Stackmann schreibt: EU-Strafzölle für Elektroautos aus China
Die EU untersucht derzeit, inwiefern China den Markt für Elektroautos verzerrt. Im Raum stehen Strafzölle auf den Import der Fahrzeuge. Bahnt sich ein neuer Handelskonflikt an? Brancheninsider Jürgen Stackmann zieht den Vergleich zu den Aktivitäten der USA und kommt zu einem klaren Ergebnis.
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Datum:
31.05.2024Lesezeit:
4 minDie EU-Kommission prüft die Erhebung von Strafzöllen auf Waren aus China, u.a. Elektroautos. Es scheint sich kaum mehr verhindern zu lassen, dass Brüssel es den US-Amerikanern gleichtut und die Abgaben erhöht. Damit hat es sich aber auch mit den Gemeinsamkeiten zwischen den USA und Europa und auch China.
USA – Machtpolitik mit Plan und Subvention
Die USA haben in zwei großen Schritten (unter den Präsidenten Donald Trump und Joe Biden) auf den schon erkennbaren und weiterhin zunehmenden Verlust an lokaler amerikanischer Wertschöpfung reagiert. Im ersten Schritt wurden unter Trump die Anforderungen an "Local Content" für in den USA vertriebene Güter deutlich erhöht – bei Nichterfüllung drohen Zölle –, um im zweiten Schritt mit dem hoch subventionierten und einfach umzusetzenden "Inflation Reduction Act" die Welt einzuladen, in den USA zu investieren, Arbeit zu schaffen, steuern zu sparen und natürlich Zölle zu umgehen. Das scheint ja – glaubt man den Analysten – gut geklappt zu haben.
Es hilft also einen Plan zu haben und diesen dann wirkungsvoll so umzusetzen, dass die lokale Wirtschaft maximalen Raum zur zukünftigen Entfaltung bekommt. Ob die USA die Zusatzschulden für den IFA jemals zurückzahlen werden, steht in den Sternen, vielleicht müssen sie dies aber auch gar nicht…
Die jüngste Anhebung der Zölle auf Elektroautos aus China von 25 auf 100 Prozent ist dagegen wohl eine rein politische Botschaft an Präsident Xi. Schon die 25 Prozent waren ausreichend hoch, um den Import von chinesischen Pkw wirtschaftlich uninteressant zu machen. Hier geht es allem Anschein nach um die Welt- und Machtpolitik. Die USA sind eine Weltmacht und wollen dies in geänderter Form auch bleiben. China möchte zu einer solchen werden – und Europa … tut sich schon mit seiner Rolle als Regionalmacht schwer.
China – mit Weitsicht, Planung und Subvention auf die technologische Überholspur
China hat nach der Öffnung seinen stetig wachsenden Binnenmarkt kontrolliert (über Joint Venture-Strukturen sowie über Zeit abnehmende Zölle), für westliche Unternehmen geöffnet (diese auch reich gemacht) und sich zudem erfolgreich als Werkbank der Welt positioniert.
Schnelles Lernen-Kopieren-Umsetzen-Verbessern machte im Zusammenspiel mit niedrigen Faktorkosten die chinesische Wirtschaft extrem wettbewerbsfähig. Zur vollen Entfaltung kommt das Potenzial Chinas aber erst durch das effektive Zusammenspiel von langfristiger staatlicher Planung, subventionierter Freisetzung von unternehmerischem Kapital und gesellschaftlichem Fokus (z.B. Bildung und Forschung) sowie einem weitgehend geschützten starken und staatlich gelenktem Binnenmarkt. Zu besichtigen etwa in der Welt der Solarzellenindustrie. Erforscht, erfunden und gestartet in Europa (Deutschland), ins Volumen geführt in China. In Deutschland schließen zurzeit die letzten verbliebenen Kleinhersteller – der Weltmarkt gehört chinesischen Anbietern, die sich gerade einen schon fast ruinösen globalen Wettbewerb untereinander liefern. Dazu gehören natürlich auch die Puls-Wechselrichter und Speicherbatteriesysteme.
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Jetzt folgt das Kapitel der Software getriebenen, batterieelektrischen Fahrzeuge (BEV) aus China. Konsequent gefördert und gefordert vom chinesischen Staat aus der einfachen Einsicht heraus, dass der Wettbewerb aus Europa und den USA im Verbrenner-Sektor wohl nicht mehr einzuholen ist. Mit "China-Speed", hoher Innovationskraft und großem Mut wurde der neue Markt aufgerollt und unter den neuen lokalen Herstellern aufgeteilt. Nach nur drei Jahren ist der Binnendruck (Kapazität und Preis) auf die lokalen neuen Hersteller so groß geworden, dass Exportwachstum zum Schlüsselfaktor für mittelfristigen Erfolg geworden ist. So war's auch geplant…
Die OEM aus Europa und den USA (auch die aus Japan und Korea) haben es nicht in der Konsequenz kommen sehen und ca. fünf Jahre zu spät reagiert. Die europäische Politik war zudem nett genug, den eigenen Markt durch entsprechende Regulatorik für BEV-Fahrzeuge zu öffnen und zu ebnen – natürlich ohne eigenen entsprechenden langfristigen Plan für die Wertschöpfung in der Region. Warum auch?
