HB ohne Filter vom 03. Juni 2011
präsentiert von

Datum:
03.06.2011Heute zu den Themen: Die unendliche Rabattschraube im Neuwagenspiel, Vatertagsphänomene, drohender Verkehrsinfarkt.
Steigen Sie ein in die Diskussion! Am Ende des Beitrags finden Sie den Button “Kommentare“. Klicken Sie darauf und kommentieren Sie Prof. Brachats Kommentar.
30. Mai - Montag
Die unendliche Rabattschraube im Neuwagenspiel. Wenn in großer Regelmäßigkeit diverse Zeitungen im Wirtschaftsteil ihre Erkenntnisse zur automobilen Rabattschleuderdimension auf dem "automobilen Dudenhöffer-Effekt" abstützen, staunt man über die oberflächlichen Differenzierungsgrade. Je nach Marke und Modell stehen derzeit markante Lieferzeiten ins Haus. Kombinieren wir diesen Aspekt mit der erfreulich hohen Nachfrage, müsste es eigentlich in der Neuwagenkasse der Händler so richtig klingeln. Dem ist aber nicht so. Wer die Verkaufskosten im Neufahrzeuggeschäft im Markenhandel sauber analysiert, weiß, dass ein Händler zehn Prozent seiner Marge dafür deckeln muss. Die Neuwagenmargen liegen im Schnitt zwischen 15 und 17 Prozent. Und diese setzen diverse und auch namhafte Händler einschließlich Niederlassungen der Schleuderpraxis aus. Also wird alle Ertragshoffnung auf die individuellen Verkaufsprämien gesetzt, zumal diverse Hersteller systematisch Marktanteile kaufen wollen. Ganz zum Schluss lautet dann das Prinzip Hoffnung: Keine rote Null im Neuwagenverkauf! Derweil müsste die Branche die Gunst der Stunde auf "fette Beute" nutzen. Hohe Lieferzeiten sind nur noch eine Frage der Zeit.
Zur Preishackerei ein paar aktuelle Beispiele. Da bietet der VW-Retailbetrieb Schwaba in Augsburg eine FCA-Aufstiegs-Prämie für den Touran von 4.200 Euro an. Die MB-Niederlassung Berlin titelt: "Jetzt kommt die Mehrwertsteuer unter die Räder!" Nur im Juni: Neuen Wagen fahren, 19 Prozent Mehrwertsteuer sparen! So der Titel. Kleingedruckt heißt es dann weiter: Fuhrparktausch bei Mercedes – bei 350 ausgesuchten Geschäftswagen der A-, B-, oder C-Klasse die Mehrwertsteuer sparen. Im Schnitt sprechen wir von 4.800 Euro! Bei der A-Klasse bietet eine andere Niederlassung das Apple iPad im Preise mit an. Der Heisel macht das Saarland mobil! Kath fordert auf, die Garage zu räumen: Die Sommer-Kollektion kommt. Style Modelle. Da gibt es dann bei verschiedenen VW-Händlern GW-Eintauschprämien in Höhe von 6.477 Euro. Bei Toyota, je nach Modell bis zu 7.100 Euro über Schwacke. Ein Saab-Händler geht mit dem Cabrio Vector 2.0 ins Gebot: 34.900 Euro! Also, Superstars zu Superpreisen! Wirtschaftswunderpreise! Einmal mehr müssen wir die Feststellung machen, dass die aggressiven Preisattacken zwischen den Händlern bzw. Niederlassungen derselben Marke gefahren werden.
