HB ohne Filter vom 2. November 2007
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Datum:
02.11.2007Heute mit den Themen: Markenhändlerstatus als Dummheit, Tempolimit, Manager-Supergehälter, Angela Merkel und Tata und Führungskünste
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29. Oktober - Montag
Markenhändlerstatus am Übergang zur Dummheit! Der Fiat-Beitrag vergangene Woche an dieser Stelle hat ein vielfältiges Echo ausgelöst. Als Konzentrat der Anmerkungen stellt sich die Frage, über welchen Kanal diverse Hersteller/Importeure auf Dauer ihre Fahrzeuge noch vertreiben wollen. Gibt es angeblich nur noch große Händler, entwickelt sich hier ein deutlicher Gegenpol via Hersteller/Importeure. Der "Landhandel" würde quasi eingestellt. Gut 30 Prozent der bisherigen Zulassungen würden fehlen.
Man muss an dieser Stelle bewusst machen, dass die 50 größten Händler in Deutschland zur Stunde ganze 18 Prozent der Gesamt-Neuwagenzulassung erwirtschaften. Ohne Frage ist der Intrabrand-Wettbewerb nach wie vor ein massives Übel, sprich bar jeglicher Vernunft. Dennoch, die Konzentration dient in Wahrheit auf lange Sicht nicht dem Kunden. Es ist so, dass Klein- und Mittelbetriebe näher am Kunden dran sind. Das heißt, es gibt viele Kunden, die gerne als erste Ansprechpartner gerne den Chef oder die Chefin selbst haben und natürlich den Standortvorteil vor Ort nutzen. Was ist schlecht daran?
Schaut man nun auf die Vorgaben für den Markenhandel wie für den Marken-Service, so stellt sich für viele Betriebe heute die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand, Risiko und Nutzen. Die Hersteller finanzieren über ihre Banken allenfalls selektierte Händler-Immobilien, finanzieren so gut wie keine Betriebsmittel, sprich Teilelagerbestand. Umgekehrt, die Hersteller müssen sämtliche technischen Informationen offen legen, ab 2009 sogar ins Internet stellen.
Welcher Markenbetrieb braucht da künftig noch einen Service-Vertrag mit hohen Standards, um die Normalreparaturen bzw. Inspektionen durchführen zu können? Oder die Hersteller konstruieren die zukünftige Servicedimension so, dass sich daran keine Freie Werkstatt mehr vergreifen kann. Das aber darf zumindest offen keiner sagen. Außerdem wird die Servicelandschaft pro Automodell außerhalb des Herstellerwerkes entworfen. Und Bosch weiß dann, wie das grundsätzlich für alle zugänglich gemacht wird.
Weiter: Die Garantievergütungssätze bzw. Kulanzregelungen werden immer enger gefasst. Und der Garantieaufwand pro Fahrzeug ist ohnehin bei nahezu allen Marken spürbar zurückgegangen. Man registriere ferner, welche Kanäle die Hersteller bzw. die Importeure heute auf dem freien Markt mit Originalteilen bedienen. Ich möchte da nicht wissen, was da alles heute schon über ATU läuft. Und in der Teilepraxis stehen wir erst am Anfang.
Wer zur Kenntnis nimmt, wie viel die Hersteller/Importeure obendrein über ihre Empfehlungen für Werkstattgeräte, für Additive einstreichen, für Garantieempfehlungen in Sachen Neuwagenanschlussgarantien und GW-Garantien kommt ins Grübeln, was hier der Markenhandel vor Ort, an der Front alles zu erwirtschaften hat. In erster Linie für die Hersteller und die Versicherungen, aber nicht für die eigene Tasche. Jetzt kommen mehr und mehr Hersteller noch mit eigenem Öl bzw. gezielten Ölvorgaben daher. Sie stellen das Mineralöl ja nicht selber her, sondern füllen eine spezifische Sorte in markeneigene Fläschchen. Und wieder wird die "flüssige Hand" aufgehalten.
