HB ohne Filter vom 16. Oktober 2009
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16.10.2009Heute zu den Themen: Auto-Preispolitik, Pkw-Maut, BGH-Urteil Gebrauchtwagengarantie, BMW-Wechselbäder, Lehrstellenrückgang.
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12. Oktober - Montag
Auto-Preispolitik. Dieser Tage diskutierten wir in einem Händlerkreis die anstehende Übergangsphase von der Öko-Prämie zu reduzierten Absatzmengen in 2010. Dabei stellten wir fest, dass die meisten Hersteller und Importeure an ihrer Übermenge dank Abwrackprämie für 2010 festhalten wollen. Es sei an dieser Stelle deutlich gemacht, dass kein Händler zu einer bestimmten Absatzmenge X gezwungen werden kann. Bei Meinungsdifferenzen mit dem Hersteller kann – so die GVO – die Schiedsstelle angerufen werden. Jetzt steht wieder die Zeit der Einheitendrückerkommandos an, um die 2010-Einheiten ganz hoch fest zu zurren. Es ist so! An dieser Stelle offenbart sich ein großer Zielkonflikt. Die Hersteller sind zu Volumenmengen um jeden Preis verdammt. Selbst im Premiumsegment. Das sehen große Automobilhändler auch so. Je höher die Absatzmenge für den Hersteller, umso größer der Deckungsbeitrag pro Einheit. Der Hersteller erhält vom Händler stets den festen Werksabgabepreis. Auffallend viele von den ganz großen Händlern hängen aber derzeit arg in den Seilen. Der normale und gesunde Automobilhändler will dagegenpro Einheit Geld verdienen. Aufgrund der Abwrackprämie bewegen wir uns derzeit auf einem verdammt hohen Dudenhöffer-Niveau. BMW offeriert 7er im Erstgesprächüber ihre Niederlassungen mit 25 Prozent Nachlass. Der Audi A3 1.6 Attraction ist mit 29 Prozent Nachlass zu haben.
Jetzt sitzen für die Preis- und Marketinggestaltung bei den einzelnen Herstellern wie Importeuren die Herren beider Fronten in Marketingarbeitskreisen zusammen, um die Pakete für die anstehende Zeit festzulegen. Da wird seitens der Vertreter des Handels, die diese zähe und oft unerfreuliche Arbeit wahrnehmen, viel ehrenamtliches Engagement eingebracht. Immer wieder muss man dann feststellen, dass seitens der Hersteller/Importeure wieder mit gezinkten Karten gespielt wurde. Die Hersteller setzen – wie oben angedeutet – auf Masse, auf Maximierung, nicht auf Optimierung. Und dazu werden ganz subtile Programme gefahren. Ein Fiat-Händler stellt das dann in der Händlerrunde so dar. Über das sogenannte Ecoplus Bonus-Paket wird pro Fahrzeugmodell die Händlerbeteiligung ausgehandelt. In Wahrheit sprechen wir hier von faktischer Margenkürzung. Heimlich, still und leise führt Fiat trotz Arbeitskreissitzung eine ganz neue Alternative ein. Man nennt sie Flex-Prämie. Im Arbeitskreis wird darüber aber kein Wort verloren. Fiat verkündet dann der Händlerschaft das Gesamtprogramm und tut so, als wäre die Flex-Prämie eine gemeinsam getroffene Vereinbarung. De facto hat Fiat-Verkaufschef Hans-Jürgen Kronenberg das neue Händlerbeteiligungspaket aus eigennützigen Gründen verschwiegen. Fiats Offerte: Gewährt ein Händler einem Kunden einen Nachlass in Höhe von 28 Prozent, schießt Fiat hierzu 16 Prozent bei und der Händler von seiner Marge die fehlenden zwölf Prozent. Wer vernünftig kalkuliert weiß, dass jeder Nachlass über neun Prozent in Wahrheit für den Händler ein Verlustgeschäft darstellt. Irgendeinen Händleridioten – ein Idiot ist ein einfach denkender Mensch – gibt es immer, der aufgrund seines Bankendrucks in preisaggressives Verhalten verliebt ist. Fiat sucht also mit subtilen Mitteln den Idioten, der den Anfang macht und die anderen, gleich einem Schneeballsystem unter Zugzwang setzt. Jetzt schrieb Fiat in seinen Niederlassungen 2009 schon 15 Millionen Euro Verlust – und sie verteilen zu Lasten Dritter fleißig weiter. Das Beispiel zeigt – und es ist in etlichen anderen Marken nicht anders –, wie ernst man es in Wahrheit mit der Rendite im Handel nimmt. Es ist für den Automobilhandel besser, Deiche zu bauen, als darauf zu hoffen, dass die Preis-Flut der Hersteller/Importeure Vernunft annimmt. Wir sind in den kommenden Monaten auf intelligente Preissysteme angewiesen. Nach wie vor ist die Flat-Rate die klügste Konstellation. Sie müsste jetzt nicht nur für Neuwagen, sondern auch für Gebrauchtwagen eingezogen werden.