Strukturelle Verschiebungen im Vertrieb
Hintergründig spielen sich obendrein strukturelle Veränderungen im Vertrieb ab. Toyota, der "Weltmarktführer", wollte in Deutschland – so die Planung in 2006 – bis 2010 sage und schreibe 200.000 Einheiten vermarkten. In einem ausführlichen Firmenportrait der Marke Toyota haben wir in AUTOHAUS 10 die Toyota-Wandlungen für den deutschen Markt aufgezeigt. 2009 wurden noch 138.489 Einheiten vermarktet, 2010 sage und schreibe noch ganze 78.708 (!). Die Toyotahändler führen den Einbruch auf die Modellpolitik im Mittelklassebereich sowie im SUV-Bereich zurück. Man muss sich nur die Wandlung vom Erfolgsmodell „Corolla“ zum „Auris“ vor Augen führen. Wo bleibt die Welt des Land Cruiser? Die Vorreiterrolle Toyotas bei den Hybridantrieben ist noch wenig spürbar. Man erinnere sich ferner an den Abschied aus dem Formel-1-Zirkus. Der "Weltmarktführer" hat angekündigt, seine Kleinwagenmarke Daihatsu aus Kostengründen 2013 in Europa aus dem Markt zu nehmen. Im Klartext bedeutet das: Was jucken uns die zusätzlich 100.000 deutschen Einheiten bei einem Gesamtvolumen von 8,6 Millionen verkauften Einheiten pro Jahr! Diese lassen sich auf anderen Märkten ertragreicher realisieren. Wen wundert es, dass sich hier manch namhafter Toyota-Händler auf seine Zukunft besinnt, nachdem er sich ab 2006 auf die doppelte Verkaufsmenge eingestellt hat. Aber: Nichts ist unmöglich!
Der eigentliche Aufsteiger – Hyundai!
Welche Marke punktet hier sichtbar entgegen den Trend? Hyundai! Es wundert, dass der Geniestratege Ferdinand Piëch auf dem Weg zum weltgrößten Automobilhersteller immer noch Toyota in seinen Fokus stellt. Hyundai hat eben sein Kampffeld in Deutschland auch über das Nutzfahrzeuggeschäft eröffnet. Da folgt nun ein Modell dem anderen. Lautlos, aber mit Wirkung! Hyundai ist in Deutschland der einzige Hersteller, der seinen Kunden eine 5-Jahres-Neuwagengarantie offeriert. Bitte, ans Fahrzeug, nicht an den Halter – wie z.B. bei der lebenslangen Opelgarantie – gebunden. Sogar die Jahresinspektion ist im Preis auf fünf Jahre inkludiert. Hyundai weist für die ersten vier Monate 2011 mit 29.761 Einheiten auf dem deutschen Markt ein Marktwachstum gegenüber 2010 von 29,03 Prozent aus! Aktueller Marktanteil: 2,89 Prozent. Wie reagieren die Hyundai-Händler auf die Lieferengpässe? Mit aktivem Grauimport! Was soll die Entwicklung Toyota-Hyundai aufzeigen? Zum einen das Preiswirken im Neuwagenverkauf an der Front. Zum anderen strukturelle Marktveränderungen, die sich für den einzelnen Händler im Marktgeschehen für die Zukunft abspielen.
Manfred Maus, der Gründer der OBI-Märkte, den ich vergangene Woche zu einem unvergesslichen Vortrag an der Hochschule in Geislingen verpflichten konnte, meinte: "Man hat in Deutschland den Eindruck, als kenne der Kunde nur noch ein Kriterium: den Preis! Deutschland kauft nur nach dem Preis!" Preis, Preis und nochmals Preis! Da habe ich zur Eröffnung der Sommerreifensaison Mitte April in einem Autohaus in Freiburg gewartet und die Szene in der Serviceannahme beobachtet. Dabei stellte ein Kunde an den Serviceberater folgende Frage: "Ich habe draußen meinen Zweitwagen stehen. Das ist das Auto meiner Frau. Können sie mir dazu ein spezielles Angebot mit Billigreifen machen?" Ich ging draußen still an das Fahrzeug und siehe da: Auf dem Rücksitz im "Golf" sah ich einen Kindersitz! Der Serviceberater müsste dem Kunden also auf die Füße treten und klarstellen, dass es für die Konstellation Frau plus Kind keine Billigreifen gibt bzw. geben darf. Klare Antwort: "Ich verkaufe ihnen keine Billigreifen!" Die Sicherheit, also jeder Meter Bremsstrecke, hat für Frau und Kind über allem zu stehen. Aber…. Wie wird der Kunde die nachfolgende Zufriedenheitsbefragung testieren? Wie kann diese absolute Preisherrschaft sinnvoll gewandelt werden? Über die guten Inhalte der Qualität.
Qualität schlägt Preis!