Aus dem Kfz-Versicherungsgeschäft, in dem z.B. Volkswagenhändler im Auftrag des VVD die Allianzversicherung verkaufen, die Ford-Händler die Nürnberger Versicherung etc., werden die Hersteller ebenfalls mit satten Margen bedacht. Entsprechend eng fällt die Vermittlungsprovision für den Handel aus! Wer gar die "dunklen Kanäle" vor Augen hat, über die am Handel vorbei Fahrzeuge über nicht autorisierte Händler vermarktet werden, darf sich nicht wundern, dass die Handelsrenditen für die Händler immer dünner werden.
Wenn eben Fiat, und nicht Fiat allein, inzwischen über 30 Prozent seiner Neuwagenzulassungen als Tageszulassung auf den Markt schleudert, dann hat das für das gesamte Neuwagengeschäft abfällige Wirkung. Wer solide ist und wirklich die vielgepriesene Kundenzufriedenheit im Kopfe trägt, darf dem Kunden gar keinen Neuwagen mehr andienen, sondern muss ihn auf die Kurzzulassungen vertrösten.
Stellt man sich dann die Konzernherren vor, die, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst auf der außerordentlichen Hauptversammlung in Berlin am 4. Oktober deutlich machte, dass Daimler 2010 sage und schreibe 10 Prozent Rendite schreiben wird, dann muss die Zentralfrage auf den Tisch: Was will der Hersteller den Handel noch verdienen lassen? Noch ist es so: Der Hersteller bestimmt über die Marge die Höhe des Einkommens im Handel!
Man kann es unter wirtschaftlichen Aspekten gar nicht mehr nachvollziehen, dass so viele Händler an ihrem Markenvertrag kleben. Mir ist ein freier Händler bekannt, er verkauft pro Jahr 12.000 Fahrzeuge, neu wie gebraucht, der pro Fahrzeug 2.600 Euro Bruttoertrag erwirtschaftet und eine Gesamtumsatzrendite im zweistelligen Bereich schreibt. Nachgewiesen! Das glaubt ja keiner. Es ist so!
Dieser Händler stellt im freien Handel gewiss nicht die Norm dar. Der freie Automobilhandel in Summe weist aber eine Umsatzrendite von vier Prozent aus, wo der Markenhandel bei 0,7 Prozent steht. Es stimmen die Proportionen nicht mehr! Es ist wirtschaftlich wie mittelstandspolitisch im Automobilgewerbe untragbar, was sich derzeit hinter den Kulissen abspielt. Schlimm, wenn die Schaffer, die eigentlichen Kundendiener zu Idioten abgestempelt werden. Man darf sich das nicht mehr gefallen lassen. Der Markenhandel hat bereits die Grenze überschritten, ab der Marken- wie Herstellerloyalität zu Dummheit wird! Da sollte man nicht fördern.
30. Oktober - Weltspartag
Tempolimit 130 km/h. Es gibt in Deutschland Gegebenheiten die dokumentieren, dass nicht alles im Lande demokratiefähig ist. Dazu gehören aus unserer Branche die Spritpreise und das Thema Tempolimit. Je nach Sicht der Dinge bzw. Interessenssicht, wird der politische Einfluss ausgelebt. Man denke an den Katalysator, an das "bleifreie Benzin", an die "Smog-Plakette", etc. Zu oft geht es dabei nicht um die Wahrheit. Tempo 130 hilft der Umwelt kaum. So wird behauptet. Der neue Erzfeind ist derzeit das CO2. Alle Blicke richten sich ausschließlich darauf. Konsens besteht auf alle Fälle darin, dass die Automobile sparsamer werden müssen. Und wer löst den Widerspruch des Kundenwunsches nach größeren Automobilen und stärkeren Motoren gegen die ökologischen Ansprüche auf? Wer durchschlägt diesen Knoten?