13. Oktober - Dienstag
Pkw-Maut. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen kommt auch die Pkw-Maut zur Sprache. Die CDU ist dagegen. Der ADAC auch. Man fürchtet eine Verteuerung des Autofahrens. Und 53 Milliarden Euro Steuerbeitrag durch das Automobil sind wahrlich genug. Wer aber beispielsweise in Bregenz an der Österreichischen Grenze einmal kontrolliert wurde und für das fehlende "Pickerl" durch den Brenner dann mit 120 Euro von österreichischen Abkassierern bedacht wurde, fragt sich, weshalb eigentlich ausländische Verkehrsteilnehmer nicht gleichermaßen für deutsche Straßennutzung zahlen müssen. EU-rechtlich ist es so, dass man nicht ausschließlich ausländische Fahrzeuge mautmäßig belegen darf. Eine zu erhebende Maut muss von allen Autofahrern gleichermaßen bezahlt werden. Man mache es wie in der Schweiz, da kostet die Jahresmaut fix 27,50 Euro (40 SFR). Um diesen Betrag wird die Kfz-Steuer gesenkt. So lässt sich das praktisch lösen! Die Gefahr ist, dass die politischen Raubritter in absehbarer Zeit dann auf die streckenabhängige Maut übergehen. Das elektronische Mautsystem für Lkw wird im zweiten Gang nahtlos auf den Pkw übergestülpt. Die notwendige Nachrüstung für die Pkw wäre zumindest kurzfristig wieder ein attraktives Konjunkturpaket für die Branche.
14. Oktober - Mittwoch
BGH-Urteil Gebrauchtwagengarantie. Der BGH hat ein Grundsatzurteil gesprochen! Das Urteil stützt den Konsumenten, weniger die Gebrauchtwagengarantie verkaufenden Unternehmen. Nach neuester Rechtsprechung darf eine GW-Garantie nicht davon abhängig gemacht werden, dass fällige Inspektionen in der Werkstatt des Verkäufers in Auftrag gegeben werden. Zugleich kippte der BGH eine Klausel, nach der eine Schadensregulierung erst bei Vorlage der Reparaturrechnung erfolgt. Wir kommen nach eingehender Prüfung in AH auf den Sachverhalt zurück.
15. Oktober - Donnerstag
BMW-Wechselbäder. Jeder IAA-Besucher hat die hervorragend inszenierte Aufbruchsstimmung am neuen BMW-Stand in der Halle 11 in bester Erinnerung. Trotz Krise nahm jeder das Gefühl mit: Die kommen. Oder anders: Sie können es noch! Man drückt kräftig auf die Hupe und betont, im Premiumbereich weltweit die Nummer eins zu sein. Was immer Premiumbereich auch bedeuten mag. In Deutschland hat er zumindest im oberen Bereich markante Einbrüche. Im Januar 2010 kommt der neue Fünfer und 2011 der neue Dreier. Schon sieht man die BMW-Absatzlatte in wenigen Jahren bei über 1,6 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Gegenwärtig steht man bei 1,3 Millionen. China soll das richten.
Daneben heißt die Devise: Sparen. Dazu gehört nicht nur der Ausstieg aus der Formel-1, sondern auch gezielter Personalabbau. Die Manager strotzen vor Selbstbewusstsein. Im Verkauf reden sie von Händlerqualifizierung, von der Emotionalisierung der Verkäufer und des Verkaufens. Spätestens da fällt man dann in ganz arge Vorbehalte. Kein Wort fällt über die hohe Verkäuferfluktuation. Kein Wort fällt über deren Einkommenseinbußen. Und dann sollen die die Marke vor Kunde emotionalisieren. Dieser Tage saß ich mit einem markanten BMW-Verkäufer zusammen. Er meinte, bei BMW zählen nur die Ergebnisse, anstatt Freude an der Arbeit, Kooperation oder das Wohlergehen der Menschen. In Verkäuferbesprechungen, Monologe des Verkaufsleiters, werden ausschließlich Absatz-, Ertrags- und Bank-Penetrationszahlen sowie PPL-Ergebnisse (Kundenzufriedenheit) verglichen. Wo die Ziele nicht erreicht wurden, wird ermahnt, dass der Arbeitseinsatz erhöht werden muss. Wäre es nicht sinnvoller zu diskutieren, wie die Arbeit erleichtert werden kann oder was besser gemacht werden könnte? Dann würde die Verkaufsleitung herausfinden, dass z.B. der administrative Aufwand zu hoch ist, dass Verkäufer systembedingt gehindert werden, Kunden anzusprechen.