Jeder Konsument muss wissen, dass Qualität einen Preis haben muss, ansonsten kann Qualität nicht produziert werden. Es geht um Wertschätzung! Von den Lebensmitteln bis zum Auto. Der Normalverdiener braucht in der Tat mehr Netto vom Brutto, um sich Qualität auch leisten zu können. Am 20. Mai 2011 habe ich an dieser Stelle aus einer Studie des TÜV-Rheinland die Durchschnittspreise für Räderwechsel und die Reifenaufbewahrung zitiert. Wenn es aber Markenhändlerbetriebe gibt, die bei einem Durchschnittspreis für Räderwechsel von 30 Euro mit 190 Euro dabei sind, habe ich für derartiges Zockertum kein Verständnis!
2. Juni – Donnerstag
Vatertagsphänomene. "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." Diese Erkenntnis schrieb Wilhelm Busch (1832 – 1908). Vergangenen Freitag war ich zu Gast im Ford-Autohaus Kupferschmid in Tuttlingen. Der Anlass: 50-Jahre Kupferschmid! Ich durfte eine Firmenfeier erleben, die Bilderbuchcharakter hatte. Da steht nun die dritte Generation im Marktgeschehen: Sohn Thorsten Kupferschmid, BFC-Absolvent in Calw, ebenso der anwesende Obermeister der Kfz-Innung Rottweil-Tuttlingen, Bernd Klaiber, BFC-Absolvent 1982. Menschen begegnen Menschen! Die Tradition mit Neuem verbunden! Das machte alles nur Freude. Wir müssen dennoch für die Branche feststellen, dass mehr und mehr Söhne und Töchter eine Unternehmensnachfolge ausschlagen. Ist das Ende der Familienbetriebe in der Branche in Sicht? AUTOHAUS arbeitet dazu aktuell mit der Santander Consumer Bank an einer Studie, um die Nachfolgesituation im Gewerbe zu hinterfragen. Gesellschaftspolitisch geht es um die Zukunft des Mittelstandes. Auch hier gilt es, der Nachhaltigkeit, also der langfristigen Überlegung, zu huldigen.
Ohne Frage, wir Erwachsenen sind gefordert: Was machen wir aus dem Leben unserer Kinder? Wir sollten in Erkenntnis der eigenen Kinder und deren Wirken an den verschiedenen Schulen einmal die Frage stellen, ob wir nicht dabei sind, alle zu Strebern zu machen. Das Motto: Die Chinesen lernen noch schneller, beeilen wir uns auch! 1986 war ich zum ersten Mal in China. Wir besuchten eine "Hauptschule". 40 Kinder beim Sportunterricht. Die Klasse war in vier Gruppen à zehn Kinder aufgeteilt und jedes Kind warf einen Ball in einen Basketballkorb. Der Maßstab aber war nicht, welches Zehner-Team am schnellsten war, sondern wie viele Würfe das einzelne Kind erfolgreich in den Korb warf. Es ging also um die Entwicklung der eigenen Fähigkeit, darum sich selber und die eigene Trefferquote zu optimieren. Ein kluger Ansatz!
Kindsein!
Wer da beispielsweise die Verkürzung der Gymnasialzeit um ein Jahr, das berühmte G8 sieht, stellt inzwischen fest, dass die Initiative dazu vom Finanzminister, weniger vom Kultusminister ausging. Die Kinder sollen selbigen Stoff in einer kürzeren Zeit aufnehmen. Was würde die Gewerkschaft sagen, wenn plötzlich die Arbeitszeit um 15 Prozent bei gleichem Lohn erweitert würde? So haben die Kinder heute eine 40-Stunden-Woche, treten vielfach aus Sportvereinen aus, geben das Klavierspielen auf, sagen Geburtstagesfeiern aus zeitlichen Belastungsgründen ab. Oder stellt das alles vielfach Überforderung dar? Es muss schon nachdenklich stimmen, wenn heute pro Jahr in Deutschland für Nachhilfe drei Milliarden Euro ausgegeben werden. Wir waren damals auch nicht gescheiter oder fleißiger, aber wir haben den Stoff in der Schule, nicht in der Nachhilfe gelernt. Klassenarbeiten sollten nicht die Funktion haben zu überprüfen, ob die Kinder im Gymnasium mitkommen können, sondern dass die Kinder in der Stoffvermittlung Schritt halten können. Da meinen einige immer noch, es sei noch mehr "Luft im System", die "Zitrone" Kind könne noch mehr ausgepresst werden. Im Internet werden Abi-Pillen empfohlen (Ampakin), für mehr Gehirn- und generelle Leistungsbereitschaft Fluoxetin.