Dennoch, wer die Sprit-Verbrauchsangaben in den Prospekten der Hersteller mit den eigenen Realitäten vergleicht stellt immer fest, dass er mehr verbraucht. Und das liegt nicht am eigenen Gaspedalfuß! Das liegt an der europaweit vorgeschriebenen Modalität einer Messfahrt. Diese endet nämlich bei Tempo 120 km/h. Der TÜV Nord in Essen, der saubere Messungen durchführt, kommt zur Erkenntnis, dass beispielsweise ein kleines Mittelklasseauto, 1,1 Liter Hubraum, bei Tempo 130 doppelt so viel CO2 in die Luft bläst wie bei Tempo 100. Wird der Motor auf 160 km/h hochgefahren, wachsen Verbrauch und CO2-Ausstoß um ein Vielfaches. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar behauptet, dass einige Autos bewusst so konstruiert seien, dass sie nur innerhalb der vorgegebenen Testmodalität klimaartig abschneiden.
Machen wir uns nichts vor, über die wahre Lage wird hier ganz gezielt mit Vermutungen gearbeitet, um politisch nach Bedarf agieren zu können. Mal sehen, wie lange die gefühlte Restfreiheit auf der Straße noch ein zwingendes Muss bleiben wird. Ein Lkw-Verkehr, der sich bis zum Jahre 2015 um weitere 60 Prozent mehren wird, setzt da ganz natürliche Beschränkungen. Selbst nachts!
31. Oktober – Reformationsfest
Supergehälter! Tenor der Darstellung vor einer Woche war der Nachweis, warum die Pferde im Neufahrzeugbereich 2007 nicht saufen. Weil die verfügbaren Einkommen der Normaleinkommensbezieher inzwischen scharfe Grenzen setzt. Wer da die Raffgier deutscher Manager den deutschen Normaleinkünften entgegensetzt, muss viele Fragezeichen anbringen. Es ist ein offenes Geheimnis, weshalb Porsche-Chef Wiedeking mit aller Macht verhindert, dass AG-Gehälter offen gelegt werden müssen. Focus räumte ihm sogar standesgemäß eine Seite für seine freie Sicht der Dinge ein.
Wiedeking gilt mit 20 Mio. Euro Jahresbezügen als bestbezahlter Manager Deutschlands. Herr Schrempp, der 100 Mrd. Euro über seine Welt AG einschließlich der Ehe im Himmel mit Chrysler in den Sand gesetzt hat, hat für die jetzt durchgestellte Trennung von Daimler-Chrysler über seine Aktienoptionen 100 Mio. Euro auf seinem Privatkonto. Wo bleibt der gewerkschaftliche Aufschrei?!
Derartige Dimensionen bedeuten, dass hier diverse Manager 500-Mal mehr als ein normaler, leistungsfähiger Mitarbeiter verdienen. Herr Schrempp und 500-Mal leistungsfähiger? Maßlosigkeit ist die eine Seite, die andere liegt im Shareholder-Value-Gedanken. Warum sich mit zehn Prozent Rendite zufrieden geben, wenn der Kleinste, sprich Porsche 19 Prozent macht und Arbeitsplätze ins billigere Ausland verlagert? Es sind vielfach die Unternehmensberatungsfirmen, Finanzanalysten, Heuschreckenbetreiber, die derartiges Ansinnen gezielt fordern und stützen.
Sollte gar ein Manager der Auffassung sein, dass er die Kausalität für derartige Monetärdimensionen darstellt, dann ist das ein völlig verzogenes Bild über die eigene Wertschöpfung bis hin zum Teamgeist in einem komplexen Unternehmen. Die Manager betonen zu arg die variablen Anteile ihrer Vergütung. Genau diese macht sie zu geldgesteuerten Handlangern. Man bedenke, dass Manager in Wahrheit keine Unternehmer sind. Sie tragen keinerlei persönliches Risiko!