Ich wollte Fakten wissen. Beim Verkauf eines BMW hat der Verkäufer die Kundenadresse systemseitig anzulegen, soweit noch nicht vorhanden. Die Bestellung, der Finanzierungsantrag werden ausgedruckt und vom Kunden unterschieben. Im Anschluss ist der Werkstatt-Auftrag zu schreiben um mitzuteilen, was an dem Fahrzeug zu machen ist. Hier muss die Kundenadresse erneut angegeben und mit der Fahrgestellnummer, Ordernummer des Fahrzeugs, Farbe, Erstzulassung und Kilometerstand ergänzt werden. Alle diese Daten sind bereits in der systemseitigen Bestellung vorhanden. Auf einem weiteren Dokument zum Premium-Selection-Fahrzeugcheck ist ebenfalls Kundenname, Fahrgestellnummer, Kilometerstand und Erstzulassung aufzuführen. Auf einem dritten Dokument für die optische Fahrzeugaufbereitung, die von einer Fremdfirma bewerkstelligt wird, ist wieder Kundenname, Fahrgestellnummer, Ordernummer des Fahrzeugs, Farbe etc. einzutragen. Auf einem vierten Dokument, der Zulassungsvollmacht, ist abermals die Kundenadresse aufzuführen. Wird ein Fahrzeug in Zahlung genommen, so ist die Kundenadresse ein fünftes Mal auf dem Gebrauchtwagenbewertungsbericht aufzuführen. Ein sechstes Mal ist die Kundenadresse bei der Auslieferung auf dem Ankaufformular für die Inzahlungnahme zu notieren. Im SPS (Sales Performance System) ist schließlich die Kalkulation des Geschäftes zu dokumentieren. Diese Dokumente sind dem Verkaufsleiter zu präsentieren, damit er sie genehmigt. Vom Aufladen der Batterien oder den zweitmonatlichen Preiskorrekturen der Fahrzeuge, sprich neue Preisschilder auszustellen, ganz zu schweigen. Das Fazit des BMW-Verkäufers: Was ich sehe, sind durchweg ernste, betretene Verkäufer-Mienen. Keiner meiner Kollegen strahlt Zufriedenheit aus. Man würde sich wünschen, dass die oben einmal in die Niederungen gingen und einen Tag miterleben würden, wie wirklich der Verkäuferalltag an der Front aussieht. So, wie man sich von Politikern wünschen würde, dass sie sich mal direkt unter die betroffenen Menschen begeben. Komisch, die Fahrzeugmodelle sind bei BMW sehr gut, das Marketing gleichermaßen. Auch das Markenimage stimmt. Wo bleiben die Vertriebsmanager, die den Vertrieb mit vergleichbarer Klasse zu gestalten wissen. Da leiden sie an Unterbelichtung! Daher ist viel Zweit- und Dritt-Garnitur unterwegs. Und sie erinnern an Stabsunteroffiziere, die ein Leben lang oben nichts zu sagen haben und daher nach unten nur das Weitertreten verstehen.
16. Oktober - Freitag
Lehrstellenrückgang. Drei Gründe sind dafür maßgebend: 1. Der Geburtenrückgang schlägt auf die Zahl der Schulabgänger zurück. 2. Die Jugendlichen bleiben vielfach länger in der Schule. 3. Die wirtschaftliche Entwicklung lässt manches Autohaus Zurückhaltung in der Lehrstellenbesetzung üben. Wer an die Herausforderungen in unserem Gewerbe denkt und dabei speziell die elektronische Entwicklung in den Automobilen vor sich sieht, weiß, dass wir weiterhin sehr gute Fachkräfte brauchen. Immer wieder ist von ernst zu nehmenden Führungskräften der Branche zu hören, dass etliche Bewerber schlicht und ergreifend nicht ausbildungsfähig sind. Es mangele an Disziplin und guten Manieren. Ich bedauere, dass keine der Parteien es schafft, in Sachen Hauptschule neue Wege zu gehen. Unser Gewerbe, wie viele andere mittelständische Branchen gleichermaßen, bezieht seinen Nachwuchs bislang vorwiegend aus Hauptschulabgängern. Dort sollte weniger Wert auf die deutsche Rechtschreibung und mehr Wert auf die individuelle Förderung der praktischen Begabungen der Schüler gelegt werden. Ihre individuellen Stärken sollten viel mehr für praktische Tätigkeiten gefördert werden, so dass sie ein gutes Fundament für den Berufseinstieg mitbringen. Es ist ja schön, wenn sich das Bildungsniveau über mehr Bachelor-Abgänge erhöht. Was nützt es aber, wenn wir lauter "Gescheite" haben, aber gleichermaßen tüchtige Praktiker brauchen? Wo setzt sich hier der Mittelstand konzeptionell wirkungsvoll in Szene?
Spruch der Woche:
"Anmaßung ist der beste Panzer, den ein Mensch tragen kann." (J. K. Jerome)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Jens Schell
Irene rieger
Mike Müller
Michael Schramm
Dieter M. Hoelzel
Automobilist
Pete Kranz
Dipl.Kfm.Karlheinz Müller