Die Autobranche braucht nach Einschätzung des Branchenexperten Prof. Willi Diez ein neues Denken, um im digitalen Wandel zu bestehen. "Wir müssen unseren Mindset verändern. Zuerst Nachdenken, dann Handeln – das ist immer erfolgsversprechender", sagte der ehemalige Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) am Montagabend in München. Der digitalen Transformation, die jahrzehntelange Gewissheiten, Strukturen und Traditionen aufbreche, müsse man mit Offenheit und Veränderungsbereitschaft begegnen.
In seiner Grundsatzrede zum 3. AUTOHAUS-Zukunftskongress legte Prof. Diez den Teilnehmern zwei Denkweisen besonders ans Herz: Achtsamkeit und Agilität. Hersteller und Händler müssten den Kunden genau zuhören, um zu verstehen, was im Markt passiere. "Ein ausgeprägtes Sensorium ist in heutiger Zeit wichtiger denn je." Agilität steht aus seiner Sicht für ein schnelles Handeln und eine große Experimentierfreudigkeit.
Gerade dem Automobilhandel machte der Autoprofessor in diesem Punkt Mut: Anders als die großen Konzerne mit ihren langwierigen Entscheidungsfindungen und steilen Hierarchien könnten Kfz-Betriebe Themen schneller aufgreifen und umsetzen. "Probieren Sie neue Dinge aus", appellierte der Keynote Speaker an die anwesenden Unternehmer. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Kultur der Start-ups, die sich auch in Autohäusern mit entsprechenden Personal implementieren lasse.
Kunden werden illoyaler
Ernüchternd: Nach Meinung von Prof. Diez wird der vor allem von Herstellerseite forcierte Prozess der Digitalisierung am Ende nicht zu mehr Kundenbindung führen, sondern zu weniger. "In einer vollkommen digitalisierten Welt hat der Mensch unvergleichlich mehr Möglichkeiten als in der analogen Welt – und er wird diese Möglichkeiten auch nutzen wollen." Die Digitalisierung schaffe nicht nur Alternativen, sie erleichtere es auch, diese Alternativen auszuprobieren. Jedes Angebot sei nur einen Klick weit entfernt. Das erhöhe die Flexibilität und Bindungsunwilligkeit der Kunden.
Dieser These folgend werden die ganzheitlichen Ökosysteme, mit denen einige Autobauer die Kunden derzeit unter ihrer Marke einfangen wollen, auch ihr Ziel verfehlen. Prof. Diez: "Das ist eine Illusion." Diese Systeme hätten den großen Nachteil, dass sie nicht immer die besten und nicht immer die günstigsten Produkte und Dienste, die es im Markt gebe, umfassten. Der Kunde werde sich vielmehr die für ihn interessantesten Angebote selbst zusammenstellen und mittels seiner Algorithmen ein eigenes Ökosystem aufbauen. (rp)
ExVerkäufer
Frank