Im Gegenteil, persönliches Fehlverhalten wird versicherungstechnisch über hohe Prämien abgestützt. Wenn – wie gegenwärtig bei der Bahn –, die Lokomotivführer die vergangenen zehn Jahre mehr oder weniger in Sachen Lohnsteigerungen leer ausgingen, die Vorstände sich aber die vergangenen vier Jahre ihre Bezüge um 300 Prozent aufstockten, dann hat das mit elitärem Verhalten, sprich mit Vorbildfunktion, wirklich nichts zu tun. Will das Management mehr verdienen, so ist die Bedingung zu setzen, dass alle anderen im Unternehmen auch mehr verdienen. Dann hätte jeder die gesamtheitliche Sicht der Dinge im Auge und auch Entlassungen würden persönlich spürbar.
1. November – Allerheiligen
Angela Merkel und Tata. Die ökonomischen Entwicklungen in China und Indien halten die Welt in Atem. Im Jahre 2020 wird Indien mit 1,4 Mrd. Menschen China überholen. Manche Ökonomen munkeln, dass Indien dank Reformen und der günstigeren demografischen Entwicklung in 15 bis 20 Jahren vor China stehen wird. Die Kanzlerin ist gegenwärtig dabei, die Alternativen für die deutsche Politik in Indien auszuloten und für die deutsche Wirtschaft glänzende Perspektiven darzustellen. Automobilistisch fällt hier nach Marktführer Maruti der zweitgrößte indische Automobil-Hersteller, nämlich Tata, ins Auge.
Tata ist das größte indische Privatunternehmen und wird von dem legendären bald 70-jährigen Unternehmer Ratan Tatan gesteuert. Tata Motors plant zur Stunde den billigsten Kleinwagen der Welt zu bauen: 1.760 Euro. Der billigste Maruti 800 kostet doppelt so viel. Dieses Fahrzeug soll die Massenmotorisierung in Indien einläuten. Im zweiten Jahr nach Produktionsbeginn sollen bereits 1 Mio. Exemplare verkauft werden. Wie das allerdings auf Indiens Straßen funktionieren soll, bedarf noch arg großer Lösungen. Bleibt dennoch die Frage, ob sich ein Fahrzeug in dieser Preiskategorie für einen Hersteller noch rechnet? Auch wenn diese Fahrzeuge die Euro-Normen noch nicht erfüllen, sie werden kommen. Und da werden sich dann noch einige über ihre überzogene Preislandschaft wundern!
2. November - Freitag
Führungskünste. Auf einem Führungskräftetreffen der AUTOHAUS-Akademie sprachen wir über die Führungs- bzw. Managementaufgaben im Autohaus. Dabei stellen wir fest: Der Definitionsbereich zum Thema Führung ist sehr breit ausgelegt. Die Kunst liegt darin, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Wer zu spät kommt bestraft das Leben. Wer zu früh kommt ebenso. Dennoch, die einen "Führer" haben Erfolg, die anderen weniger.
Woran liegt das? Wir haben mit den Führungskräften dazu folgende sieben Schwerpunkte herausgearbeitet, die die besondere Wirksamkeit der Führung ausmachen:
1. Konzentration auf das Wesentliche. Das ist am wichtigsten.
2. Verzichte auf komplizierende Instrumente.
3. Stelle die Stärken des Einzelnen in den Mittelpunkt.
4. Konzentriere dich auf Ergebnisse.
5. Schaffe stets Klarheit.
6. Ziehe Konsequenzen.
7. Sorge für eine gute Stimmung!
Zum Nachdenken empfohlen!
Spruch der Woche:
"Defizit is, wat de hast,
wenn de weniger hast,
wie Du hättest,
wenn Du nischt hast.
(Und das ist derzeit die wahre Lage vieler Automobilhändler, einschließlich MB-Vertreter)
Mit meinen besten Grüßen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
East 17
fh
Thorsten G. Hillmann