Von Annika Grah/dpa
Im Verkaufsraum der Schwabengarage in Stuttgart prangen rote Prozentzeichen an den Autoscheiben. Wie überall in der Republik geben die Händler dieser Tage die Rabatte der Hersteller für neue Diesel an ihre Kunden weiter. Doch fast nirgends liegen Ursache und Wirkung der Dieselkrise so nah beieinander wie hier. Wenige hundert Meter entfernt befindet sich das Stuttgarter Neckartor. Dort schieben sich Tag für Tag tausende Autos über die B14, dort werden seit Jahren hohe Feinstaub- und Stickoxidwerte gemessen, und deswegen drohen vom 1. Januar an Fahrverbote für ältere Diesel in Stuttgart.
Einen Ansturm auf die Neuwagen sieht man allerdings auch hier in der Nähe des Neckartors nicht: "Es gibt im Neuwagenbereich einen klitzekleinen positiven Effekt", sagt Christian Laumann, Vertriebsleiter Neuwagen bei der Schwabengarage in Stuttgart. "Die meisten warten auf Nachrüstungen."
Zwar waren im Oktober auch Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel vereinbart worden. Aber zentrale Fragen sind noch offen, vor allem zur Finanzierung und Haftung. In der kommenden Woche soll es ein Spitzentreffen zwischen Bundesregierung und Autobauern geben. Bislang haben sich die Hersteller nur auf kräftige Rabatte beim Kauf eines Neuwagens mit niedrigerem Schadstoffausstoß eingelassen. Das ist Teil des Anfang Oktober geschlossenen Diesel-Kompromisses mit der Bundesregierung. Abhängig vom Modell sind bei einzelnen Autobauern bis zu 10.000 Euro Nachlass drin – allerdings nur für die oberen Preisklassen und in den von der Bundesregierung identifizierten besonders belasteten Städten.
Verhaltene Reaktionen
Die Reaktionen auf die Rabatte sind verhalten. Zwar verleiteten die Nachlässe den ein oder anderen zum Kauf eines Neuwagens, wo ansonsten nur ein Gebrauchter drin gewesen wäre, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter der Hamburger Autohaus-Gruppe Dello, Kurt Kröger. "Das sind aber nicht so viele, wie man immer glaubt", ergänzt er. "Ich gebe zu, das ist wirtschaftlich kein sehr attraktives Geschäft."
Denn die Margen im Autohandel sind ohnehin dünn. Nur ein bis zwei Prozent vom Umsatz bleiben bei den Händlern als Gewinn hängen. "Die Prämien gehen großteils einher mit dem Wegfall der normalen Rabatte", sagt Michael Ziegler, Präsident des Verbands des Kfz-Gewerbes in Baden-Württemberg. Laufen die zum Jahresende aus, werde es schwierig, von diesen hohen Nachlässen wieder wegzukommen. "Das macht die Lage im Autohandel nicht einfacher."
Großes Problem: Gebrauchtwagen
Denn die Händler haben noch ein ganz anderes Problem: Die Höfe stehen voll mit gebrauchten Diesel-Fahrzeugen, die keiner kaufen will. "Die Gebrauchtwagen auf dem Hof tun uns deutlich mehr weh, als der kleine Nutzen im Neuwagengeschäft ausgleichen könnte", so Laumann.
Insbesondere die sogenannten Leasingrückläufer aus Firmenflotten können, wenn überhaupt, nur mit hohen Rabatten verkauft werden. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) rechnet im Schnitt mit Verlusten von 25 Prozent. Derzeit haben die Autohändler nach Verbandsangaben mehr als 350.000 Euro-5-Diesel-Fahrzeuge auf ihren Höfen stehen – mit steigender Tendenz.
In Hamburg hat das bereits Folgen gezeigt: Das Hamburger Autohaus Willy Tiedtke stellte jüngst einen Insolvenzantrag. Laut "Hamburger Abendblatt" hatte das Autohaus, die Nummer drei unter den VW-Händlern in Hamburg, Probleme mit Verlusten beim Verkauf von Leasingautos.
Ohne Nachrüstungs-Lösungen drohen Insolvenzen
Diese Gefahr sieht der baden-württembergische Verbandspräsident Ziegler vor allem bei mittelgroßen Händlern mit einem hohen Anteil am Flottengeschäft. Bei ihnen drohe Wertberichtigungsbedarf, der sich bei einigen Autohäusern erst bei der Erstellung der Bilanzen im Frühjahr oder Frühsommer zeigen dürfte. Auch deshalb sei eine politische Lösung wichtig. "Wenn nicht bald eine Lösung für Nachrüstungen kommt, sehe ich eine gewisse Insolvenzquote auf uns zulaufen", warnt Ziegler. Beim BMW-Händlerverband sieht man das ähnlich: Euro 4 und Euro 5 Diesel müssten in jedem Fall durch solide Rückstellungen abgesichert werden.
Der Autohändler Andreas Weeber vom Autohaus Weeber in Weil der Stadt bei Stuttgart hat sich bereits beholfen. Bei Banken oder auch bei Herstellern ließen sich die Verluste von Restwerten mit Hilfe von Prämien wie bei einem Versicherungsvertrag absichern. "Ein Großteil des Risikos wird dadurch abgefangen." Er verkauft Euro-5-Diesel derzeit ins ganze Bundesgebiet und auch in andere Teile Europas – die große Ausnahme bildete jüngst ein Käufer aus Stuttgart, wo für das Fahren mit einem älteren Diesel von 2019 an 80 Euro Bußgeld fällig werden. Der sagt: "Bei dem Preisunterschied kann ich mich trotz des Fahrverbots oft erwischen lassen."