihren erprobten Hygienekonzepten jetzt nicht sofort wieder bundesweit öffnen dürfen, wie es etwa den Gartenmärkten erlaubt wird", erklärte der ZDK-Präsident. „Vom Flächenangebot her spielen wir in der gleichen Liga, und was den Andrang der Kunden betrifft, sind unsere Betriebe mit Sicherheit noch besser für eine sofortige Öffnung aufgestellt", so Karpinski weiter.
Etwas positiver bewertet der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) die Beschlüsse: Diese seien "ein Grund für vorsichtigen Optimismus", ließ der Verband in einer Mitteilung verlauten. Die Autohäuser seien auf Click & Meet mit ihren großen Verkaufsräumen und den Hygienekonzepten bestens vorbereitet.
Und das ist der Öffnungsplan im Detail:
Stufe 1:
Der erste Öffnungsschritt gilt bereits seit 1. März. Seitdem dürfen Schulen, Kitas und Friseurbetriebe (unter strengen Hygieneauflagen) wieder öffnen. Zudem hatten einige Bundesländer wie Rheinland Pfalz und das Saarland Besuche im Autohaus wieder erlaubt, wenn vorher ein Termin vereinbart wurde (Click & Meet).
Stufe 2:
Der zweite Öffnungsschritt folgt kommenden Montag: Ab 8. März zählen Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte zum Einzelhandel des täglichen Bedarfs. Damit dürfen sie mit entsprechenden Hygienekonzepten und einer Begrenzung der Kundenzahl öffnen. Vorgesehen ist eine Person pro zehn Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und eine weitere für jede weiteren 20 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Ebenfalls öffnen dürfen bisher geschlossene körpernahe Dienstleistungsbetriebe sowie Fahr- und Flugschulen, wenn es passende Hygienekonzepte gibt. Für Dienstleistungen, bei denen nicht dauerhaft eine Maske getragen werden kann (etwa Kosmetik oder Rasur), sind ein tagesaktueller negativer Covid-19 Schnell- oder Selbsttest der Kundin oder des Kunden sowie ein Testkonzept für das Personal Voraussetzung.
Stufe 3:
Ab dem 8. März ist darüber hinaus auch der dritte Öffnungsschritt möglich – hier wird es aber kompliziert, denn dieser ist von den regionalen Inzidenzwerten abhängig:
Stabile 7-Tage-Inzidenz unter 50:
Der Einzelhandel darf wieder öffnen. Dazu zählen nach Ansicht des ZDK explizit auch Autohäuser, wie ein ZDK-Sprecher auf Anfrage von AUTOHAUS erklärte. Die Zahl der Kunden ist wie bei Buchhandlungen oder Gartenmärkten begrenzt auf einen Kunden pro 10 Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und einem weiteren für jede weiteren 20 Quadratmeter.
Darüber hinaus dürfen Museen, Galerien, Zoos, botanische Gärten und Gedenkstätten öffnen. Auch kontaktfreier Sport in kleinen Gruppen von maximal zehn Personen im Außenbereich, auch auf Außensportanlagen ist erlaubt.
Stabile oder sinkende 7-Tage-Inzidenz von unter 100:
Kunden dürfen in die Geschäfte kommen, sofern sie vorher einen Termin vereinbart haben (sog. "Click & Meet"). Dabei gilt: Ein Kunde pro angefangene 40 Quadratmeter Verkaufsfläche. Selbiges gilt auch für Museen, Galerien, Zoos, botanische Gärten und Gedenkstätten. Sport ist mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten und Sport in Gruppen von bis zu 20 Kindern bis 14 Jahren – im Außenbereich, auch auf Außensportanlagen – erlaubt
ABER: Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner an drei aufeinander folgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft. Diese Regel ist auch als "Notbremse" bekannt
Stufe 4:
Der vierte Öffnungsschritt hängt ebenfalls vom Infektionsgeschehen ab und kann erfolgen, wenn sich die 7-Tage-Inzidenz nach dem dritten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage lang nicht verschlechtert.
Stabile 7-Tage-Inzidenz unter 50:
Außengastronomie, Theatern, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos dürfen wieder öffnen. Kontaktfreier Sport im Innenbereich sowie Kontaktsport im Außenbereich ist erlaubt.
Stabile oder sinkende 7-Tage-Inzidenz unter 100:
Die Außengastronomie darf nach dem Click & Meet-Verfahren öffnen. Sitzen an einem Tisch Personen aus mehreren Hausständen, ist ein tagesaktueller negativer Schnell- oder Selbsttest erforderlich. Liegt ein solcher Test vor, dürfen auch Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos besucht und kontaktfreier Sport im Innenbereich und Kontaktsport im Außenbereich ausgeübt werden.
Auch hier gilt die Notbremse: Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner an drei aufeinander folgenden Tagen in dem Land oder der Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft.
Stufe 5:
Die letzte Öffnungsstufe kann beschlossen werden, wenn sich die 7-Tage-Inzidenz nach dem vierten Öffnungsschritt in dem Land oder der Region 14 Tage lang nicht verschlechtert hat.
Stabile 7-Tage-Inzidenz unter 50:
Freizeitveranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Freien und Kontaktsport in Innenräumen sind wieder erlaubt.
Stabile oder sinkende 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 100:
Der Einzelhandel darf öffnen. Die Zahl der Kunden ist begrenzt auf eine Person pro 10 Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und einem weiteren für jede weiteren 20 Quadratmeter. Click & Meet wie in Stufe drei bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 ist nicht mehr nötig. Darüber hinaus ist kontaktfreier Sport im Innenbereich und Kontaktsport im Außenbereich nun auch ohne Corona-Test gestattet. Wie bei den vorherigen Schritten gilt erneut die Notbremse.
hjf
Bernd Schürmann
Detlef Rüdel
Michael