Unsere Gesellschaft ist auf jedes einzelne Kind angewiesen. Es geht nicht nur um die Stärksten und Schlausten. Carpe diem! Das Kind soll im Jetzt leben und ganz bei sich sein dürfen. Ein Kind soll Muße haben, um natürlich wachsen zu können. Dazu gehören eben auch Nachmittage, an denen nichts im Terminkalender steht. Ist denn ein beschleunigtes Leben unbedingt ein gelingendes Leben? Das einzelne Kind ist auf alle Fälle viel mehr als die Summe seiner schulischen Leistungen. Und die Schulzeit sollte wirklich weit mehr sein als ein Trainingslager für das Berufsleben. Im Zentrum steht die Zufriedenheit des einzelnen Menschen. Und das ist wiederum eine Frage zum Grundvertrauen des Lebens. Ein kluger Herder-Spruch auf einer Mauer in Weimar meint: "Das Gras wächst nicht schneller, indem du daran ziehst." Disziplin: ja – drillen: bitte nein!
3. Juni – Freitag
Drohender Verkehrsinfarkt! Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer holt abermals die Forderung nach einer Pkw-Maut aus der Tasche. "Sein" Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer lässt seine wahren verkehrspolitischen Aktivitäten immer noch nicht sichtbar aus dem Sack, obwohl es an einigen Stellen brennt. Bei Suttgart 21 stellt sich die Frage, was man mit den Geldern an Verkehrsalternativen möglicherweise sinnvoller realisieren könnte, sollte der Volksentscheid für Stuttgart 21 negativ ausgehen. Im jüngsten Bundesverkehrswegeplan sind 66 Schienenverkehrsprojekte nachzulesen. Bis 2015 sollen nur wenige davon realisiert werden. Außer dass die Güterzüge mit ihren Uralträdern einen fürchterlichen Lärm veranstalten, kriegt man von substanzieller Entwicklung des Güterschienenverkehrs nichts mit. Die Politik setzt lieber auf den Test von 25 Meter langen Gigalastern und schafft dort bei deren Realisierung einen weiteren Anreiz, noch mehr Waren über die Straßen zu transportieren. Wo bleibt die umweltfreundlichste Lösung, die Wasserstraße? Deren Vernetzung mit der Straße und der Luft? Wie sehen die Mobilitätskonzepte für die Städte in Deutschland aus? Das Wechselkennzeichen soll 2012 eingeführt werden. Wir kommen darauf separat zurück. Fakt ist, dass in keinem der 27 EU-Länder die Straßen so stark befahren sind wie in Deutschland. Permanenter Stau ist das Schlimmste, was volks- wie gesellschaftspolitisch passieren könnte. Die Abwendung eines drohenden Verkehrsinfarkts, so lautet die große verkehrspolitische Herausforderung!
E-Bikes
Die "Fahrräder mit Trethilfe", E-Bike oder Pedelec genannt, sind auf dem Vormarsch. 2010 wurden in Deutschland bereits 200.000 Elektro-Fahrräder verkauft. Es werden künftig pro Jahr zwischen 400.000 und 600.000 sein – 15 Prozent des Fahrradmarktes. Vor allem in Tourismusgegenden werden gegenwärtig Verleihstationen für E-Bikes aufgebaut. Sicher ist für das eine und andere Autohaus eine Verleihstation sinnvoll, nicht nur als "Ersatzwagenfunktion". Smart kommt beispielsweise 2012 mit einem eigenen E-Bike auf den Markt. Peugeot hat bereits eines im Programm. Marktführer in Verleihstationen ist Movelo. Die suchen noch Partner – siehe www.movelo.com. Eines ist sicher: Die Hackordnung auf den Radwegen wird durch das E-Bike auf den Kopf gestellt. Das Elektrofahrrad wird manchen Zweitwagen, vor allem in Städten, ersetzen!
Spruch der Woche:
"Den deutschen Staat kosten die Folgen der Fehlernährung jährlich 70.000.000.000 (70 Milliarden) Euro." (Dr. med. Alex Witasek)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Karl Schuler
Tomsclub
Günter Strauf
Ralf Bützow
Hacki
Karl Schuler