Europa – mit grünen Ambitionen und Regulatorik, aber ohne erkennbaren wirtschaftlichen Masterplan in eine ungewisse Zukunft
Den beiden wirtschaftlichen Superkräften USA und China steht Europa reichlich konzept- und planlos gegenüber. Die ambitioniert gedachte und sachlich durchaus nachvollziehbare Klimapolitik soll Europa in eine weltweite Führungsrolle auf dem Weg der globalen Dekarbonisierung katapultieren. Ehrgeizige Regulatorik, aggressive Zielsetzung – alles sehr mutig! Was leider immer noch fehlt, ist ein dazu passender wirtschaftlicher Euro-Masterplan, der diesen Mut auch für die Industrie und Investoren langfristig planbar macht und damit in die Schaffung neuer, nachhaltiger europäischer Wertschöpfung lenken könnte. Nicht mal auf nationaler Ebene (z.B. Deutschland) gelingt dies – es würde wohl auch im globalen Wettbewerb nicht reichen.
Und so teilt sich das EU-Lager in die Strafzoll-Befürworter (i.d.R. Unternehmen mit geringer oder keiner Präsenz in China) und Strafzoll-Ablehner. Die Politik mäandert herum. Fakt ist, dass gerade die deutschen Konzerne so tief mit der Wertschöpfung in China verbunden sind, dass signifikante Strafzölle diese direkt und in direkt (im Gegensatz zu den französischen und italienischen Herstellern) stark treffen werden.
BMW bezieht z.B. den neuen Elektro-Mini, Mercedes den e-Smart und VW den Cupra Tavascan aus China. Alle drei Konzerne benötigen dringend die "chinesische" Produktion, um innerhalb der EU ihre CO2-Flottenziele bis 2027 erreichen zu können. Jedes Prozent Zusatzzoll macht diese Aufgabe schlichtweg nur teurer.
Aber auch indirekt, werden gerade die deutschen Hersteller die Auswirkungen von Strafzöllen auf ihr wichtiges China-Geschäft am intensivsten spüren. In Form von unmittelbaren und mittelbaren Gegenmaßnahmen seitens der chinesischen Regierung. Nichts davon wird die Position der deutschen Autobauer in China stärken. Die negativen finanziellen Effekte dürften tiefrote Spuren durch die Bilanzen ziehen.
Auch die Antriebswende in Europa wird durch Strafzölle den nächsten Dämpfer und zeitlichen Verzug erleiden. Die Käufer warten dringend auf erschwingliche Elektro-Pkw, die bis 2026/27 zu großen Teilen aus China kommen könnten. Strafzölle behindern damit auch die politisch gewünschte Verkehrswende.
Zusammenfassung:
Die EU wird wohl nicht umhin kommen, die Zölle für Pkw aus China zu erhöhen – allein schon um international nicht als Weichei dazustehen.
Meine Empfehlung:
- Den Begriff "Strafzoll" vermeiden – dieser löst politisch sofort eine Gegenreaktionen aus.
- Den Import-Zoll im ersten Schritt auf das Niveau anheben, das die Europäer für importierte Pkw nach China zahlen. Das sind 15 Prozent (plus fünf Prozentpunkte oder politisch gesprochen 50 Prozent (!) über den Status quo). Das könnte man dann "Gleich-Zoll-Prinzip" nennen.
- Dies schließt die Lücke zur europäischen Ware im Einstiegssegment etwas – und hier ist die Wettbewerbsschwäche zu China am deutlichsten erkennbar.
- Weitere Maßnahmen hängen dann an der Reaktion Chinas. Wenn die Volksrepublik ihre Zölle anhebt, würde Europa im "Gleich-Zoll-Prinzip" nachziehen.
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Zum Autor
Jürgen Stackmann zählt zu den bekanntesten Automanagern Deutschlands. Unter anderem war er im Vorstand der Hersteller VW, Seat, Skoda und Ford tätig. Er gilt als Experte für die Bereiche Management, Vertrieb, Marketing und Finanzen.
Seit 2021 hat Stackmann einen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Zudem ist er Direktor des Institutes für Mobilität an der Universität St. Gallen. Seit 2024 verfasst der Branchenkenner exklusiv die Kolumne "Stackmann schreibt" für AUTOHAUS.
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